Schreinern nach dem Bergsturz

An der Ostseite grenzt die Schreinerei Bruno Clalüna direkt an die Sperrzone. Bild: Franco Brunner

Naturgewalt.  Der verheerende Bergsturz 2017 am Piz Cengalo im bündnerischen Bondo hat die Schreinerei von Bruno Clalüna zerstört. Heute, genau zwei Jahre später, arbeitet er mit seiner Belegschaft wieder auf Hochtouren. Und er glaubt an eine Zukunft.

Den 25. August 2017 wird Bruno Clalüna wohl nie vergessen. Nach dem verheerenden Bergsturz am Piz Cengalo bei Bondo im Bergell riss eine gewaltige Schlammlawine die drei Lagerräume von Clalünas Schreinerei, einen Teil der Werkstatt sowie Holz im Wert von mehreren Hunderttausend Franken mit und begrub damit sozusagen die Existenz des Unternehmers unter sich. Damals war für Clalüna klar, dass in Bondo keine Werkstatt mehr aufgebaut wird – zu gefährlich, zu unsicher, zu ungewiss.

Heute, gut zwei Jahre später, sieht die Sache etwas anders aus. Clalüna ist mit seinem Betrieb immer noch in Bondo, lässt in seiner Werkstatt immer noch Tische, Stühle, Schränke, Treppen, Türen sowie die speziellen Sirius-Fenstermodelle herstellen. Mittlerweile blickt Clalüna wieder durchwegs positiv in die Zukunft: «Natürlich spukt das Geschehen hie und da immer noch in den Gedanken herum, doch wir befinden uns wieder auf einem guten Weg.»

Schwierige und unsichere Zeit

Der Weg nach der Katastrophe war steinig. Nach dem Niedergang der Schlammlawine zwei Tage nach dem Bergsturz hatte die Schreinerei einen Totalschaden. Der Maschinenraum im Erdgeschoss war von Schlamm und Geröll umgeben, die Lagerräume waren komplett zerstört. Sogar der grosse Spänesilo stand schief und auf wackeligen Beinen. Auch die Halle mit den fertigen Produkten war weg. «Da mussten wir uns erstmal sammeln und einen Notfallplan ausarbeiten», sagt Clalüna.

Knapp sechs Monate lang war der Betrieb stillgelegt. Man habe zwar in einer anderen Schreinerei weiterarbeiten können, jedoch nur mit wenigen der ehemals 30 Mitarbeiter. Vielen Angestellten musste Clalüna kündigen. «Es war eine schwierige und unsichere Zeit, und ich wusste nicht genau, wie es weitergehen sollte», sagt er. So prüfte der aus Maloja stammende Unternehmer beispielsweise auch, ob allenfalls die Möglichkeit bestehe, die Schreinerei neu in seinem Heimatort wieder aufzubauen, weit weg von den Gefahren des Piz Cengalo.

Doch der Mangel an geeigneten Grundstücken und die trübe Aussicht auf langwierige Einspracheverfahren liessen ihn von diesen Plänen wieder abkommen. So steht die Schreinerei Clalüna heute immer noch, respektive wieder, wo sie vor dem 25. August 2017 gestanden war: Just dort, wo die beiden Flüsse Mera und Bondasca zusammenfliessen, wo vor zwei Jahren der Schlamm so plötzlich über das Ufer schoss.

Vergrösserter Sicherheitsdamm

Mittlerweile schützt der auffällige und stark vergrösserte Damm das rund 5000 Quadratmeter grosse Schreinerei-Areal wie auch das gesamte Dorf. «Wir fühlen uns hier nun wieder sicher», sagt Clalüna. Der Damm sei derart markant erhöht worden, dass beinahe der ganze Berg auf einmal runterkommen müsste, bis noch einmal etwas Ähnliches wie 2017 geschehen könnte. Trotzdem: Der an der gesamten Ostseite des Areals entlanglaufende Zaun mit der Aufschrift «Sperrzone» mahnt immer noch zur Vorsicht und zeigt auf, dass auch zwei Jahre nach dem Unglück noch nicht alle bösen Geister vertrieben sind. Dementsprechend bleibt auch bei Clalüna selbst noch ein ganz leises Gefühl der Unsicherheit. Denn auch wenn er sich in Bondo mittlerweile wieder wohlfühlt und keine Angst mehr hat vor weiteren Bergstürzen, so ganz genau weiss er immer noch nicht, wie für ihn und sein Unternehmen die Zukunft aussehen wird.

Ideen für eine neue Werkhalle

«Wir arbeiten hier immer noch in einer Art Provisorium», sagt der Unternehmer. Die meisten Maschinen konnten dank der Versicherungen wieder neu angeschafft werden, und auch die Auftragslage sei so gut, dass er wieder mit 20 Festangestellten und je nachdem bis zu zehn temporär angestellten Mitarbeitenden planen könne.

Nichtsdestotrotz habe man im Provisorium weit mehr Umtriebe als zuvor, was sich natürlich auch auf die Kosten respektive auf den Ertrag auswirke: deshalb die Idee, die jetzt bestehende Werkhalle komplett abzureissen und an einer leicht versetzten Lage neu aufzubauen. Dabei würde sich das Gesamtareal im Vergleich zu heute leicht verkleinern, weil der Sicherheitsdamm mehr Platz braucht, die Arbeitsfläche der Schreinerei bliebe jedoch die gleiche. Natürlich hofft Clalüna, bei seinem Vorhaben auch auf die finanzielle Unterstützung durch die Gebäudeversicherung. Wie hoch diese sein wird, könne er jetzt allerdings noch nicht sagen. Ohnehin würde es noch eine Weile dauern, bis diese Idee in die Tat umgesetzt werden könne. Denn das Dorf Bondo kann erst ab Frühling 2020 nach den notwendigen, neuen Einzonungsarbeiten des Kantons Baugesuche einreichen. Dies wiederum bedeutet für Clalüna, dass er bestenfalls in zwei Jahren mit dem Wiederaufbau oder einem kompletten Neubau beginnen kann.

Aufgeben war keine Option

Tristesse herrscht bei Clalüna keine, trotz der noch auszustehenden Warteschlaufe. Dafür bleibt wohl schlicht keine Zeit, denn auch an diesem Mittwochmorgen im Hochsommer herrscht emsiges Treiben auf dem Schreinerei-Areal. Sowohl drinnen in der Werkstatt, wo eifrig gesägt, gefräst und geschliffen wird, als auch draussen, wo gerade ein Gabelstapler eine Fuhre Holz aus dem provisorisch aufgestellten Lagerunterstand holt und gleichzeitig ein grosser Lastwagen bereitsteht, um Material abzuladen.

An den Punkt, alles hinzuwerfen und aufzugeben, ist Clalüna in den vergangenen zwei Jahren nie gekommen, trotz aller Widrigkeiten. «Ich war immer sicher, dass es irgendwie weitergehen würde», sagt er. Und nun soll es eben möglichst positiv weitergehen. «Wenn ich in die Zukunft blicke, wünsche ich mir, wieder eine schöne, allenfalls gar noch bessere Schreinerei als vorher zu haben, und dass die Sicherheit für alle Einwohner von Bondo langfristig gegeben ist», sagt Bruno Clalüna.

www.brunoclaluena.ch

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Veröffentlichung: 29. August 2019 / Ausgabe 35/2019

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