Zutritt ohne Diskriminierung

Erst der breite Markierungsstreifen macht die Eingangsfront gut sichtbar. Bild: Andreas Brinkmann

Barrierefreiheit.  Barrieren verhindern ein Weiterkommen. Und wer in seinen Grundlagen schon eingeschränkt ist, braucht nur kleine Hindernisse, um stecken zu bleiben. Seit 2004 müssen alle bewilligungspflichtigen Gebäude barrierefrei erstellt werden, was allen Menschen nützt.

Das Leben findet in vielen Facetten und für jeden Menschen individuell statt, vom Kleinkind, das noch in einem Kinderwagen herumgeschoben wird, bis zum alten Menschen, der vielleicht einen Rollator benötigt, um noch selbstständig unterwegs sein zu können. Vom Hexenschuss bis zu den Krücken nach einem Skiunfall gibt es immer wieder Situationen, welche die Mobilität einschränken können und wo Betroffene auf ein barrierefreies Durchkommen angewiesen sind.

Natürlich, es gibt auch Menschen, die nicht so viel Glück hatten und ihre Krücken wieder abgeben konnten: Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Menschen, die beim Sehen oder Hören eingeschränkt sind und daher Schwierigkeiten haben, sich zu orientieren. Laut dem Bundesamt für Statistik sind es in der Schweiz rund 1,7 Millionen Personen, die durch eine Behinderung mit bleibenden Einschränkungen leben müssen.

Das Recht aller Menschen

Wenn so viele Leute konstant und noch viele mehr temporäre Schwierigkeiten bei der Bewältigung von baulichen Hindernissen haben, braucht es Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben selbstständig teilnehmen können und es keine Diskriminierung einzelner Personen oder gleich ganzer Bevölkerungsgruppen gibt. Diese Rahmenbedingungen wurden vom Bund mit dem Behinderungsgleichstellungsgesetz (BehiG) geschaffen, das seit dem 1. Januar 2004 in Kraft ist.

Körper-, Seh- und Hörbehinderungen sind die für den Baubereich relevanten Behinderungen. Zudem haben alle Kantone eigene gesetzliche Bestimmungen über das behindertengerechte Bauen aufgestellt. Das BehiG regelt dazu die Mindestanforderungen. Massgeblich ist letztlich dann jener Erlass, der diesbezüglich die strengeren Anforderungen stellt. BehiG sowie kantonale und kommunale Gesetze und Vorschriften regeln, wo hindernisfrei gebaut werden muss. Grundlegend für die Ausführung dieser Bauten ist die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten», die vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein herausgegeben wird. Im Weiteren gilt die Schweizer Fachstelle «Hindernisfreie Architektur» als nationales Kompetenzzentrum. Interessierte können auf deren Website auf umfangreiche Unterlagen zu diesem Thema zugreifen.

Drei relevante Kategorien

Die Norm SIA 500 unterteilt die Anforderungen in drei Kategorien:

  • öffentlich zugängliche Bauten
  • Bauten mit Wohnungen
  • Bauten mit Arbeitsplätzen

Mit der Unterteilung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es je nach Art der Gebäudenutzung unterschiedliche Anforderungen gibt, und selbst temporäre Bauten sind dabei mit einbezogen. Für Bauten zur Pflege und Betreuung von Personen ist diese Norm hingegen nicht massgebend.

Was sind nun aber öffentlich zugängliche Bauten? Auch da gibt es Kategorien:

  • Bauten, die einem beliebigen Personenkreis offenstehen, wie Gastrobetriebe, Geschäfte, Sportanlagen, Kinos oder Museen
  • Bauten für einen bestimmten Personenkreis, wie Schulen, Kirchen und Spitäler
  • Bauten, in denen persönliche Dienstleistungen erbracht werden, wie Arzt- und Anwaltspraxen
  • Die Besucherbereiche in Bauten mit Arbeitsplätzen

Der Zugang sowie die Benutzung der öffentlich zugänglichen Bereiche sollen für alle Personen ohne fremde Hilfe möglich sein. Es müssen dabei nicht sämtliche Zugänge behindertengerecht gestaltet sein. Wenn der Haupteingang die Anforderungen erfüllt, genügt das.

Der Rollstuhl als Bemessensgrundlage

Grundsätzlich wird bei Barrierefreiheit von den Möglichkeiten eines Rollstuhlfahrers ausgegangen, weil diese Anforderungen auch bei allen anderen Beeinträchtigungen ausreichen. Bei den vorgeschriebenen minimalen lichten Durchgangsbreiten von 800 mm kommt auch ein Kinderwagen oder jemand mit zwei Taschen durch.

Bei den Bauten mit Wohnungen sind solche betroffen, die mindestens neun Wohneinheiten aufweisen. Es muss aber nur der Zugang bis in die Wohnung behinderungsgerecht sein. Die Ausgestaltung der Wohnung sowie von Nebenräumen, wie Waschküche und Keller, sind nicht vorgeschrieben. Die Wohnung muss aber so ausgelegt sein, dass eine spätere Anpassung mit wenig Aufwand möglich ist – zu schmale Durchgänge in die Zimmer und zum Badezimmer genügen somit nicht, denn ein späterer Umbau könnte unverhältnismässig sein. Die Einhaltung der Vorschriften verursacht per se in der Regel keine Mehrkosten. Pflicht ist ein normkonformer Lift für die Erschliessung aller Wohnetagen.

Die dritte Kategorie umfasst Bauten mit mehr als 50 Arbeitsplätzen im ganzen Gebäude. Hier muss jeweils ein behindertengerechter Zugang bis zum Arbeitsplatz und bis zu den dazugehörigen Bereichen führen. Bei jedem vertikalen Erschliessungskern (Lift, Treppenhaus) muss zudem eine rollstuhlgängige Toilette vorhanden sein.

Zeitpunkt der Gesetzesanwendung

Gebäude, die nach dem 1. Januar 2004 gebaut wurden, müssen den Anforderungen des BehiG entsprechen. Sobald eine Bewilligung für die Erstellung oder die Erneuerung eines Baus oder einer Anlage erforderlich ist, gilt das Gesetz für diesen bewilligungspflichtigen Bereich. Die zusätzliche, behindertengerechte Anpassung von noch anderen Bereichen ist im gleichen Durchgang nur dann zwingend, wenn ein enger Nutzungszusammenhang besteht: Wird ein Restaurant erweitert, muss auch das WC angepasst werden; oder bei der Einrichtung einer Arztpraxis muss man den Gebäudezugang mit einbeziehen.

Für den Schreiner und Planer ist es wichtig, dass er bei Ausschreibungen und Baubewilligungsverfahren auf die Einhaltung der Normen und des BehiG achtet. Die Einhaltung der Gesetzesvorgaben ist, abgesehen von wenigen Verhältnismässigkeitserwägungen, zwingend. Oft ist in den Bauunterlagen aber nicht ersichtlich, ob und welche Vorgaben erfüllt werden müssen und wie die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt werden können. In diesen und auch noch anderen Fällen kann im Anschluss an das Bewilligungsverfahren mittels Klage ein Rechtsanspruch geltend gemacht werden, was dann auch Konsequenzen bezüglich falsch ausgeführter Arbeiten hat.

Minimale Türgrundlagen

Zugänge haben immer mit Türen zu tun. Grundsätzlich sollen diese schwellenlos sein, wobei eine Hohlflachschiene oder bei Aussentüren eine einseitige Stufe von maximal 25 mm zulässig sind. Letzteres aber auch nur aus unausweichlichen, konstruktiven Gründen. Fluchttüren dürfen gar keine Schwellen aufweisen.

Dass die lichte Durchgangsbreite jeder Tür mindestens 800 mm betragen muss, hat mit der Rollstuhlbreite und dem zusätzlichen Platzbedarf für die Fortbewegung zu tun. Das funktioniert aber nur bis zu einer maximalen Laibungstiefe von 600 mm. Bei einem längeren «Tunnel» bis 2000 mm sind 1000 mm lichte Breite vorgeschrieben. Beim gut erreichbaren Drücker – ein Knauf oder ein Muschelgriff ist nicht zulässig – sollte auf dieser Seite neben der Tür noch 600 mm Platz vorhanden sein, damit man mit einem Rollstuhl oder auch Rollator die Tür überhaupt öffnen kann. Besonders wichtig ist dieser Abstand zudem, wenn anschliesssend beispielsweise wegen einer Treppe eine Absturzgefahr besteht.

Verbesserte Wahrnehmung

Menschen mit einer eingeschränkten Sehfähigkeit haben Mühe, Dinge eindeutig zu erkennen, wenn sie sich nicht deutlich vom Umfeld abheben. Türen müssen daher entsprechend ihrer Funktion gut erkennbar sein. Das heisst, dass Hauptdurchgänge beispielsweise eine Umrahmung aufweisen, die sich durch einen deutlichen Helligkeitskontrast von der Wandfarbe absetzt. Farben in gleicher Helligkeit werden von farbenblinden Menschen als kaum zu unterscheidende Grautöne wahrgenommen. Das Gleiche gilt natürlich auch für Beschriftungen. Diese dürfen zudem maximal 1600 mm über dem Boden angebracht sein.

Durchsichtige Wände und Türen müssen auf ganzer Länge eine nicht transparente Markierung im Bereich von 1400 bis 1600 mm über Boden aufweisen, damit sie – auch von gut sehenden Personen – wahrgenommen werden. In diesem Bereich muss mindestens 50 % der Fläche mit Markierungen versehen sein, die zudem höchstens 100 mm Abstand voneinander haben dürfen. Da sich der Hintergrund je nach Lichtsituation verändern kann, wird abwechselnde Verwendung einer hellen und einer dunklen Farbe empfohlen.

Bedienelemente müssen auf einer Höhe von 800 bis 1100 mm über Boden angebracht werden. Bei Menschen mit einer Sehbehinderung kann die Ertastbarkeit von Schaltern und der Beschriftung ausserordentlich wichtig sein. Sensortasten beispielsweise sind als Klingel oder Ruftaster nicht zulässig. Damit man etwas ertasten kann, muss dies mindestens einen Millimeter vorstehen. Die Freigabefunktion von Tür-Entriegelungen und ähnliche Funktionen müssen optisch und akustisch erfolgen, wenn alle Nutzer die Anlagen selbstständig bedienen können sollen – optisch für Hörgeschädigte und akustisch für Sehbehinderte.

Wer noch mehr über barrierefreie Türen wissen möchte, kann das unter dem Titel «Durchgängig für alle» in der Ausgabe Nummer 21 der Schreinerzeitung vom 20. Mai 2021 nachlesen.

www.sia.chwww.hindernisfreie-architektur.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 09. September 2021 / Ausgabe 37/2021

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