Vorsicht vor thermischen Verlusten
Der Briefschlitz führt zu einem thermischen Verlust in dieser Gebäudehülle. Bild: Andreas Brinkmann
Der Briefschlitz führt zu einem thermischen Verlust in dieser Gebäudehülle. Bild: Andreas Brinkmann
Gebäudehülle. Die sich ständig verändernden, klimatischen Verhältnisse und die Anforderungen der heutigen Gesellschaft sind eine grosse Herausforderung für Aussenhüllen von Gebäuden und deren Durchgänge. Vorgaben helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Wer alte Autos liebt, weiss, dass sie auf der technischen Seite neuen Modellen nicht das Wasser reichen können. Dass Leistung und Verbrauch weit hinter heutigen Ansprüchen liegen, ist für viele Benutzer nur der Anfang einer Liste von überwundenen Torturen, die man im mittlerweile täglichen Gebrauch nicht mehr erdulden möchte. Im Winter sind die Veteranenfahrzeuge kalt, weil eine wirkungsvolle Isolation fehlt, die Heizung schwach ist und sie Aufwärmezeit benötigen. Im Sommer heizt sich dann hingegen das wunderschön geformte Blech auf. Dann helfen in einem solchen Backofen vielleicht die verschieden ausstell- baren Fenster – vorausgesetzt, es herrscht freie Fahrt. Diese Fenster verhindern aber heute den Besuch einer modernen Waschanlage mit Hochdruckwasserdüsen – ausser es wird eine umfangreiche Innenwäsche gewünscht.
Wie die Waschanlage haben sich auch die Autos über die Jahre hinweg immer weiterentwickelt. Das geschieht einerseits, um die Fahrzeuge für den Kunden attraktiver zu machen und mehr davon verkaufen zu können. Andererseits erlässt der Bund Vorschriften, die den Treibstoffverbrauch und die Emissionen von Neufahrzeugen festlegen sowie die Verkehrssicherheit erhöhen, was letztlich allen zugutekommt.
Sieht man sich Gebäude an, wird man feststellen, dass diese sehr oft viel älter werden als Autos, unsere Komfortansprüche sich aber eher im Entwicklungstempo von Autos verändern. Auch Gebäude brauchen Pflege und werden immer wieder verbessert. Das geschieht, weil Dinge durch die Nutzung oder Wettereinflüsse verbraucht und defekt sind. Es geschieht aber auch, weil sich die Anforderungen verändern und auch Bauten mit ihren Räumen anders genutzt werden sollen. Vor allem die Gebäudehüllen werden besser isoliert und dicht gemacht. So erreichen sie dann einen Feuchte- und Wärmeschutz, der aktuellen Anforderungen entspricht. Was die behördlichen Vorschriften anbelangt, die bei Umbauten sowie Neubauten eingehalten werden müssen, ist nicht der Bund, sondern sind die Kantone zuständig.
Bauplanung und Bewilligungsverfahren können somit stark differieren, was vor allem für Bauherren und Fachleute einen grossen Mehraufwand bedeutet, wenn sie in verschiedenen Kantonen tätig sind.
Mit den «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» (Muken) erarbeiten die Kantone gemeinsam ein Gesamtpaket energierechtlicher Mustervorschriften im Gebäudebereich. Damit werden Vorgaben für den Wärme- und Feuchteschutz gegeben. Die Muken bilden den gemeinsamen Nenner der Kantone und haben ein hohes Mass an Harmonisierung im Bereich der kantonalen Energievorschriften zum Ziel. Seit 1992 gibt es die Muken. Sie wurden 2008 massiv verschärft und 2014 mit ihrer vierten Auflage nochmals dem aktuellen Stand der Technik angepasst, womit die Anforderungen auch mit den Vorschriften innerhalb der EU gleichziehen.
2008 gab es vom Gesetzgeber einen Para- digmenwechsel von reinen Bauteile-U- Werten zu Grenzwerten für den Heizwärmebedarf Qh. Damit beschränkt sich der Gesetzgeber nicht mehr nur einfach auf die U-Wert-Vorgaben für die Bauteile einer Gebäudehülle, sondern setzt den Energieverbrauch pro beheizten Quadratmeter und Jahr als massgebend an.
Begründet wird der Schritt damit, dass die Lage eines Gebäudes massgeblich mit dem Energiebedarf beziehungsweise Heizwärmebedarf Qh verbunden ist. Ein Haus ist nicht mobil wie ein Auto und muss sich verschiedenen Klimasituationen anpassen, sondern es steht fix an einem Ort. Beispielsweise bilden sich im Winter in Talsohlen oft Kälteseen. Südhänge sind einer intensiveren Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Übermässiger Wind an exponierten Lagen kühlt die Gebäude mehr aus. Gebäude sind mit ihrem Standort fest verbunden und müssen den dort gegebenen Anforderungen entsprechend ausgeführt werden.
Die Konferenz kantonaler Energiedirektoren (ENDK) stellt auf ihrer Internetseite die Muken ausführlich vor und bietet in den drei Landessprachen PDF-Dateien zum Herunterladen an. Erhältlich ist dort auch eine Datei, die sich mit dem Stand der Umsetzungen in den Kantonen befasst, denn erst 14 Kantone wenden die Muken 2014 an. Zehn arbeiten noch an der Umsetzung und zwei benötigen einen weiteren Anlauf. Folglich gelten in 12 Kantonen aktuell noch die Muken 2008.
Auf der Website des VSSM ist im Bereich Technik ein Praxismerkblatt für Schreine- reien über die Muken erhältlich. Wer über diese Vorschriften Bescheid weiss und die Fördermassnahmen sowie die Anlaufstellen kennt, ist im Vorteil. Er kann somit auch innovative Lösungen aus dem eigenen Fachgebiet anbieten.
Wenn optimierte Gebäudehüllen den Energiebedarf immer weiter nach unten bringen sollen, können auch scheinbar banale Fehlentscheide zu Stolpersteinen werden. Zum Beispiel verfügt jede Küche über eine Form von Dunstabzug. Wird die Zuluft-/Abluftplanung vernachlässigt, kann es zu einem thermischen Verlust kommen, der mit zugeführter Heizwärme kompensiert wird. Das gilt natürlich auch bei der Wärmedämmung, den Fenstern und Türen. Gerade in diesen Bereichen lohnt sich von Beginn weg eine gute Planung und Ausführung. Dabei ist auch sehr wichtig, was vom Architekten oder von anderen Spezialisten kommen muss und was dann der Schreiner noch tut. Zusammen gilt es zu verhindern, dass es zu thermischen Verlusten kommt oder sogar Feuchtigkeit in die Gebäudehülle eindringen kann.
Eine Hauseingangstür muss heute wie die ganze Gebäudehülle luftdicht sein und der klimatischen Beanspruchungsgruppe entsprechen. Sie muss nicht eine Waschanlage wie Autos überstehen, sondern Winddruck, Schlagregen und das Wasser, welches sich allenfalls bei Regen auf dem Vorplatz sammelt. Da die übliche Gebrauchsdauer eines solchen Durchgangs einer Gebäudehülle bei 25 bis 30 Jahren liegt, gibt es von der Lignum die Planungsgrundlage Aussentür (Lignatec 30/2014 ISSN 1421-0320). Dieses Papier nach aktuellem Stand der Technik ist leicht im Internet auffindbar und für alle einsehbar. Bezüglich der luftdichten Gebäudehülle geben die SIA-Normen 180 und 232 Auskunft. Der VSSM wird 2022 zum Thema Aussentüren mehrere Fachanlässe veranstalten, an denen Schreiner sich umfassend informieren können.
Immer wieder gibt es Fehlkonstruktionen, weil die Lage und örtliche Gegebenheiten nicht berücksichtigt werden und eine angesagt moderne Architektur umgesetzt werden soll. Beispielsweise Fassadenbündige Aussentüren, die aufsteigendem Gelände zugewandt und starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Sie müssen über eine grosszügig bemessene und richtig positionierte Wasserrinne vor der Schwelle mit einem ebensolchen Ablauf verfügen. Diese sollten zudem nicht so leicht verstopfen können.
Der Sonne zugewandte Flächen heizen stark auf. Ist deren Farbe auch noch dunkel, wird das verstärkt, weshalb solche Türflächen Auflagen aufweisen sollten, die sich bewegen können. Nur dann wird keine Spannung auf das Türblatt übertragen. Ein aufgeklebtes Blech belastet hingegen in starkem Mass seine Trägerplatte sowie die Klebstofffuge.
Wo Wasser hinlaufen kann, wird es das auch tun. Mit etwas Windunterstützung läuft es auch leichte Steigungen hoch. Da hilft nur eine Tropfkante und genügend grosse Rücksprünge bei Übergängen. Das heisst: Was weiter oben liegt, ist immer etwas grösser als das anschliessende Element darunter. Wird ein Vordach bündig mit einem aufgesetzten Türrahmen ausgeführt, saugt die Fuge dazwischen regelrecht Wasser an. Da eine Silikonfuge nur sieben bis zehn Jahre hält und bei Spannungen reissen kann, ist das auch keine wirklich sinnvolle Lösung. Steht das Dach hingegen genügend vor und hat eine Tropfkante oder Ablaufrinne, kann kein Wasser in die Fuge zum Türrahmen oder hinter dessen Verkleidung gelangen. Das hält dann sogar noch viel länger, als es Veteranenfahrzeuge je können werden.
Veröffentlichung: 15. Juli 2021 / Ausgabe 29-30/2021
Denkmalschutz. Schmale Türflügel benötigen weniger Raum beim Aufschwenken und lassen nur so viel durch die Öffnung wie nötig. Müssen historische Gebäude renoviert werden, kommt es nicht selten bei den Eingangstüren verdeckt zu grösseren Veränderungen.
mehrMittellagen. Was bei Zimmertüren eher selten ein Thema ist, daran arbeiten Türenhersteller für Funktionstüren immer wieder: eine Mittellage, die mehrere gewünschte Funktionen der Tür in sich vereint. Die SZ hat zwei Hersteller nach ihren Vorlieben beim Sandwich-Aufbau befragt.
mehrPaidPost. Türschlösser nehmen durch das allgemeine Sicherheitsbewusstsein und wachsende Anforderungen an Barrierefreiheit und Funktionalität eine wichtige Position in Gebäuden ein. Gerade für spezielle Einsatzbereiche spielen auch selbstverriegelnde Panikschlösser eine wichtige Rolle.
mehr