Schweizer Rundzylinder als Unikum

Rund- als auch Profilzylinder sind heute einfacher konfigurierbar. Bild: Michi Läuchli

Schlösser.  Schliesszylinder gibt es primär in zwei Formen. Während Nachbarländer auf das Euro-Profil setzen, wird hierzulande überwiegend das Rundprofil verbaut. Das hat bestimmte Gründe, was sich wiederum auf das Sortiment von Türbeschlägen auswirkt.

Schliessvorrichtungen, in denen ein Schlüssel einen Riegel bewegt, gibt es schon seit Jahrtausenden. Ihre Verwundbarkeit ist aber seither das Schlüsselloch, wo sich auch unbefugte mit geeigneten Hilfsmitteln zu schaffen machen. Im Zuge dessen erfand der amerikanische Konstrukteur Linus Yale im 19. Jahrhundert das Kombinationsschloss für Banksafes, die das hinter massivem Stahl verborgene Schlüsselloch erst nach der Eingabe der Kombination freigeben. Viel bedeutender ist allerdings seine Erfindung des Rundzylinderschlosses mit vier Stiftzuhaltungen und dem typischen flachen Schlüssel, das er 1861 patentieren liess. Zur damaligen Zeit galt es als eines der sichersten Schlösser, dessen Basis auch gegenwärtig noch Verwendung findet.

Erstmals nachrüstbare Schlösser

Rund 60 Jahre nach Yales Erfindung war die Geburtsstunde des heutigen Schliesszylinders. Zu verdanken ist er dem Erfinder und Ingenieur Sylvester Wöhrle. Er arbeitete für die Firma Hahn AG in Ihringshausen (D) und wollte den Yale-Stiftzylinder aufgrund des zu hohen Materialeinsatzes durch die runde Bauform optimieren. Daraus entstand der Schliesszylinder mit dem «Hahnprofil» – besser bekannt als Profilzylinder. Der 1924 zum Patent angemeldete Zylinder ermöglichte es erstmals, vorhandene Einsteckschlösser nachzurüsten. Schliesslich aber war es die Schweizer Erfindung des Wendeschlüssels, die zehn Jahre später für Furore sorgte (siehe Box, Seite 16). Dieser neuartige Schlüssel benötigte aufgrund seiner Form im Zylinder mehr Platz für Bolzen, Gegenbolzen sowie Federn, sodass statt der herkömmlichen 17 mm der Durchmesser auf 22 mm stieg. «Die Wendeschlüssel-Technologie kannte man im Ausland lange nicht und war eine Einmaligkeit der Schweiz bis in die späten Neunzigerjahre. Erst um die Jahrtausendwende ist auch im Ausland langsam das Wendeschlüsselsystem von anderen Herstellern angewendet worden», sagt Martin Koller, Produktmanager bei Assa Abloy (Schweiz) AG in Richterswil ZH.

Nachfrage regional unterschiedlich

«Es ist aber so, dass der Euro-Profilzylinder auch in der Schweiz immer bekannter wird. Vor allem in der Westschweiz, weil sich die Westschweizer eher nach Europa ausrichten. Das Verhältnis zwischen Profil- und Rundzylindern ist in der Westschweiz geschätzt fünfzig-fünfzig, während in der Deutschschweiz und im Tessin immer noch Rundzylinder massgebend sind.»

Ähnliches sagt Jürg Maag, der im Bereich Entwicklung und Engineering bei Dormakaba Schweiz AG in Wetzikon ZH tätig ist: «Euro-Profilzylinder haben sich in der Westschweiz verbreitet, weil dort der Markt lange vernachlässigt wurde, sodass man sich nach Frankreich, aber auch nach dem süddeutschen Raum orientierte. Deshalb sei dann vor etwa 20 Jahren ein erstes Baukastensystem, welches schon im europäischen Raum etabliert war, eingeführt worden, um den dortigen Markt besser bearbeiten zu können. Dass Rundzylinder in der Schweiz so dominieren, ist auf die historische Entwicklung zurückzuführen. Mit ihrer Einführung konnte man den Schweizer Markt gegenüber dem Ausland schützen. Dadurch hat sich der Markteintritt für ausländische Anbieter erschwert.

Konstruktion änderte sich völlig

Zwar blieb das Grundprinzip des Zylinders bestehen, dennoch änderte sich die Konstruktion in den vergangenen Jahren und wurde verbessert. Bei älteren Zylindern wurden die Bolzen und Gegenbolzen mit den Federn jeweils direkt zwischen Stator (Zylindergehäuse) und Rotor befüllt und anschliessend gegen das Herausfallen gesichert. Wird das Zylindergehäuse entfernt, fallen die Bolzen und Gegenbolzen auseinander und werden unbrauchbar. Für diese Herstellungsart wurde für jede spezifische Zylinderform ein Set mit Stator und Rotor benötigt.

Mit der neuen Insert-Technologie, die als Baukastensystem funktioniert, entfällt das Problem des Auseinanderfallens, da die Abfüllung zusätzlich mit einer Hülse gesichert wird. Zudem sind die Inserts vollautomatisch produzierbar. «Dadurch haben wir im Produktionsprozess einen vereinfachten Zusammenbau. Heute haben wir etwa vier unterschiedliche Inserts, die aber grundsätzlich immer gleich aufgebaut sind», sagt Maag. Sowohl Dormakaba als auch Assa Abloy setzen auf die Technologie. Der Insert (Zylindereinsatz) wird hierbei erst zusammengesetzt, dann ins Zylin- dergehäuse eingeschoben und schliesslich mit vier Schrauben gesichert. «Beim modularen System baut man eigentlich um den Insert, der die Schliessintelligenz enthält, die verschiedenen Bauformen», erklärt Maag. Das gibt eine grössere Flexibilität. Ein weiterer Vorteil der Konstruktion ist, dass falls zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Zylinderlänge gewünscht wird oder der Zylinder an einer anderen Position verbaut werden soll, lediglich das Gehäuse gewechselt werden kann und nicht mehr der ganze Zylinder. Die Inserts können aber auch mit Einwegschrauben versehen werden, damit sie sich nicht mehr herausdrehen lassen. Damit schützt man sensible Einrichtungen wie Banken und Versicherungen vor einer möglichen Manipulation wie dem eines Zylinderpositionstausches bei einer offen stehenden Tür mittels passenden Schlüssels.

Kopierschutz durch aktives Element

Selbstverständlich steht die Sicherheit bei Zylindern an oberster Stelle. Getestet werden sie nach der europäischen Norm EN 1303 sowie nach deutschen VdS-Normen. Gehärtete Zuhaltungen sollen vor Manipulationen wie dem Aufbohren schützen. «Mit den drei Bohrreihen, verschiedenen Bohrtiefen, Formen und Arten der Bohrungen im Zylinder haben wir fast unendliche Möglichkeiten von Permutationen. Dass man bei einer Tür unberechtigt reinkommt, ist auch wegen zusätzlicher Sicherheitsfeatures wie Hartmetallelementen im Zylinder sehr klein», sagt Koller.

Eine weitere Problematik birgt die Gefahr des Schlüsselkopierens, was mit heutigen Möglichkeiten wie dem 3D-Druck immer einfacher wird. Deshalb sind Schliesssystemhersteller wie Assa Abloy und Dormakaba stetig an der Weiterentwicklung ihrer Systeme. «Wir brachten ein bewegliches Element auf den Schlüssel, das das Kopieren erschwert und auf Anhieb nicht zeigt, ob es eine Funktion hat», sagt Maag. Die Rede ist vom «Kaba star cross», der eine kreuzförmige Ausnehmung mit einem beweglichen Aktivelement besitzt. Nur mit einem vorhandenen und auch richtigen Element im Schlüssel lässt sich der passende Zylinder auf- und zuschliessen.

Auch das Schliesssystem «Keso 9000Ω2» der Marke Keso von Assa Abloy verfügt über einen aktiven Kopierschutz, das für Rund- wie auch Profilzylinder funktioniert. Die rhombische Schlüsselform erschwert zusätzlich das Erstellen von Schlüsselkopien, da nur autorisierte Schlüssel funktionieren und keine Schlüsselrohlinge auf dem Markt erhältlich sind. «Das Gegenstück im Zylinder muss mittels mehrerer Abfragen genau auf den interaktiven Teil im Schlüssel passen, damit der Zylinder gedreht werden kann. Der aktive Kopierschutz ist ein zusätzlicher wichtiger Schutz gegen illegale Schlüsselkopien, weil zum Beispiel auch mittels 3D-Druck die interaktiven Teile im Schlüssel nicht kopierbar sind», erklärt Martin Koller.

Dass sich eine von beiden Bauzylinderformen in der Schweiz durchsetzen wird, glaubt er nicht. «Der Trend verschiebt sich mehr in die Richtung der mechatronischen und elektronischen Schliesssysteme und weniger in die unterschiedlichen Formen der Bauzylinder.» Mit mechatronischen und elektronischen Systemen wird die Sicherheit weiter erhöht, und sie sind flexibel, weil sich Schlüssel schnell sperren respektive umprogrammieren lassen. Seitens Schliesssystemhersteller gibt es keine Empfehlungen bezüglich der besseren Sicherheit, was die Zylinderform betrifft. Vielmehr sei es eine Frage, wie der Zylinder in der Tür verbaut und geschützt wird.

Unterschiedliche Montage

Zwischen Rundzylindern und Profilzylindern gibt es aufgrund der Bauform aber einen entscheidenden Unterschied. Profilzylinder lassen sich auch nachträglich noch einbauen oder austauschen, ohne dabei die montierten Beschläge entfernen zu müssen, weil der Nocken des Zylindergehäuses bis zur Aussenkante des Schlüsselschaftes reicht. Rundzylinder müssen hingegen zuerst montiert werden. «Einige moderne Beschläge, wie die neuen Schutzbeschläge, Clips-Rosetten und Schilder, erleichtern die Montage von Rundzylindern erheblich. Hier muss lediglich die äussere aufgeklipste Haube entfernt werden, um den Zylinder zu montieren, ohne dass die Beschläge vollständig demontiert werden müssen», sagt Marco Süss, Teamleiter Fachberater Tür- und Fenstertechnik bei der Glutz AG in Solothurn.

Beschlägehersteller passen sich an

Für Hersteller von Türbeschlägen hat die Fertigung aufgrund der zwei Zylinderformen bloss einen bedingten Einfluss. «Allerdings wäre es für die Produktion wie auch Lagerbewirtschaftung effizienter, nur eine Variante fertigen zu müssen. Dies würde nicht nur die Produktionskosten durch höhere Stückzahlen senken, sondern auch standardisierte Fertigungsprozesse ermöglichen», sagt Patrick Salvagno, Produktmanager Beschläge der Mega Gossau AG. Die meisten Artikel seien für Rund- wie auch für Profilzylinder erhältlich. «Da viele unserer Kunden vorwiegend Rundzylinder verwenden, lag der Fokus in der Vergangenheit vorwiegend auf Rundzylindern. Für künftige Projekte möchten wir jeweils den gesamten Marktanforderungen gerecht werden und dabei auch immer den Profilzylinderausschnitt berücksichtigen.»

Die Sicherheitsrosette «34.101» von Mega ist nach DIN EN 1906 in die Einbruchschutzklasse 3 eingestuft und entspricht somit der Klasse ES 2 gemäss DIN 18257. Folglich ist diese gemäss DIN EN 1627 von Widerstandsklasse RC1 bis RC3 tauglich, wodurch sie ein hohes Mass an Sicherheit gewährleistet. Die Messingrosette misst 56 × 10 mm und ist mit Schraubendimensionen M5 von 45 mm bis 90 mm erhältlich.

Langschilder kontra Rosetten

Einen deutlichen Unterschied gibt es zwischen Langschildern und Rosetten. «Bei Rosetten ist es relativ simpel, da man nicht auf die Lochabstände achten muss, da gibt es je eine Variante passend zum jeweiligen Zylinder sowie die Ausführung mit und ohne Zylinderabdeckung. Bei Langschildern wird es dann schon komplexer, weil wir für jeden Lochabstand ein eigenes Schild anbieten müssen», sagt Najdan Vuckovic, Verkaufsleiter Schweiz beim Beschlägehersteller Hoppe AG in Müstair GR. Der Lochabstand (Entfernung) zwischen Nuss und der Zylindermitte hängt vom jeweiligen Einsteckschloss ab. Die Masse von 78 mm und 94 mm sind eine weitere Schweizer Eigenheit, mit denen sich hiesige Schlosshersteller vom ausländischen Markt abheben.

Für Vuckovic ist klar: «Schaue ich mir die letzten 20 Jahre an, geht der Trend bei den Zimmertüren eher in Richtung Rosetten, im Schutzbereich sind wir aber immer noch zu einem grossen Teil bei Schildern. Es bietet einfach mehr Schutz für das Schloss und vermittelt psychologisch einen anderen Eindruck als eine Schutzrosette.» Ein Beschlägehersteller muss viele verschiedene Ausführungen anbieten, um auch dem Schweizer Markt gerecht zu werden. Hoppe sei dabei eine der wenigen, der Produkte aus Edelstahl, Aluminium, Messing und Kunststoff selbst produziere, ohne etwas zuzukaufen. Mit dem «E3332ZA/3310» bietet Hoppe Edelstahl-Langschilder mit Zylinderabdeckung an, die nach DIN 18257 in Klasse ES3 (SK4) geprüft und zertifiziert sind und eine hohe Korrosionsbeständigkeit (EN1670, Klasse 4) aufweisen. Die verdeckt und durchgehend verschraubten Schutzschilder gibt es sowohl für Rund- als auch Profilzylinder, zudem sind sie mit verschiedenen Lochabständen erhältlich.

Die neuen Schutzbeschläge der Glutz AG gibt es je nach Ausführung in den Entfernungen von 72, 74, 78, 92, 94 mm. Sie sind nach DIN 18257 in den Einbruchschutzklassen ES0 bis ES3 geprüft, welche für Türen nach EN 1627-1630 von RC1 bis RC4 einsetzbar sind. Mögliche Ausführungen sind mit Rund- und Profilzylinder, einer Zylinderabdeckung oder einem Blindschild, womit sie ein breites Spektrum abdecken. Die neuen Schilder aus Edelstahl lassen sich laut Hersteller dank der Minimierung von losen Teilen und der «easyfix»-Technologie leichter montieren. Direkt in die Grundplatte integrierte Gewindenocken verhindern zudem das Losdrehen bei der Demontage. Die als zylindrisch, eckig wie auch PVD-beschichtet erhältlichen Beschläge können mit sämtlichen Knöpfen und Drückern des Glutz-Sortiments kombiniert werden.

www.dormakaba.comwww.assaabloy.comglutz.comwww.mega.swisswww.hoppe.com

Erfindung Wendeschlüssel

Kerben statt Zähne

Exakt 90 Jahre ist es her, als der Wendeschlüssel erfunden wurde. Die Genialität ist dem Schweizer Präzisionsmechaniker und Tüftler Fritz Schori zu verdanken. Er kannte zwar das amerikanische «Yale-Schloss», erachtete es jedoch als optimierbar, weil sich der Schlüssel nicht umgekehrt ins Schloss stecken liess. 1934 war dann die Geburtsstunde des ersten Zylinderschlosses mit Wendeschlüssel, das er als «Sicherheitsschloss mit flachem Stechschlüssel» für seinen Arbeitgeber, die Kassenfabrik Bauer AG (später Kaba), zum Patent anmeldete. Das Revolutionäre beim Schlüssel lag in der Verarbeitung: Statt Zähnen verfügte der Schlüssel über acht lochartige Vertiefungen auf beiden Seiten. Damit ergaben sich 130 000 mögliche Schliessvarianten – sogenannte Permutationen – was es zum sichersten Zylinderschloss seiner Zeit machte. Gleichzeitig war es auch die Geburtsstunde des Schweizer Rundzylinders mit 22 mm Durchmesser. ML

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 19. Dezember 2024 / Ausgabe 51-52/2024

Artikel zum Thema

19. Dezember 2024

Kein freier Zugang erlaubt

Einbruchschutz.  Mit den Veränderungen in den Orts- und Quartierstrukturen nimmt oft auch das Sicherheitsbedürfnis der Hausbewohner zu. Nicht immer lohnt es sich, gleich die Eingangstür auszutauschen, um zu einem besseren Einbruchschutz zu kommen. Es gibt andere Lösungen.

mehr
28. November 2024

Mut zur Weiterentwicklung

VST-Seminar.  Das Fachseminar des Verbands Schweizerische Türenbranche (VST) stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Kreislaufwirtschaft und der künstlichen Intelligenz. Nebst spannenden Referaten gab es viel Raum zum Netzwerken.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Türen