Reduziert und ausgelagert

Straffe Basissortimente für Kleinaufträge brauchen nur ein Minimum an Platz. Bild: SZ, Andreas Brinkmann

Materiallager.  Viele Schreinereien haben das Lager gestrafft und bestellen ihr Material heute kurzfristig und in kleineren Mengen. Der Trend wird seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses beschleunigt. Das stellt Anforderungen an die Planung des Schreiners und an die Lieferanten.

So klein wie möglich. Wenn es um die Grösse des Materiallagers geht, lautet so das Motto der Schreinerei Voellmy + Co. in Basel. Der Betrieb reduzierte 2002 mit 35 Mitarbeitern das Lager radikal auf zehn Quadratmeter für die Beschläge und 200 Quadratmeter für Platten – bei einer Werkstattgrösse von ungefähr 1500 Quadratmeter auf vier Stockwerken. «Artikel, die innerhalb kurzer Zeit geliefert werden können, werden bei uns nicht mehr gelagert», sagt Daniel Schmitt, Schreinermeister und Kundenberater bei Voellmy.

Der Entscheid zugunsten eines möglichst kleinen Materiallagers fiel bei der Basler Schreinerei hauptsächlich aus Kostengründen. Ein Mitarbeiter kümmerte sich bis zur Reduktion des Lagers praktisch ausschliesslich um die Ein- und Ausgangskontrolle der Waren. «Die Lagerbewirtschaftung war ein grosser Kostenpunkt, der sich für uns immer weniger rechnete», sagt Schmitt. Dank des automatisierten Bestellwesens über die Branchensoftware brauche es die Lagerbewirtschaftung nicht mehr. Die Schreinerei spart dadurch Lohnfixkosten. Als Nächstes soll das rund 300 Quadratmeter grosse Massivholzlager verkleinert werden.

Vergessene Teile kosten Zeit

Auf ein kleines Materiallager mit nur etwa 30 Quadratmeter setzt auch die Schreinerei Bissig AG in Schattdorf UR. Das Unternehmen mit 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sich auf den Möbel- und Küchenbau spezialisiert. «Wir halten zum Beispiel gewisse Beschläge und Schubladenelemente an Lager, die wir täglich benötigen. Alles andere ist über unsere Lieferanten in ein bis zwei Tagen verfügbar», sagt Patrick Tresch, Arbeitsvorbereiter und Einkäufer. Ein kleines Materiallager setze allerdings eine gute Projektplanung voraus. Drei Wochen vor dem Einbau einer Küche wird die Bestellliste für alle Artikel mit längeren Lieferfristen erstellt. «In dieser Phase ist es entscheidend, dass wir nichts vergessen. Müssen wir während der Montage Teile nachbestellen, sind Verzögerungen kaum zu vermeiden», sagt Tresch.

Von günstigen Preisen profitieren

Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses, die von der Nationalbank Mitte Januar beschlossen wurde, beeinflusst die Bewirtschaftung von Materiallagern. Für Urs Scherer, Unternehmensberater der Tre Innova AG in Hünenberg ZG und Dozent an der Höheren Fachschule Bürgenstock (HFB), bringt die Währungsentwicklung der vergangenen Monate zwei wichtige Veränderungen mit sich:

  • Der Einkauf von Materialien, welche aus dem Ausland stammen, wird für Schweizer Schreiner günstiger. «Vor allem Küchengeräte aus dem EU-Raum können derzeit zu besonders günstigen Preisen bezogen werden», sagt Scherer. Er rechnet mit durchschnittlichen Einsparungen von neun bis zehn Prozent. Einen Wertverlust auf die vorhandenen Lagerbestände haben laut Scherer die wenigsten Schreinereien erlitten. Die Preisvorteile würden meistens zeitverzögert an die Kunden weitergegeben; in der Zeit bis dahin hätten wohl viele das Materiallager einmal umschlagen können.
  • Die Schreiner kaufen preiskritischer ein und verlangen von den Lieferanten, dass sie die Währungsgewinne weitergeben.

Die Lieferanten direkt angesprochen

Die meisten Lieferanten der Schreinerei Bissig reduzierten ihre Preise nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses umgehend. Bei den andern brauchte es laut Tresch eine persönliche Intervention. «Wir gingen auf jene Lieferanten zu, die ihre Preise nicht angepasst hatten.» Bei Lieferanten, die wiederum mit ihren Lieferanten in Euro abrechnen, dauerte die Anpassung etwas länger – weil sie nicht von Währungsgewinnen durch die Frankenstärke profitieren konnten. Mittlerweile hätten sich die Preise aber bei allen eingependelt, sagt Tresch.

Auch die Schreinerei Voellmy machte gute Erfahrungen mit den Lieferanten. Offenbar haben alle innerhalb einer gewissen Frist reagiert und die Preise angepasst. «Wir haben bewusst etwas abgewartet, denn ein Einschreiten von unserer Seite hätte wertvolle Zeit in Anspruch genommen», sagt Schreinermeister Schmitt. Beide Schreinereien geben die Preissenkungen eins zu eins an ihre Kunden weiter.

Breites Sortiment, schnell verfügbar

Urs Scherer stellt seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses fest, dass Schreinereien häufiger kurzfristig bestellen, also nur dann, wenn sie etwas wirklich brauchen. Ohnehin haben viele Schreinereien im Bestellwesen an Professionalität gewonnen – auch schon vor der Frankenaufwertung. Das kann zum Beispiel Marcel Zosso, Geschäftsführer der Holzwerkstoff-Handelsfirma Herzog-Elmiger AG in Kriens LU, bestätigen. Das Einkaufsverhalten der Schreinerbetriebe habe sich stark von der Lagerhaltung hin zu einer kommissionsweisen Bestellung «just in time» entwickelt. «Es werden nur noch einzelne Standardprodukte als Lagerware geführt. Dadurch sind die Losgrössen wesentlich kleiner als noch vor einigen Jahren.» Die Schreinereien erwarten laut Zosso neben der schnellen Verfügbarkeit der Ware ein immer breiteres Sortiment. Die Herzog-Elmiger AG baue ihre Produktpalette ständig aus und liefere innerhalb von höchstens 24 Stunden. Das erfordere grosse und kostspielige Lager, die sich teilweise nicht sehr schnell drehen. «Durch den Entscheid der Nationalbank, den Mindestkurs aufzuheben, wurde unser Lager abgewertet. Dadurch haben wir ganz klar auch Geld verloren», sagt Zosso, welcher den Währungsvorteil zum aktuellen Kurs an seine Kunden weitergibt.

Die Preisreduktion war schmerzhaft

Auch die Koch-Gruppe in St. Gallen hat sich laut Ruedi Länzlinger, Leiter Logistik und Marketing, sehr früh entschieden. Sie hat sämtliche aus dem Euro-Raum zugekauften Waren, die dem Unternehmen in Euro verrechnet wurden, dem aktuellen Kurswert angepasst. «Auch wenn das finanziell ein schmerzhafter Entscheid war, sahen wir in dieser Massnahme die einzige Möglichkeit, die Kunden optimal zu unterstützen und einer Zunahme von Importen entgegenzuwirken», sagt Länzlinger.

Rechnungen in Euro bezahlen?

Was hält Unternehmensberater Urs Scherer von der Idee, die bestellte Ware beim Lieferanten direkt in Euro statt Franken zu bezahlen? Bei den meisten Schweizer Lieferanten dürfte das gemäss seiner Einschätzung schwierig bis unmöglich sein. Hinzu kommt: «Die Schreinereien sind nicht auf Wechselkurse spezialisiert und würden dadurch ein unkalkulierbares Risiko auf sich nehmen.» Vor allem Schreinereien im grenznahen Raum beziehen laut Scherer schon länger Waren direkt aus Deutschland und Österreich. Sie umgehen damit die Schweizer Lieferanten. «Das ist nur sinnvoll, wenn grössere Stückzahlen eingekauft werden», sagt Scherer. Ansonsten fielen die Transportkosten und der Beschaffungsaufwand zu stark ins Gewicht.

Ausserdem gibt Scherer zu bedenken: «Wer als Schweizer Schreiner im Ausland einkauft, muss dazu stehen können. Das ist stets auch eine Image- oder Gewissens- frage.» Der Einkauf direkt im Ausland ist beispielsweise für Patrick Tresch von der Schattdorfer Schreinerei Bissig kein Thema. «Wir schätzen den unkomplizierten und partnerschaftlichen Kontakt zu den Lieferanten hierzulande. Das ermöglicht uns ein effizientes Arbeiten.»

www.voellmy.chwww.bissig-ag.chwww.treinnova.chwww.hfb.chwww.herzog-elmiger.chwww.koch.ch

fm

Veröffentlichung: 23. April 2015 / Ausgabe 17/2015

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