Mitarbeiter mitdenken lassen

Ein Handmaschinenlager vorher und nachher: Die neue Ordnung spart Zeit und Geld.

Optimierung.  Abgebotsrunden sind frustrierend: Immer wieder braucht ein anderer Schreiner Aufträge und bietet seine Dienste 15 Prozent billiger an. Aber kann er wirklich so viel günstiger produzieren? Ja, er kann – und verdient sogar noch Geld dabei, wenn alle mitdenken.

Bei vielen Unternehmen existiert in den Abläufen und Arbeitsschritten noch viel Optimierungspotenzial, denn viel Kleines zusammen gibt auch ein Grosses. Aber dazu braucht es ein simples Vorgehen und ein etwas anderes Denken als bisher.

Es ist selbstverständlich, dass die Mitarbeiter am besten wissen, was sie an ihren Arbeitsplätzen und in ihren Aufgabengebieten machen müssen und wie. Doch meistens hat man es schon immer so gemacht. Da denkt schon lange niemand mehr über Sinn oder Unsinn nach.

Materialfluss verbessert

Die Schreinerei Nyffenegger Kloten AG, ein Unternehmen mit 9 Mitarbeitenden in der Schreinerei, ist vorwiegend im Innenausbau tätig. Einbaumöbel, Ladenbau, Türen usw. werden kundenspezifisch hergestellt und montiert. Der Produktionsleiter, Stefan Roffler, hat das Layout der Maschinen im Unternehmen schrittweise umgestellt. Die Abläufe und der Materialfluss sind nun deutlich verbessert. Als nächster Schritt standen nun die drei individuellen Arbeitsplätze im Bankraum der Schreinerei an. Um hier rasch eine klare Verbesserung zu erreichen, hat das Unternehmen entschieden, einen Optimierungsworkshop (OWS, auch KVP- oder Lean-Workshop genannt) durchzuführen. Das systematische Vorgehen mit externer Moderation hat die Geschäftsleitung überzeugt.

Einfaches und konsequentes Vorgehen

Im Team für den Workshop war ein Mitarbeiter aus dem Bankbereich und ein Maschinenbediener aus der maschinellen Fertigung ausgewählt worden. Die Ziele waren:

  • Einen ersten Bank-Arbeitsplatz zu optimieren und später die anderen anzugleichen
  • Effizientes Arbeiten mit kurzen Laufwegen
  • Optimierter Arbeitsplatz für 80 Prozent der Tätigkeiten im Bereich
  • Geeignete Einrichtungen für Werkzeuge und Hilfsmittel
  • Transport der Teile vereinfachen

Das einfache und konsequente Vorgehen beinhaltet IST-Analyse, SOLL-Konzept, dieses testen und ausprobieren und gleich weiter verfeinern, umbauen und zum Schluss die Resultate der Geschäftsleitung vorstellen. Das Ganze ist als Workshop konzipiert, das von einem Mitarbeiter oder durch externe moderiert wird.

Dieser Workshop dauert je nach Umfang drei bis fünf Tage.

Für die IST-Analyse soll der Schreiner im Bankraum zwei Bad-Unterbaumöbel verputzen, verleimen, Beschläge und Türen montieren, Schubladen verleimen und alles für die Montage bereitstellen.

Der Arbeitsplatz – wie üblich, die Hobelbank an der Wand mit Werkzeug und Material belegt; gearbeitet wird auf einer dicken beschichteten Spanplatte, welche auf Böcken liegt.

Nach 90 Minuten sind die beiden Möbel fertig. Ganz bewusst hat der Mitarbeiter aus dem Maschinenraum sämtliche Gehwege des Bankschreiners aufgezeichnet und die Tätigkeiten detailliert aufgelistet.

In der gemeinsamen Auswertung der Tätigkeiten ergaben sich folgende Punkte, die unbedingt eliminiert werden sollen:

Die IST-Analyse der 90 Minuten ergab somit folgende Resultate:

  • Haupttätigkeit: 53 Minuten (59 %)
  • Rüsten: 14 Minuten (16 %; Oberfräse einstellen, Lamello holen usw.)
  • Suchen: 11 Minuten (12%; Beschläge, Werkzeuge, Palette usw.)
  • Gehen: 8 Minuten (9 %; 530 Meter zurückgelegt, davon 6-mal ins Beschlägelager)
  • Aufräumen: 4 Minuten (4 %)

Dass die Haupttätigkeiten nur 60 Prozent ausmachen, ist in der IST-Analyse die Realität. Deshalb wurden im Team für das SOLL-Konzept direkt folgende Ziele gesetzt:

  • Das Suchen eliminieren
  • Gehwege reduzieren
  • Rüsten reduzieren
  • Mit ergonomischem Arbeitsplatz auch die Zeit der Haupttätigkeit reduzieren

Weg mit der Hobelbank

Für das SOLL-Konzept hat das Team nun einige Varianten und Möglichkeiten vorgeschlagen und direkt ausprobiert. Rasch wurde klar: Die Hobelbank ist zwar für einige Arbeiten ideal, aber heute für die meisten Tätigkeiten unpraktisch. Wo gern Beschläge, Schrauben oder Handmaschinen angeordnet würden, ist die dicke Buchenplatte im Weg.

Für Abfälle oder grössere Gefässe wäre unter der Hobelbank zwar Platz, aber da sind die Quertraversen. Es fehlt wichtiger Stauraum. Die Arbeitstiefe der Hobelbank ist für die Montage von kleinen Möbeln zu gering; man möchte die Teile schieben und drehen können.

Zudem braucht man oft eine Polsterung, damit die Oberflächen nicht beschädigt werden. Deshalb arbeiten fast alle auf Böcken und Platten. Die Höhenverstellbarkeit ist bei der heute benötigten Flexibilität ein Muss. Dass alles fahrbar sein sollte, ist ein weiterer wichtiger Faktor, der auch gegen die alte Hobelbank spricht.

Schneller Schrauben finden

Jetzt braucht es ein fahrbares Regal mit definierten Plätzen für Werkzeuge, Handmaschinen und die Entsorgung. Diese müssen auf angenehmer Höhe direkt am Arbeitsplatz angebracht sein. Die Akkuschrauber werden so viel gebraucht, die müssen am Arbeitsplatz selber direkt griffbereit liegen bzw. stehen. Die verschiedensten Halterungen und Winkel wurden ausprobiert. Natürlich braucht es da auch eine Lösung für Linkshänder. Oft verwendete Schrauben und Beschläge müssen auch direkt beim Arbeitsplatz liegen, aber nicht mehr in der Originalschachtel des Lieferanten, das Herausklauben dauert einfach zu lange. Zudem sieht man nicht, ob die Schachtel gleich leer ist; der Schreiner musste deshalb zweimal extra ins Beschlägelager. Die Arbeitsplätze sollten alle auf Rollen sein, damit auch grosse Möbel in diesem Bereich aufgestellt und für die Baumontage vorbereitet werden können.

Flüssig und ergonomisch

In den folgenden zwei Wochen bis zum dritten Workshop-Tag wurde der optimale Arbeitsplatz gebaut und bereits mehrfach getestet. Die ersten Resultate mit dem neuen Arbeitsplatz waren durchwegs positiv, aber es gab noch einige Vorschläge für weitere Verbesserungen. Der Beschlägewagen war zum Beispiel etwas gross geraten, somit war er schwer und unhandlich. Diese Anpassung und weitere Vorschläge wurden dann direkt an diesem Tag umgesetzt. Der neue Arbeitsplatz wurde überprüft, der Mitarbeiter sparte sich die Wegzeiten zum Beschlägelager. Auch die Montagearbeiten liefen flüssiger und ergonomischer. Am vierten und letzten Tag wurden die Resultate vom Team der Geschäftsleitung vorgestellt. Die Mitarbeiter sind von ihren Verbesserungen überzeugt. Diese wurden für fast alle Eventualitäten getestet und als sehr nützlich erklärt.

In den nachfolgenden Wochen nach dem Workshop wurden die beiden anderen Arbeitsplätze ebenso umgebaut und angepasst. Klar, haben die Mitarbeiter dabei schon wieder weitere Verbesserungen eingebaut, diese getestet und direkt optimiert. Die weiteren laufenden Anpassungen sind meist in ein paar Minuten gemacht.

Fazit der Geschäftsleitung

Mit diesem einfachen Schritt, einem Workshop von 3,5 Tagen, haben die Mitarbeiter mit Freude ihren eigenen Arbeitsplatz umgebaut und optimiert. Sie haben direkt erfahren, wo sie selber Verschwendung produzieren und wie sie diese einfach eliminieren können. Die rege Diskussion der Mitarbeiter zwischen Maschinenfertigung und Bankraum hat beiden Bereichen die jeweils andere Sicht- und Denkweise nähergebracht und so die Zusammenarbeit verbessert. Der Produktionsleiter Stefan Roffler hat die folgenden Erkenntnisse gesammelt.

  • Die Arbeitsplätze sind flexibler nutzbar und rascher auf die wechselnden Bedürfnisse angepasst.
  • Die Mitarbeiter sind motiviert, sie arbeiten gerne an den von ihnen selber gestalteten Arbeitsplätzen und sie sind deutlich effizienter als vorher.
  • Seit diesem Workshop beginnen die Mitarbeitenden über den eigenen Teller- rand hinauszudenken, es werden konkrete Ideen und Lösungen vorgeschlagen, die uns weiterhelfen.
  • Als Führungsperson muss man die einge- brachten Ideen der Mitarbeitenden auch aufnehmen und sie bei der Umsetzung unterstützen, dann multipliziert sich die Wirkung.

Auch nach 6 Monaten sind die Mitarbeitenden noch von den neuen Arbeitsplätzen begeistert. Es haben sich in der Zwischenzeit weitere kleinere Verbesserungen ergeben, die direkt umgesetzt wurden. Nach deren Aussage arbeitet es sich jetzt ergonomischer, schneller – und es macht Spass. Die Effizienz und damit die Fertigungszeiten sind nachweislich verbessert resp. verkürzt worden. Die Kosteneinsparungen fliessen nun in die Kalkulation ein.

Tools und Methoden

In diesen Kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (KVP) oder Optimierungsworkshops werden viele Tools und Methoden aus dem Lean-Management eingesetzt:

  • Kanban, die einfache Methode, um Bestände von Halbfabrikaten oder Rohmaterial zu senken
  • 5S-Methode, das Ausmisten und verwendungsspezifische Einräumen von Werkzeugen und Hilfsmitteln an den Arbeitsplätzen
  • Spaghetti-Diagramm, um Abläufe auf Verschwendungen zu prüfen
  • Wertstrom-Design, um Prozesse, Schnitt- stellen, Arbeitsschritte und Tätigkeiten zu straffen und zu optimieren
  • SMED – Schnellrüsten, die geniale Methode, um Rüstzeiten an Maschinen und Arbeitsplätzen zu reduzieren (Vierseiter, Durchlaufanlagen, Werkzeugwechsel)

Diese Workshops sind in allen Bereichen möglich: In der Produktion (Zuschnitt, Kantenleimen, Oberfläche, Vormontage, Montage, Verpackung, Aufladen usw.), im Büro (Einkauf, CAD-Arbeitsplatz, Büromaterialverwaltung, Wareneingang usw.) sowie bei den Prozessen (Möbelzusammenbau, Auftragsübergabe an die Produktion, Verkauf und Kalkulation usw.). Gerade an den Nahtstellen, bei der Übergabe von Informationen und Material von einem Bereich in den nächsten liegt viel Optimierungspotenzial.

Workshops brauchen Moderation

Wichtig ist: Es braucht eine Moderation für die ersten Workshops, ob intern oder extern spielt keine Rolle. Die Diskussion mit vielen Unternehmern führt immer zum selben Punkt. Von der Führung angetriebene Verbesserungen werden nicht so gut angenommen und langfristig genutzt wie jene Veränderungen, die durch die Mitarbeiter selber festgestellt, optimiert und umgesetzt wurden. Der Lerneffekt und das Erkennen der Verschwendungen, ohne dass der «Chef» das sieht, ist entscheidend, sonst suchen alle krampfhaft nach Entschuldigungen statt neuen Lösungen. Zudem macht es einfach mehr Spass, die eigenen Lösungen zu kreieren und der Geschäftsleitung vorzustellen. Das zeigt sich deutlich in Fällen, wenn im Optimierungsteam ein Vorarbeiter sitzt. Dann sprudeln die Ideen nur spärlich, denn alle warten darauf, was der «Chef» sagt, und plappern ihm dann entsprechend nach. Die Moderation ist kein Hexenwerk, es braucht die neutrale, kollegiale Sicht von aussen, das Hinterfragen von Bestehendem und immer wieder den Hinweis, über den Tellerrand des Bereichs hinauszuschauen. Die Mitarbeiter denken mit, wenn man sie lässt.

Mit wenig viel bewirken

Es braucht in unseren Unternehmen mit gut ausgebildetem Fachpersonal nicht viele Workshops, um erste gute Resultate und einen neuen Spirit im Unternehmen zu erreichen. Dazu ist die Offenheit und der Wille der Geschäftsleitung nötig, die Verantwortung für diese kleinen Schritte an die Mitarbeiter zu übergeben. Dies ist der entscheidende Schritt, um rasch die Produktivität zu erhöhen und damit die Kosten nachweislich senken zu können.

Es braucht Mitarbeiter, die Spass an der Arbeit haben, flexibel sind und über die eigene Abteilung hinausdenken. Um im Unternehmen eine deutliche Veränderung anzuzeigen, ist das Rauswerfen der Hobelbänke ein geeignetes Zeichen. Die gleichzeitige Reduktion von Kosten im Unternehmen kann ganz einfach sein und darf auch Freude bereiten.

www.nyffenegger-ag.ch

Zum autor

Stephan Zürcher (SZU) ist gelernter Schreiner und hat in Biel Holzingenieur studiert. Nach 20 Jahren in der Schreinerbranche arbeitet er seit 5 Jahren bei Schuler Consulting. Er unterstützt «Hölzige» in strategischen und operativen Fragestellungen und bei der Weiterentwicklung und Optimierung der Prozesse und Abläufe.

www.schuler-consulting.com

SZU

Veröffentlichung: 02. Februar 2017 / Ausgabe 5/2017

Artikel zum Thema

16. Mai 2024

Mit optimalen Mitteln produzieren

Betriebsmittel.  Das grösste Kapital einer jeden Firma sind die Mitarbeitenden und die Betriebsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen. Der eigenverantwortliche und umsichtige Umgang mit diesen Mitteln bedarf auch einer guten Koordination seitens der Leitung.

mehr
16. Mai 2024

Gezogen, nicht gedrückt

Zwischenlager.  Chronischer Platzmangel in der Werkstatt hat seinen Ursprung nicht immer in zu kleinen Räumen. Oftmals wird der vorhandene Platz einfach nicht optimal genutzt. Deshalb kann es sich lohnen, einen genauen Blick auf den Materialfluss zu legen.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Betriebseinrichtungen