Schreinern unter Palmen
Die Schreinerei Studio Europa installiert Küchen bei gut situierten Kunden. Bild: Studio Europa Inc.
Die Schreinerei Studio Europa installiert Küchen bei gut situierten Kunden. Bild: Studio Europa Inc.
Auslandaufenthalt. Wie wäre es mit einer Werkstatt mit Meeranstoss? Eva Clemens und Markus Zaugg sind ausgewandert und haben in Kalifornien eine Schreinerei aufgebaut. Weil sie in den USA kaum ausgebildete Schreiner finden, stellen sie Schweizer Schreiner auf Zeit an.
Es war ein kleines, unscheinbares Stelleninserat, welches im vergangenen April um die Aufmerksamkeit der Leser buhlte. «Gesucht: selbstständiger, aufgestellter Schreiner und Monteur (m/w) für junge Design- und Möbelfirma in San Diego», stand da in kleinen Lettern geschrieben. Den Bewerbern wurde eine Arbeitsbewilligung in den USA für 18 Monate und die Möglichkeit, das Englisch aufzubessern, in Aussicht gestellt.
Hinter diesem Inserat stehen Eva Clemens und Markus Zaugg. Sie beide sind gelernte Schreiner und stammen ursprünglich aus der Schweiz. Unabhängig voneinander reisten sie nach Amerika. Markus Zaugg ergatterte sich eine unbefristete Arbeitserlaubnis für die Vereinigten Staaten, die das Aussenministerium einmal jährlich verlost. Er machte dann in den USA die Ausbildung zum Generalunternehmer. Eva Clemens hingegen reiste als Innenarchitektur-Studentin ein und begann schon bald, ihre eigenen Möbel zu entwerfen und zu verkaufen. Eine gemeinsame Freundin stellte die beiden Schreiner einander vor.
2001 schlossen sie sich als Geschäftspartner zusammen und bauten sich in San Diego, nahe der mexikanischen Grenze, eine neue Existenz auf. Mit ihrer Firma Studio Europa Inc. erarbeiteten sie sich rasch einen gut situierten Kundenstamm. «Der gute Ruf, den die Schweizer in den USA geniessen, kam uns beim Aufbau der Firma natürlich entgegen. Wir Schweizer gelten als zuverlässig, ehrlich, pünktlich und unsere Arbeit zeugt von hoher Qualität», erklärt Eva Clemens bescheiden ihren raschen Erfolg. Es dauerte nicht lange und sie konnten die anstehenden Arbeiten nicht mehr zu zweit bewältigen.
«Anfangs versuchten wir, in San Diego gelernte Schreiner zu finden, doch das erwies sich als nahezu unmöglich», erinnert sich Clemens. «Wir mussten feststellen, dass Amerikaner gerne grosse Worte schwingen. Was im Bewerbungsgespräch fantastisch klingt, entpuppt sich im Schreineralltag als totaler Flop.»
Es gäbe in den USA keine Berufsausbildung, die mit einer Schweizer Lehre vergleichbar sei, erklärt Eva Clemens. Man tappe darum bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen stets im Dunkeln. «Wir machten einige schlechte Erfahrungen, die uns eine ganze Stange Geld kosteten.» Darum entschlossen sich die beiden, künftig ihre Fachkräfte in der Schweiz zu suchen.
So kam es zu den Inseraten in der Schreiner Zeitung. «Wir suchen fast jedes Jahr auf diesem Weg nach einem neuen Mitarbeiter», erklärt Clemens ihr Vorgehen. Dank eines kulturellen Austauschprogrammes zwischen der Schweiz und den USA ist es Eidgenossen möglich, während 12 bis 18 Monaten Arbeitserfahrungen in den Staaten zu sammeln. Voraussetzung dafür sind eine abgeschlossene Berufslehre und mindestens vier Jahre Berufserfahrung, wobei die Lehrzeit mit angerechnet wird. Zudem muss der Job in der USA mit dem gelernten Beruf verwandt sein.
«Es melden sich meistens junge und abenteuerlustige Schreinerinnen und Schreiner, die gerne reisen, surfen und Englisch lernen wollen», beschreibt Clemens die Bewerber. Häufig sei es für sie das erste Mal, dass sie die Schweiz für längere Zeit verlassen und komplett selbstständig sein müssen. Der Auslandaufenthalt sei ein wichtiger Lebensabschnitt für die jungen Berufsleute. Sie geniessen das warme Klima, die lockere Arbeitsatmosphäre mit den Kollegen und Kunden sowie die nahezu selbstständige Arbeit, die Clemens und Zaugg ihnen anvertrauen. Drei ihrer ehemaligen Mitarbeiter hätten sogar ihre zukünftigen Lebenspartner im Sonnenstaat Kalifornien gefunden, freut sich Clemens.
Auf diese Beschreibung passt auch Steven Rutschmann. Der 25-jährige Zürcher begann im Oktober seinen Auslandaufenthalt bei Studio Europa. Er brauchte nach neun Jahren in einer Schreinerei in Rafz ZH einen frischen Wind um die Nase. Er wollte weg vom Rhein und träumte von Strand, Sonne und Meer. So kam es, dass er seine Bewerbung nach San Diego schickte und dann ein paar Monate später mit Sack und Pack ins Flugzeug stieg.
Einige würde der administrative Aufwand für das Arbeitsvisum vielleicht von diesem Schritt abschrecken, aber das sei gar nicht so arg, meinte Rutschmann. Die Firma Cultural Vistas mache für das Studio Europa den ganzen Papierkram. Er habe darum nur ein paar Fragebögen ausfüllen müssen. Er sei überhaupt sehr herzlich in San Diego empfangen worden.
Untergekommen ist er bei einem Bekannten von Markus Zaugg, der in seinem grossen Haus Zimmer an Freunde und Studenten vermietet. «Mein neues Zuhause liegt etwa zehn Minuten zu Fuss vom Strand entfernt und nur einen Steinwurf von der Partymeile. Das endete in meinem Fall die ersten Wochen etwas ungesund», erzählt Rutschmann verschmitzt.
Anfangs harzte es noch mit der Sprache, berichtet Rutschmann: «Mein Englisch aus der Schulzeit war ziemlich eingerostet. Erschwerend kam dazu, dass ich alle Fachbegriffe der Schreinerwelt nicht kannte. So musste ich mich mit Händen und Füssen verständigen.» Er habe aber schon Fortschritte gemacht und es gehe immer besser.
Auch sonst musste er im Berufsalltag lernen, dass es ein paar Unterschiede zur Schweiz gibt: «Es fängt bei ungleichen Masseinheiten an. Dazu kommt eine andere Bauweise und es endet mit der ganz anderen Arbeitsmoral der Amerikaner und Mexikaner.» Rutschmann ist hauptsächlich als Monteur unterwegs und installiert deutsche Einbauküchen. Die Arbeit im kleinen Team sei sehr angenehm und er freue sich auf die Zeit, die noch vor ihm liege. Konkrete Pläne, wie es danach weitergehe, habe er noch nicht. Er verfolge im Moment nur ein Ziel: «Ich möchte in den USA so viel wie möglich lernen, erleben und sehen.»
Eva Clemens windet ihren Mitarbeitern auf Zeit ein Kränzchen: «Wir haben in all den Jahren noch nie ein schlechtes Erlebnis mit den jungen Schweizer Schreinern gehabt. Sie sind alle anständig, aufgestellt, selbstständig, zuverlässig und vor allem vom Fach. Dank des Schweizer Ausbildungssystems, wissen wir, was wir von ihnen erwarten können.» Im Januar 2020 werden sie dann wieder einen «Abenteurer» mit fünf Jahren Berufserfahrung suchen.
Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019
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