Wer sich Zeit nimmt, gewinnt Zeit

Der entscheidende Punkt: Nehme ich mir Zeit für Verbesserungen? Illustration: Ecoholz GmbH

Optimierung.  Allzu oft werden Anschaffungen getätigt, ohne dass der Unternehmer weiss, wohin er mit seinem Betrieb eigentlich will. Und so steht die neue CNC dann halt am falschen Ort. Das müsse und dürfe nicht sein, sagt Berater Stephan Zürcher.

Schreinerzeitung: Wie plant man eine gut strukturierte Schreinerei?
Stephan Zürcher: Zuallererst braucht es eine Strategie. Ich muss wissen, in welche Richtung ich mit meinem Unternehmen will, mit welchen Produkten ich in welcher Qualität und auf welchem Markt auftreten will. Ich muss wissen, wo die Stärken und Schwächen meiner Schreinerei sind. Diese Grundlage fehlt Unternehmern in der Branche häufig. Die wenigsten wissen, was sie wirklich gut können. Sie wollen jeden Kundenwunsch erfüllen und alles selber produzieren, egal ob effizient oder umständlich.
Wer weiss, was er will, und wer plant, der organisiert und produziert besser?
Ja, auf einer präzisen Strategie lässt sich eine optimierte Produktion planen. Du erkennst dann, welche Produkte und Prozesse auf dem kürzesten Weg durch die Fertigung sollen und welche einen grösseren Weg nehmen können, weil man sie weniger häufig braucht. Der Unternehmer muss für sich im Klaren sein: Mit welchen Produkten verdiene ich Geld, welche Aufträge sollten wir meiden?
Welche Überlegungen spielen hinein?
Wenn mir ein Schreiner heute sagt, er mache weniger Türen, dafür mehr Küchen, dann frage ich zurück: «Ist das wirklich deine Strategie für die nächsten fünf bis zehn Jahre? Das machen doch alle anderen auch! Zudem hat es auch Mitbewerber, die wirklich Gas geben und investieren können. Und du willst ausgerechnet auch in diesen Markt?» So werden in vielen Schreinereien noch Mengen an Klotzbrettern gebunkert, auch wenn seit Jahren kaum noch etwas benötigt wird. Entsprechend «verbrauchen» die dazu nötigen Maschinen Fertigungsfläche, die vielleicht für Wertschöpfenderes genutzt werden könnte.
Ich weiss nun, wohin ich als Unternehmer will und wo ich in zehn Jahren stehe. Was mache ich als Nächstes?
Zuerst muss ich eines klarstellen: Planung auf der grünen Wiese gibt es in der Schweiz praktisch nicht mehr. Die allermeisten Betriebe müssen mit dem gewachsenen Bestand leben, können diesen aber deutlich verbessern. Und hier gilt es, in bewussten Investitionsschritten vorwärtszugehen. Ein Beispiel: Ein Schreiner hat in all den Jahren immer wieder in Maschinen investieren können. Doch die einzelnen Maschinen und Systeme passen nicht zusammen. So ist jetzt die CNC viel grösser als die alte und steht nun eben ganz hinten in der Ecke, da wo noch Platz war. Somit wandern die Materialwagen quer durch die Fertigung, was zu Stau, Schäden und Ärger führt. Der rote Faden und der Weitblick in der Entwicklung des Unternehmens fehlen.
Was kann ein Schreiner in diesem Moment noch tun?
Die zentrale Frage ist: Was kostet uns der wirre Materialfluss, oder wie können wir mit wenigen Schritten die Produktion so umorganisieren, dass wir einen guten, kurzen Materialfluss haben? Man müsste alle Maschinen in die Hand nehmen. Doch die meisten lösen es so, dass die CNC-Maschine halt weiterhin hinten in der Ecke steht. So kreuzen sich die Materialwagen mitten im Unternehmen, alles wird hin und her geschoben, was zu Stau, Ärger und Schäden an den Teilen führt. Und das ist schade.
Warum ist das schade?
Weil es oft nicht viele Veränderungen braucht, um einen deutlich besseren Materialfluss einzurichten. Doch wir sind alle etwas betriebsblind und sehen direkt die Kosten für die Umstellung und nicht, dass mit einem Mauerdurchbruch die Wagen einen kürzeren Weg zur CNC haben. Für unsere Hauptprodukte müssen wir einen möglichst kurzen Weg anstreben. Die Furnierabteilung, die ich nur selten brauche, darf ruhig hinten in der Ecke stehen.
Welches sind die Fallstricke bei der Betriebsentwicklung respektive bei einer Vergrösserung?
Schreiner haben halt irgendwie das Gefühl «Wir können es selber!». Und dadurch haben sie oft einen kurzfristigen oder vielleicht auch blauäugigen Blick auf die anstehenden Themen im Unternehmen. Sie vertrauen auf den Maschinenlieferanten, der ihnen sagt: «Das haben wir da und dort auch so gelöst.» Oft passt dann die neue Maschine nicht ins Gesamtkonzept und die Struktur des Unternehmens. Wie viele CNC-Maschinen werden noch an der Maschine programmiert, oder diese CAD-CAM-Systeme passen weder zum ERP, noch sind sie wirklich durchgängig? Es fehlen die nötigen Stammdaten, die Etiketten – es fehlt das Fachwissen im Unternehmen, um diese Probleme wirklich zu lösen. Aber die Maschine könnte es – eigentlich ...
Wer im Unternehmeralltag steht, hat oft den anstehenden Auftrag im Fokus und nimmt sich dann keine Zeit für langwierige Überlegungen zur Strategie ...
Wenn wir ehrlich sind: Die Schreiner arbeiten zu oft im Unternehmen statt am Unternehmen. So sind die meisten Inhaber als Feuerwehrmann im Betrieb unterwegs und kümmern sich laufend um Kleinigkeiten. Statt sich Zeit zu nehmen und über Nachkalkulation, Marketing, Strukturen und Visionen zu diskutieren. Sie arbeiten täglich zwölf Stunden und am Samstag auch noch. Sie nehmen sich aber nicht die Zeit, die Säge zu schärfen. In der Schreinermeisterausbildung erarbeite ich mit den jungen Menschen genau diese Punkte. Es braucht nicht viel, um die Vision aufs Papier zu bringen und daraus eine Strategie zu entwickeln. Das geht in wenigen Stunden, doch es braucht die Diskussion auf Augenhöhe mit Kollegen, Mitarbeitenden, Kunden und Spezialisten. Es braucht das Vorgehen, die Struktur und ein paar Fragen, die uns den Horizont öffnen. Klar ist dies ein Entwicklungsprozess. Aber wir sprechen hier nicht von Monaten. Und daraus lassen sich dann die Fragen ableiten, was das für Produktion und Personal bedeutet.
Wenn ich eine Strategie habe und weiss, wohin ich mit meinem Betrieb will. Wie binde ich die Mitarbeiter in die Veränderungen ein?
Indem man sie bereits in die Strategieentwicklung einbezieht. Sonst existieren Vision und Strategie nur im Kopf des Inhabers. Ich frage die Mitarbeitenden jeweils, was sie über das Unternehmen denken, welche Stärken und Schwächen sie erkennen: «Wo gibt es Verschwendungen, was nervt euch?» Da kommen dann Aussagen wie: «Wir haben zu viele angefangene Aufträge in der Werkstatt. Wir suchen dies und jenes. Wir sind in der Avor zu langsam.»
Und was dann?
Dann gehen wir mit allen Mitarbeitenden durch den Betrieb und suchen Optimierungspotenziale. Vielen, gerade langjährigen Mitarbeitern in der Produktion, gehen die Augen auf, wenn sie erst einmal realisieren, wie viel sie täglich gehen und Wagen schieben. Das sind acht bis zehn Kilometer pro Tag – und das in der Werkstatt! Das bedeutet mindestens zwei Stunden reine Gehzeit, also Verschwendung. Wenn die Mitarbeitenden das begriffen haben und sich Zeit nehmen, den eigenen Arbeitsplatz anzuschauen, dann kommen ihnen Ideen, wie man die Gehzeit halbieren könnte.
Können Schreinereien einen Optimierungsprozess ohne Aussensicht überhaupt in Gang setzen?
Bei meiner Beratertätigkeit geht es mir darum, Mitarbeiter zu befähigen, die Veränderungen selber zu erkennen und umzusetzen. Die Mitarbeitenden brauchen nur das Vorgehen und die Erlaubnis, etwas verändern zu dürfen. So entstehen erste Erfolge, und es verbessern sich die Arbeitsplätze in der Werkstatt Schritt für Schritt. Ein Beispiel: Der Warenausgang ist meist das Chaos pur. Das Material liegt irgendwo parat, niemand weiss genau wo. Der Bankschreiner weiss auch nicht alles. Auch der Projektleiter muss mithelfen, an dieses und jenes zu denken. Man kennt es nur zu gut: Wie oft muss der Monteur von der Baustelle anrufen, weil er dies oder jenes nicht dabei hat? Hier ist der perfekte Ort, um mit der Optimierung zu starten.
Kürzlich hätte an der HF Bürgenstock ein Kurs zum Thema Arbeits- und Prozessoptimierung stattfinden sollen. Der Kurs wurde mangels Anmeldungen abgesagt. Warum fehlt das Interesse?
Schauen wir uns das Bild der beiden Sägenden auf der vorangehenden Seite an. Man hat keine Zeit, weil man mit stumpfem Werkzeug am Sägen ist. Nachholbedarf und Optimierungspotenzial gäbe es aber wirklich genug. In diesem Kurs zeige ich an vielen Beispielen, wie das Vorgehen ist und welche Instrumente es dazu gibt. Mit einem Besuch in einem Unternehmen runden wir diesen Tag jeweils ab.

Zur Person

Stephan Zürcher ist Mitinhaber der Bera- tungsfirma Ecoholz in Winterthur ZH. Er hat Möbelschreiner gelernt, auf dem Beruf gearbeitet, und später einen Abschluss als Holzbetriebsingenieur HTL gemacht. Seit 2012 ist er selbstständiger Unternehmensberater und Dozent für angehende Produktionsleiter und Schreinermeister sowie Referent des Kurses Arbeits- und Prozessoptimierung, der am 29. Oktober erneut an der HF Bürgenstock ausgeschrieben ist.

www.ecoholz.chwww.hfb.ch

Stefan Hilzinger, hil

Veröffentlichung: 28. Juli 2021 / Ausgabe 29-30/2021

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