Vorschriften mit mehr Varianten
Insbesondere in vertikalen Fluchtwegen können Bauteile «RF1 mit Holzanteilen» zum Einsatz kommen. Für die anderen Bereiche gibt es zahlreiche genormte Holzbauteile. Bild: Lignum
Insbesondere in vertikalen Fluchtwegen können Bauteile «RF1 mit Holzanteilen» zum Einsatz kommen. Für die anderen Bereiche gibt es zahlreiche genormte Holzbauteile. Bild: Lignum
Brandschutz. Am 1. Januar 2015 sind die neuen Schweizer Brandschutzvorschriften in Kraft getreten. Die SchreinerZeitung hat nachgeforscht, in welchen für den Schreiner relevanten Bereichen sich erste Veränderungen bemerkbar machen.
In der Mai-Ausgabe der «Applica», der Fachzeitschrift des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbandes, wetterte ein Gipsermeister und Fachplaner über die neu eingeführten Brandschutzvorschriften: Er stelle eine gewisse Überregulierung fest. Die neuen Brandschutzvorschriften machten die Arbeit für den Gipser im Trockenbau komplexer, ohne die Sicherheit zu erhöhen. Er stelle eine weit verbreitete Unsicherheit fest, nicht nur bei den Gipsern, sondern bei allen Gewerken, die mit Brandschutz zu tun haben. Und die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) habe bei der Erarbeitung der neuen Vorschriften die Berufsverbände nicht oder zu wenig einbezogen.
Obwohl die Holz- und insbesondere die Schreinerbranche gegenüber den Brandschutzvorschriften gerne eine kritische Haltung einnehmen – bei der aktuellen Brandschutzreform gab es kaum negative Stimmen. Einige Türenbauer äusserten zwar ihre Bedenken, weil es künftig aufgrund der neuen Fluchtweg- und Brandschutzregelungen weniger Brandschutztüren braucht. «Das mag zutreffen», sagte Martin Brübach vom Türenhersteller Brunex in seinem Referat an einer Fachveranstaltung. «Aber durch den Fokus auf den Brandschutz ging teilweise vergessen, dass es noch viele andere interessante und lukrative Bereiche gibt, die im Türbau immer wichtiger werden.»
Die Auswirkungen der neuen Vorschriften auf die Herstellung und Montage von Brandschutztüren sind ansonsten relativ gering. Da, wo es Anpassungen gegeben hat, kann man durchaus von einer Vereinfachung für den Schreiner sprechen. So wurden zum Beispiel in der Brandschutzrichtlinie «16-15 Flucht- und Rettungswege» die Mindestmasse von Fluchtwegtüren unmissverständlich geregelt:
Darüber hinaus ist im Anhang der Brandschutzrichtlinie anhand einer Zeichnung erklärt, wie die lichte Durchgangsbreite einer Fluchtwegtür bemessen wird.
Ebenfalls neu definiert hat die VKF die Regelung für den Einbau von EI 30-Abschlussfronten mit Seiten- und Oberteilen in Wänden mit Feuerwiderstand EI 60 oder EI 90 (VKF FAQ-Nummer 15-009): Während früher die maximal zulässigen Abmessungen in Breite und Höhe festgelegt waren, ist jetzt nur noch die maximale Gesamtfläche der Front massgebend. Liegt diese unter 9 m2, dürfen Abschlusseinrichtungen mit festen Teilen mit den reduzierten Feuerwiderstandsanforderungen der Türen eingebaut werden. Dadurch ist der Schreiner in der Ausgestaltung solcher Abschlussfronten wesentlich flexibler, sofern sich die Bauteilgrösse im Rahmen der Brandschutzzulassung befindet.
Wesentlich verändert wurden die Brandschutzvorschriften insbesondere in Bezug auf das Bauen mit Holz. Es können neu auch Bauteile mit Holzanteilen, deren Feuerwiderstand bis EI 90 reicht, an Stellen eingesetzt werden, wo vorher nur nichtbrennbare Beton- oder Stahlkonstruktionen zugelassen waren. Möglich machte dies die Erkenntnis, dass weniger die Brennbarkeit eines Baustoffes, sondern vielmehr die Konstruktion eines Bauteiles massgebend für den Feuerwiderstand ist.
Natürlich könnte man denken, dass dies hauptsächlich für den konstruktiven Holzbau und weniger für den Innenausbau interessant sein dürfte. Da die Holzbranche aber schon seit Jahrzehnten eng mit der VKF zusammenarbeitet, konnte die Lignum bereits Ende Mai die überarbeitete Brandschutz-Dokumentation «4.1 Bauteile in Holz» herausgeben (siehe Publikation S. 43) . Die Technische Kommission Brandschutz der VKF hat diese überprüft und das Papier als Stand der Technik anerkannt. Das bedeutet, dass alle darin aufgeführten Konstruktionen im Brandschutzbereich eingesetzt werden dürfen. Darin enthalten sind etliche Wand- sowie Deckenkonstruktionen mit verschiedensten Aufbauten und Beplankungen. Diese sind wiederum für den Schreiner durchaus interessant, wenn es um das Erstellen von Trennwänden geht. In der Dokumentation finden sich Holzständerkonstruktionen mit Holzwerkstoffbeplankungen, die einen Feuerwiderstand bis REI 90 bieten.
Bei den Beplankungen der Ständerkonstruktionen hat die Lignum ebenfalls Anpassungen vorgenommen: Verschiedene Werkstoffabkürzungen sind in den Tabellen jetzt ausgeschrieben oder wurden durch andere, treffendere Begriffe ersetzt. So sind jetzt zum Beispiel Span- und Faser- oder OSB-Platten und Furnierwerkstoffe einzeln aufgeführt. Dadurch lässt sich der Aufbau der Beplankung besser an die jeweiligen Anforderungen und Gegebenheiten anpassen.
Ganz verschwunden ist hingegen der Begriff «nicht brennbar» (nbb) im Zusammenhang mit Holzständerkonstruktionen. Dies, weil, wie erwähnt, die Brennbarkeit eines Werkstoffes in den Hintergrund gerückt ist.
Für den Schreiner und Türenbauer gut zu wissen ist, wie es sich mit dem Einbau von geprüften Brandschutztüren in solche genormte Wände oder Stand-der-Technik-Bau- teile verhält, denn das führte in der Vergangenheit immer wieder zu Unsicherheiten und Diskussionen. Die Fachkommission Bautechnik für EN-normierte Baustoff- und Bauteilprüfungen der VKF hält in ihrer Beschlusssammlung ausdrücklich fest: «Wird eine Brandschutztür in einer genormten Leichtbauwand gemäss EN 1363-1 geprüft, kann sie in gleicher Weise in eine Wand mit Holz- oder Stahlständer und einer brenn-baren oder nichtbrennbaren Plattenverkleidung eingebaut werden.» Aus diesem Grund werden Brandschutztüren in der Regel nicht in einer Beton-, sondern in einer Leichtbauwand geprüft.
Nicht zulässig ist allerdings die Kombina- tion eines geprüften Türelementes mit VKF-Nummer zusammen mit einer geprüften Wand mit VKF-Nummer. In diesem Fall müssten beide Bauteile zusammen im Ofen geprüft und mit einer eigenen Nummer versehen werden. Dank der grossen Auswahl an genormten Holzständerkonstruktionen in der Lignum-Dokumentation dürfte das allerdings kaum nötig sein.
Die Holzbranche hat also ihre Hausaufgaben gemacht. Auch wenn es aufgrund der neuen Brandschutznorm tendenziell weniger Brandschutztüren braucht. Insgesamt profitieren die Holz verarbeitenden Betriebe von flexibleren und einfacheren Bestimmungen.
www.vkf.chwww.lignum.chwww.praever.chwww.applica.ch
Ab 20. August führt der VSSM an 16 verschiedenen Standorten Fachanlässe zu den neuen Brandschutzvorschriften durch.
Ausgewiesene Fachspezialisten und Vertreter der kantonalen Brandschutzbehörden referieren «schreinerspezifisch» zu den wesentlichen Änderun- gen in den Brandschutzvorschriften. Im Anschluss erhalten die Teilnehmer die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder mit den Referenten zu diskutieren.
www.vssm.ch/termine/vssm-fachanlaesse-2015Veröffentlichung: 25. Juni 2015 / Ausgabe 26-27/2015
VST-Seminar. Das Fachseminar des Verbands Schweizerische Türenbranche (VST) stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Kreislaufwirtschaft und der künstlichen Intelligenz. Nebst spannenden Referaten gab es viel Raum zum Netzwerken.
mehrDenkmalschutz. Schmale Türflügel benötigen weniger Raum beim Aufschwenken und lassen nur so viel durch die Öffnung wie nötig. Müssen historische Gebäude renoviert werden, kommt es nicht selten bei den Eingangstüren verdeckt zu grösseren Veränderungen.
mehrPaidPost. Türschlösser nehmen durch das allgemeine Sicherheitsbewusstsein und wachsende Anforderungen an Barrierefreiheit und Funktionalität eine wichtige Position in Gebäuden ein. Gerade für spezielle Einsatzbereiche spielen auch selbstverriegelnde Panikschlösser eine wichtige Rolle.
mehr