Wenn die Tür eine sichere Bank ist

Bei Hochwasser hält die Hochwasserschutztür die Flut auf, auch wenn die Bewohner nicht zu Hause sind. Bild: Pixabay

Hochwasserschutz.  Wenn das Wasser unaufhörlich steigt und das Haus zu fluten droht, sind die Türen die entscheidende Hürde. Nebst den sonstigen Funktionen einer Tür geht es deshalb auch immer öfter um den Schutz vor Hochwasser. Lösungen gegen «Land unter» gibt es.

Als Schreiner Peter Kempf vor gut acht Jahren anfing, an einer Tür zu tüfteln, bei der das Hochwasser draussen und es drinnen einigermassen trocken bleibt, waren solche Überlegungen für die meisten in der Branche noch nicht wirklich präsent. Einige Hochwasser- und Flutereignisse später scheint das anders. «Der bauliche Hochwasserschutz mittels Türen wird immer wichtiger. Wir merken das aktuell deutlich bei allen Akteuren im Baubereich», sagt Martina Eisele, verantwortlich für das Marketing der Brunex AG im aargauischen Brunegg.

Ins Rollen kam der Stein bei Kempf durch einen privaten Hauseigentümer, dessen Elementarversicherer nach dem zweiten Schadereignis durch Hochwasser von dem Bauherren Massnahmen gegen die Überflutung der Räume forderte. Kempf nahm sich dem Thema an und entwickelte eine Tür.

Inzwischen haben mehrere Anbieter Lösungen auf dem Markt, die eines gemeinsam haben: Im Falle einer Überflutung verhindern die Türen weitestgehend das Eindringen von Wasser ins Gebäude und wehren damit einen substanziellen Schaden ab. Das ist der Kern einer Hochwasserschutztür. Man dürfe aber nicht erwarten, dass sie im Katastrophenfall Flutwellen abhalten kann, erklärt Martin Kopp, Geschäftsführer der Feuerschutzteam AG in Hünenberg ZG.

Der Klimawandel zeigt Wirkung

Laut dem Bundesamt für Umwelt werden in der Schweiz die meisten Schäden infolge Naturgefahren durch Hochwasser, Oberflächenabfluss und Murgang verursacht. «Aufgrund des Klimawandels nehmen die Naturgefahren wie Überschwemmungen zu», schreibt das National Centre for Climate Services (NCCS). Das Bewusstsein für diese Naturgefahren und die Bereitschaft zur individuellen Vorsorge seien in der Bevölkerung jedoch noch kaum entwickelt. Eine bessere Vorsorge könne jedoch wesentlich dazu beitragen, Schäden zu vermeiden und Menschenleben zu schützen, so das NCCS als virtuelles Zentrum des Bundes zu Fragen der Meteorologie.

Das Thema beginnt also erst, allmählich ins Bewusstsein vorzudringen. Aber auch erste Erfolge gibt es zu vermelden. So hat wenigstens eine Tür von Kempf Innenausbau in Arni AG schon einem Schadereignis standgehalten. «Unsere Türen sind nach einem Hochwasserereignis nicht zerstört», erklärt Kempf. Die stets nach innen öffnenden Konstruktionen bekommen für die Erfüllung der Schutzfunktion ein Doppel auf der Aus-senseite. Das fertigt die Schreinerei aus MDF-Tricoya, einem Werkstoff, dem Wasser so schnell nichts anhaben kann. Das Wasser kommt, die Tür hält dicht, und nachdem das Wasser verschwunden ist, muss man die Tür zwar säubern, aber nicht gleich ersetzen.

Auch bei Raumwerke in Felben-Wellhausen im Thurgau hat man eine geprüfte Hochwasserschutztür im Angebot. Die Schreinerei ist Lizenznehmerin der Lösung aus dem Hause Brunex. Diese geht im Gegensatz zur Tür von Feuerschutzteam und der Schreinerei Kempf stets nach aussen auf. «Die umlaufende Dichtungsebene im Überschlag sorgt für die Dichtheit», erklärt Martin Brübach, verantwortlich für die Entwicklung bei Brunex. Beim Hochwasser in Schleitheim SH im Sommer 2021 rauschte das Wasser über 2 m hoch an einer Hochwasserschutztür von Raumwerke vorbei. Und auch hier hielt die Tür stand, obwohl Hochwasserschutztüren üblicherweise bis zu einem Wasserstand von 900 mm geprüft werden. Der extreme Wasserstand fand am Ende allerdings doch noch über ein Fenster seinen Weg ins Hausinnere, trotzdem konnte die Tür das Schlimmste auch in diesem Fall verhindern.

Wasser findet immer seinen Weg

Das Beispiel zeigt, welche Knackpunkte bei Massnahmen zum baulichen Hochwasserschutz zu beachten sind. Hält die Tür das Wasser ab, kann es womöglich an anderer Stelle eindringen. Daran hat Kempf zusammen mit Feuerschutzteam auch gedacht und neben der Türkonstruktion auch ein geprüftes ein- und doppelflügliges Fenster sowie ein Element als Festverglasung entwickelt. «Diese sind miteinander kombinierbar», sagt Kempf, womit sich Varianten ausführen lassen, wie etwa eine Haustür mit verglastem Seitenteil, die vor den Auswirkungen von Hochwasser geschützt ist. Auch ein Lichtschachtfenster ist geprüft und zugelassen. Für die Prinzipien der Abdichtung laufen Patentverfahren. «Wir haben alle Elemente seit 2021 prüfen lassen, was ein langer und aufwendiger Prozess war», sagt Jasmin Kempf, stellvertretende Geschäftsführerin der Schreinerei. Zusammen mit dem Partner Feuerschutzteam hat man dafür eine Palette an Lösungen. «Bei den Holzfenstern sind wir mit der Hochwasserschutzfunktion bislang allein», erklärt Jasmin Kempf.

Die Wassersäule ist entscheidend

«In den meisten Fällen steigt das Wasser nicht über einen halben Meter hoch», weiss Martin Kopp, Geschäftsführer der Feuerschutzteam AG in Hünenberg ZG. Geprüft hat man die Elemente trotzdem mit einer Wassersäule von 900, 1300 und 1800 mm. Man muss sich vor Augen führen, dass jeder Millimeter Höhe einem Kilogramm Belastung auf das Bauteil entspricht. Dabei ist es unerheblich, wie gross das Volumen des Hochwassers ist, der Druck richtet sich nur nach der Wasserhöhe. Bei einer 900-mm-Wassersäule drücken 900 kg auf das Bauteil.

«Eine europäische harmonisierte Norm gibt es zurzeit für den Hochwasserschutz nicht, könnte aber künftig bei Überarbeitungen durchaus ein Thema werden», sagt Dominik Dischl, zuständig für die Entwicklung bei der Riwag Türen AG in Arth SZ.

Geprüft werden Entwicklungen von Hochwasserschutztüren, wie sie neu auch bei Riwag als auswärts öffnende Lösung im Angebot sind, bei den einschlägigen Prüfinstituten. Dazu gehört etwa das Prüfzentrum für Bauelemente (PfB) im bayerischen Stephanskirchen. Die Elemente von Feuerschutzteam und auch die Hochwasserschutztüren von Brunex und von Riwag sind dort geprüft und zertifiziert.

Die Formulierung lautet dann «hochwasserbeständig gegen drückendes oder stehendes Wasser». Das bedeutet, dass bei der definierten Wassersäule innerhalb von 24 Stunden nicht mehr als 10 l Wasser pro Stunde durch die Tür hindurchgelangen. «Als wasserdicht hingegen wird ein Abschluss bezeichnet, der pro Stunde nicht mehr als 20 ml durchlässt», erklärt Dischl. Im Alltag gehe es aber um die Hochwasserbeständigkeit und deren Prüfung. Übrigens: Auch Brandschutzeigenschaften und Einbruchhemmung sind mit der Funktion der Hochwasserschutz- tür bei allen Anbietern kombinierbar. «Auch beim Design ist vieles machbar», sagt Kempf.

Schwachpunkt ist der Zylinder

Die Anforderungen der Prüfung zum Hochwasserschutz von Türen erfüllen die Schweizer Hersteller scheinbar mühelos. Es kommen nur wenige Liter durch die Dichtungsebenen bei den Systemen im Zuge der Prüfung über 24 Stunden. «Der Knackpunkt ist der Schliesszylinder. Eine Bohrung und die Hochwasserschutzprüfung passen nicht zusammen», erklärt Martin Kopp. Wenn die Tür über die Höhe des Zylinders hinausgehend der Wassersäule standhalten soll, müsse eine motorische Verriegelung umgesetzt werden. Ansonsten sind die nach Prüfvorschriften zulässigen 10 l pro Stunde wohl kaum zu erreichen. In der Praxis wird also der Bereich bis etwa 900 mm entscheidend sein. Wichtig ist die Prüfung einer Tür auch für höhere Wasserstände trotzdem. Hält sie grundsätzlich einer 1800 mm hohen Wassersäule stand, kann sie das Schlimmste verhindern – trotz Wassereinbruch beim Schloss.

Montage genauso wichtig

Entscheidender Punkt nebst der geprüften Türkonstruktion ist die Montage der Hochwasserschutztür. Die Experten weisen unisono auf die sorgfältige Ausführung der Montage hin. Alle Anbieter von Hochwasserschutztüren haben deshalb detaillierte Montageanweisungen ausgearbeitet, damit die Tür im Ernstfall halten kann, was sie versprochen hat. Auch Variotec Schweiz hat eine geprüfte Lösung im Portfolio und macht in den Montgeanleitungen exakte Angaben über die Befestigung, deren Abstände und Ausführung.

Allerdings ist es im konkreten Fall gar nicht so leicht, die Bestimmungen einzuhalten, etwa beim Randabstand der Schrauben. «Bei einer 24 cm dicken, gegossenen Wand ist es einfach, zu sagen: ‹Das passt mit der Montage.› Aber schon beim Holzbau sieht es anders aus», sagt Martin Brübach. Im Zweifel müsse der Schreiner den Holzbauingenieur befragen, ob die konkrete Wand einer Hochwasserbelastung standhält. Entscheidend sei, dass der Rahmen bleibe, wo er ist. Und wenn man bedenkt, dass etwa die Glasfüllung mit einem VSG aus 2 × 6 mm Floatglas sich in der Prüfung der Hochwasserschutztür von Kempf um 5 mm gebogen hat, wird klar, was für ein hoher Anspruch der Montagequalität zukommt. Grundsätzlich, so Brübach, brauche es einfach einen Bauanschluss, der dafür geeignet ist, dass die Abdichtung hält. Der Schreiner müsse die Situation erkennen und sie im Zweifel von Experten begutachten lassen.

Damit im Ernstfall die Tür ihren wichtigen Dienst zuverlässig erbringen kann, sollte sie zudem im Zuge des regelmässigen Wartungsintervalls überprüft werden. Nur wenn die Dichtungen sauber anliegen, bleibt das Hochwasser sicher vor der Tür.

www.kempf-innenausbau.chwww.feuerschutzteam.chwww.brunex.chwww.raumwerke.chwww.riwag.chwww.variotec.ch

Gebündelte Kompetenz

Plattform für geprüfte Produkte im baulichen Hochwasserschutz

Neben einer schweizweiten Gefahrenkarte für Hochwasser und Datengrundlagen zu anderen Naturgefahren des Bundes bietet die Plattform «Schutz vor Naturgefahren» eine Liste von Herstellern von Hochwasserschutzprodukten.

Ähnlich wie bei dem bekannten Register vom VKF für Brandschutzprodukte sind dort die Anbieter von geprüften Hochwasserschutzprodukten gelistet. Türen und Fenster finden sich auf der Seite in der Kategorie «permanent» und «teilmobil».

www.schutz-vor-naturgefahren.ch

Was heisst hochwasserschutz?

Ausgezeichnet geprüft

Normative Bestimmungen für die Funktion des Hochwasserschutzes von Türen, Fenstern und anderen Bauteilen gibt es bislang nicht. Die Institute haben ihre Richtlinien deshalb selbst formuliert. Wichtiger Akteur ist dabei das Prüfzentrum für Bauelemente in Deutschland. Die Prüfung erfolgt über 24 Stunden, standardmässig mit einer 100- und 500-mm-Wassersäule. Meist werden dazu noch individuelle Wasserhöhen getestet. Die dabei nach innen dringende Wassermenge wird gemessen. Unterschieden werden vier Kategorien von Wasserdichtheit. Die prak- tisch wichtigste Kategorie ist dabei «hochwasserbeständig gegen drückendes oder stehendes Wasser». Diese Zertifizierung erhält eine Konstruktion, die maximal 10 l Wasser pro Stunde über den Prüfzeitraum von 24 Stunden hindurchlässt.

www.pfb-rosenheim.de

Christian Härtel, CH

Veröffentlichung: 20. Februar 2025 / Ausgabe 8/2025

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