In kleinen Schritten zur runden Sache


Architektin Christine Wüthrich stellt dem Publikum die Umnutzung des Galenica-Gebäudes bei Bern vor. Bild: Nicolas Bianchi (BFH Biel)
Architektin Christine Wüthrich stellt dem Publikum die Umnutzung des Galenica-Gebäudes bei Bern vor. Bild: Nicolas Bianchi (BFH Biel)
Kreislaufwirtschaft. Wie gelingt es der Bauwirtschaft, den CO2-Ausstoss zu senken und damit ihren ökologischen Fussabdruck zu verkleinern? Weiterverwenden von Bauteilen und Rezyklieren von Baustoffen liefern Antworten, lautete der Tenor an der Tagung für zirkuläres Bauen in Biel.
Beim Holz hat es noch Luft nach oben: Während beispielsweise in der Schweiz zwischen 70 und 80 Prozent des Papiers gesammelt werden und wieder in den stofflichen Kreislauf zurückgelangen, sind es beim Holz erst 20 Prozent. Der Rest des anfallenden Altholzes landet im Ofen. Wie der Anteil von wiederverwendetem Holz und von Baustoffen generell erhöht werden kann, stand im Zentrum der zweiten Fachtagung «Zirkuläre Bauwirtschaft» vergangenen Donnerstag an der Berner Fachhochschule in Biel. Die Tagungsleiter Urs-Thomas Gerber und Stephan Wüthrich begrüssten mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, rund doppelt so viele als an der ersten Tagung vor einem Jahr. Nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaften scheinen die Baubranche also zu interessieren.
Die Bemühungen, Baustoffe länger zu nutzen und sie nach Möglichkeit entweder wiederzuverwenden oder zumindest zu rezyklieren, dienen letztlich dazu, den CO2-Ausstoss der Baubranche zu senken, der für rund einen Drittel der Treibhausgas-Emissionen in der Schweiz verantwortlich ist, das hielt Paul Steffen, stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Umwelt, zu Beginn der Tagung fest.
«Holz soll unsere Bau- und Wohnkultur künftig prägen», sagte Steffen. Und auch wenn der politische Wind etwas gedreht hat und Vorhaben des Bundes wie der «Aktionsplan Holz» möglicherweise von Sparmassnahmen betroffen sind, betonte Steffen: «Irgendwann müssen wir die Klimaziele erreichen.» Anhand von aktuellen Beispielen zeigten vor allem die Rednerinnen und Redner von grossen Bauträgern auf, wie der ökologische Fussabdruck substanziell verkleinert werden kann. Von Schreinerarbeiten und Innenausbau war an der Tagung zwar kaum etwas zu hören. Doch es war mehrmals zu vernehmen, wie wichtig es sei, alle an Bauprojekten Beteiligten möglichst früh ins Boot zu holen. «In der Projekt- und Planungsphase hat man den stärksten Hebel für Nachhaltigkeit», sagte Cristina Schaffner, Direktorin des Dachverbandes Bauen Schweiz. Auch das Stichwort «Zusammenarbeit» fiel häufig.
Es gibt bekanntlich nichts Gutes, ausser man tut es. Davon berichtete Drazenka Dragila Salis. Die Architektin ist bei Swiss Prime Site (SPS) für Projektentwicklungen zuständig. Sie stellte Bauprojekte in Basel und in Genf vor. An beiden Standorten fasste man zunächst Ersatzneubauten ins Auge, entschied sich aber letztlich für eine Erneuerung des Bestandes. «Nachhaltigkeit verlangt unkonventionelle Lösungen. Manche runzelten die Stirn, als wir davon sprachen, die Installationen auf Putz auszuführen», sagte Dragila Salis. In Genf nutzt SPS ein ehemaliges Bürogebäude der Swisscom in Wohnraum um. «Wir hörten, dass andernorts 150 Forster-Küchen ausgebaut werden. Die lagern nun im Keller, um wieder eingebaut zu werden.» Man müsse lernen, mit Zielkonflikten umzugehen. So stünde manchmal an städtischen Lagen der Lärmschutz einer Umnutzung von Büros in Wohnraum entgegen.
Zwar ein Neubau, aber nicht minder ambitioniert, ist das Projekt «Baarermatte» von Allreal, worüber David Guthörl sprach, Leiter Nachhaltigkeit beim Immobilien- und Generalunternehmen mit Sitz in Zug. Der Wohn- und Bürokomplex soll 2027 bezugsbereit sein. Pro Energiebezugsfläche (EBF) sollen für die neuen Holzbauten – verteilt über die Nutzungsdauer von 60 Jahren – jährlich lediglich 6 kg CO2 an grauer Energie anfallen. Üblicherweise sind es zwei- bis dreimal mehr. Im Neubau finden 180 Betonstützen aus dem Rückbau neue Verwendung in den Treppenhäusern. Für das oberirdische Parkhaus, Mobilitätsturm genannt, kommt Mondholz aus dem Engelbergertal zum Einsatz. «Dafür braucht es drei bis vier Jahre Vorlauf», sagte Guthörl. «Nachhaltigkeit ist nicht einfach. Aber wir sollten es einfach halten und ins Tun kommen», forderte er die Zuhörerschaft auf.
In Gebäuden lassen sich Rohstoffe «schürfen». Davon sprach Architektin Christine Wüthrich in Bezug auf das Galenica-Haus in Bern. Es stammt aus den 1960er-Jahre und hätte einem Neubau weichen sollen. Doch nun wird es möglichst nachhaltig umgebaut. Im Hochhaus entstehen wieder Büros für die Gesundheitsfirma; im Sockel, der einstigen Produktion, entstehen Wohnungen. Die Stahltragkonstruktion bleibt bestehen. «Wir mussten die Träger einer Brandschutzprüfung unterziehen», berichtete Wüthrich. Nun gibt es künftig Sprinkler sowohl in den Büros als auch in den Wohnungen. Vieles aus dem Altbau erhält im Rahmen der Transformation ein neues Leben: So werden Geländer zu Veloständer und Betonsockel zu Blumentrögen im neuen Innenhof. «Zement- und Betonplatten haben wir eingelagert, um sie wiederzuverwenden, sei es für Fusswege oder auch zur Beschwerung», sagte Wüthrich. Sie werden nach Möglichkeit auch selbst in anderen Gebäuden schürfen. «Ab 2028 benötigen wir Profilbleche für die Fassade», sagte sie. Nachhaltig bauen, verlange Flexibilität – und wenn sich etwas gebraucht nicht finden lasse, müsse man auf einen Plan B zurückgreifen können.
Seit Ende Februar ist das neue Faktenblatt «Planen und Bauen in der Kreislaufwirtschaft» auf der Website der SIA verfügbar. Es beinhaltet Grundsätze zum Planen und Bauen in der Kreislaufwirtschaft und zeigt Faktoren der Kreislaufwirtschaft auf, die über den gesamten Lebenszyklus von Bauten berücksichtigt werden sollten.
Veröffentlichung: 06. März 2025 / Ausgabe 10/2025
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