Übergabe an die nächste Generation


Wer für seinen Betrieb einen Nachfolger sucht, muss an vieles denken. Deshalb sollte das Problem früh in Angriff genommen werden. Bild: Monika Hurni
Wer für seinen Betrieb einen Nachfolger sucht, muss an vieles denken. Deshalb sollte das Problem früh in Angriff genommen werden. Bild: Monika Hurni
Nachfolgeregelung. Die Übergabe des Betriebes stellt den Firmeninhaber vor eine Vielzahl von Problemen. Die Lösungen sind so verschieden wie die Unternehmen selber. Es ist deshalb unabdingbar, frühzeitig mit der Planung zu beginnen und bei Bedarf externe Hilfe zu holen.
Für gestandene Betriebsinhaber gibt es kaum eine Situation, mit der sie im Laufe ihres Berufslebens nicht schon einmal konfrontiert worden sind. Es gibt kaum ein Problem, das sie nicht schon einmal gelöst haben. Doch die wohl grösste Herausforderung steht an, wenn es darum geht, die Unternehmensnachfolge zu regeln. Eine Herausforderung, die auch den routiniertesten Geschäftsmann an seine Grenzen bringen kann. Denn bei einer Betriebsübergabe gilt es, eine Vielzahl an Faktoren zu beachten, die wiederum in einem komplexen Zusammenhang zueinander stehen.
Erschwerend kommen zwei weitere Aspekte hinzu: Zum einen verläuft die gesamte Abwicklung der Firmenübergabe parallel zum Tagesgeschäft. Zum anderen – und dies ist vielleicht der am stärksten unterschätzte Faktor – ist die Firmenübergabe auch mit einem mitunter schwierigen Ablösungsprozess verbunden. Der Inhaber übergibt nicht nur einen Betrieb, sondern löst sich von seinem Lebenswerk.
Gemäss einer Studie des Wirtschaftsinformationsdienstes Bisnode D & B vom April 2018 haben 13,4 Prozent der Schweizer Unternehmen ein potenzielles Nachfolgeproblem. In diese Kategorie fallen Betriebe, deren Inhaber, Gesellschafter oder Verwaltungsräte das 60. Lebensjahr überschritten haben. Die Sparten Handwerk sowie Holz- und Möbelindustrie liegen mit 13,7 beziehungsweise 13 Prozent recht nahe an diesem Durchschnitt. In absoluten Zahlen ausgedrückt, sind in der Kategorie «Bauschreinerei, Fenster und Türen» in der Schweiz rund 120 Betriebe von der Problematik betroffen, in der Kategorie «Schreinerarbeiten im Innenausbau» 512.
Schwierigkeiten bei der Suche eines Nachfolgers sind insbesondere bei Kleinunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitenden zu erkennen. Dieser Aspekt der Nachfolgeproblematik verringert sich mit der Mitarbeiterzahl des Unternehmens.
Vorbei sind die Zeiten, in denen schon bei der Geburt des ersten Sohnes in der Unternehmerfamilie klar war, wer dereinst die Betriebsnachfolge antreten wird. Eine Entwicklung, die sicherlich gut und richtig ist. Denn oftmals wurden die Kinder – oder eben die Söhne – in ein Schema gepresst, das ihnen in keiner Art und Weise entsprach. Im Bezug auf die Firmennachfolge aber auch eine Entwicklung, die das Problem zusätzlich verschärft.
Gefragt sind unkonventionelle Lösungen. Für eine solche hat man sich bei der Weishaupt AG Innenausbau entschieden. Im Zuge des 100-Jahr-Jubiläums des Traditionsbetriebs in Appenzell hat Firmeninhaber Bruno Weishaupt den Betrieb kürzlich offiziell an seine Tochter Bettina übergeben. Eine unkonventionelle Lösung deshalb, weil der Betrieb nicht vom Sohn, sondern von der Tochter übernommen wird. Aber auch deshalb, weil die diplomierte Betriebswirtin nicht vom Fach ist und als Mutter einer dreijährigen Tochter nur in einem 60-Prozent-Pensum arbeitet.
Er habe mit 60 Jahren begonnen, sich Gedanken zu machen zur Betriebsnachfolge, sagt Bruno Weishaupt. «Eigentlich hätte ich schon viel früher anfangen sollen, aber ich hatte einfach keine Zeit», erklärt er und spricht damit gleich eines der zentralen Probleme an. Um sich selber in Zugzwang zu setzen, habe er allen erzählt, dass er die Firma mit 65 Jahren übergeben werde. Genau das hat er getan.
Zum 100-Jahr-Jubiläum hat das Unternehmen 100 Bäume gepflanzt, und dabei hat Bruno Weishaupt den Spaten symbolisch an seine 33-jährige Tochter Bettina weitergegeben. Sie ist im August vergangenen Jahres in den Betrieb eingestiegen und hat im Februar die Geschäftsleitung übernommen. Unterstützt wird sie insbesondere im technischen Bereich vom ebenfalls 33-jährigen Betriebsleiter Sandro Beutler.
Doch der Weg zu einer unkonventionellen Lösung kann steinig sein. Diese Erfahrung hat auch Bettina Weishaupt gemacht. Als dieser Vorschlag zum ersten Mal im Verwaltungsrat angesprochen wurde, seien die Reaktionen ernüchternd gewesen, erzählt sie. «Man hat mir auf den Kopf zugesagt, dass ich dieser Aufgabe als Branchenfremde nicht gewachsen sei.»
Die ganze Sache sei erst ins Rollen gekommen, als ihr Vater einen externen Berater hinzugezogen habe. Aufgeteilt in eine Familien- und eine Firmengruppe, habe man alle Meinungen angehört und sich am Ende dafür entschieden, eine neue Geschäftsleitung zu gründen und diesen Weg zu gehen. «Auch bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich mich zu diesem Entschluss durchringen konnte», gibt Bruno Weishaupt zu. «Ich hatte bereits einen Interessenten für die nächsten 10 bis 15 Jahre gefunden, doch ich wollte eine längerfristige Lösung.» Zu diesem Zeitpunkt habe er erstmals ernsthaft über die familieninterne Nachfolge nachgedacht, und es sei ihm klar geworden, dass seine Tochter durchaus in der Lage sei, den Betrieb zu übernehmen. «Bettina hat längere Zeit im Personalwesen gearbeitet, sie ist bereit, sich voll in ihre Aufgaben reinzuknien, und sie verfügt über eine hohe Sozialkompetenz.»
Sie selber habe die Möglichkeit schon länger ein wenig im Hinterkopf gehabt, sagt Bettina Weishaupt. So verfasste sie nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre eine Bachelorarbeit mit dem Titel «Unternehmensanalyse und Nachfolgeplanung».
«Ich habe mich mit unserem Betrieb immer verbunden gefühlt und mir gewünscht, dass er in unserer Familie bleibt», sagt die junge Geschäftsführerin. Sie wollte aber nicht einfach als Verwaltungsratspräsidentin eingesetzt werden, sondern operativ tätig sein. Dies obwohl sie sich bewusst war, dass die Übernahme des Betriebs nicht einfach sein würde. Sie könne nicht die gleichen Funktionen übernehmen wie ihr Vater, dafür aber neue Inputs geben und – insbesondere bezüglich Marketing – aufarbeiten, was brachgelegen sei. «Ich erhalte viele positive Reaktionen, spüre aber auch, dass mir die Leute sehr genau auf die Finger schauen. Einige Skeptiker warten geradezu darauf, dass ich einen Fehler mache.»
Keine leichte Ausgangslage. Immer wieder sieht sich die junge Mutter auch mit dem Thema konfrontiert, dass sie aufgrund ihres Teilzeitpensums oft abwesend ist. Dazu hat Bettina Weishaupt eine klare Meinung: «In der Schreinerbranche ist das Teilzeitmodell noch wenig verbreitet. Ich bin aber davon überzeugt, dass dies mit einer guten Organisation durchaus umsetzbar ist, ohne den Arbeitsfluss zu hemmen.»
Natürlich sei es manchmal schwierig, sich nicht in den Hintergrund drängen zu lassen; dass sie nicht immer vor Ort sei, habe aber auch Vorteile. «Ich kann mich gut abgrenzen und behalte so auch eine gewisse Aussensicht.» Und sie stellt klar: «Ich bin nicht wie mein Vater, der in der Firma allgegenwärtig war.»
Damit spricht sie zwei weitere Aspekte einer Firmenübergabe an: die Veränderungen im Betrieb, die nie bei allen Mitarbeitern gleich gut ankommen, und den beginnenden Ablöseprozess des Patrons, der sich oftmals als recht schwierig erweist. Dazu sagt Bruno Weishaupt mit einem Lächeln: «Ich arbeite jetzt nur noch 100 Prozent, und neulich bin ich zum ersten Mal ins Engadin gefahren, ohne Arbeit mitzunehmen.» Doch eines stellt er gleich klar: «Ich rede meiner Tochter nicht in ihre Entscheidungen rein.» Die erste Hürde im Nachfolgeprozess ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im Idealfall geschieht dies bereits mit circa 55 Jahren, in einem Alter also, in dem die Pension noch in weiter Ferne scheint.
Rund fünf Jahre vor der effektiven Übergabe sollten die verschiedenen Handlungsoptionen geprüft und allfällige Massnahmen ergriffen werden, die eine längere Vorlaufzeit benötigen. Hier kann es sinnvoll sein, eine Drittperson beizuziehen, um eine möglichst breite Auslegeordnung zu erhalten. In der Folge gilt es, die finanziellen Fragen zu klären: Oftmals ein Knackpunkt in der Nachfolgeplanung, denn insbesondere bei KMU kommt es über die Jahre hinweg nicht selten zu einer Vermischung von Geschäfts- und Privatvermögen.
Wer sein Unternehmen verkaufen will, sollte nicht nur dessen Wert kennen, sondern auch klare Aussagen zu Visionen, strategischen Erfolgspositionen sowie zur Stellung des Unternehmens am Markt machen können. Denn diese Faktoren können sich auf die Preisfestlegung auswirken.
Doch im Endeffekt wird der Verkaufspreis auch bei einer Firmenübergabe massgeblich vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage beeinflusst.
Eine Betriebsübergabe ist eine grosse Herausforderung, sowohl für den Unternehmer als auch für dessen Nachfolger. So verschieden die Unternehmen sind, so verschieden sind auch die Nachfolgeprozesse. Es gibt weder die einzige richtige Vorgehensweise noch die Garantie für eine erfolgreiche Nachfolge.
«Wenn man eine Entscheidung gefällt hat, dann sollte man voll und ganz dahinterstehen, den Nachfolger unterstützen und ihm das nötige Vertrauen schenken», bringt es Bruno Weishaupt auf den Punkt.
www.bisnode.chwww.weishaupt.ch
In einer losen Serie beleuchtet die SchreinerZeitung die Problematik rund um die Betriebsnachfolge. Geplant sind Beiträge zu Themen wie:
Die Regelung der Nachfolge ist wohl eine der komplexesten Aufgaben in der beruflichen Karriere eines Unternehmers. Hilfe bei der Planung bieten unter anderem der VSSM und die Höhere Fachschule Bürgenstock (HFB).
Veröffentlichung: 30. August 2018 / Ausgabe 35/2018
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