Mehr als nur ein Loch in der Tür

Ein Türspion erlaubt es, einen Blick vor die eigene Haustür zu werfen, ohne selbst gesehen zu werden. Bild: Istock/Levent Konuk

Türspione.  Der digitale Fortschritt hat auch vor dem Türspion nicht halt gemacht. Dennoch hat der klassische Spion noch lange nicht ausgedient. Ob digital oder analog: Einige Punkte gilt es zu beachten, wenn der Blick nach draussen auch auf lange Sicht ungetrübt bleiben soll.

Das Gefühl von Sicherheit ist ein fundamentales Bedürfnis des Menschen. Das Streben nach Schutz und Geborgenheit hat die Art und Weise geprägt, wie die einzelnen Personen leben, arbeiten oder wohnen. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende haben sich die Behausungen und Hütten stetig weiterentwickelt bis hin zu den Wohnbauten, die man heute kennt. Ebenfalls ein Teil dieser Entwicklung ist ein unscheinbares Loch in den Eingangstüren. Denn auch der Türspion ist ein Produkt eines Bedürfnisses nach Sicherheit. Er erlaubt es, jemanden vor der Tür zu erkennen, ohne dass man diese öffnen muss.

Blick durchs Schlüsselloch

Die Geschichte des Türspions reicht wohl so weit zurück wie die der Tür selbst. Die Vorläufer der modernen Spione waren einfache Öffnungen im Türblatt, oder man nutzte einfach das Schlüsselloch für einen Blick nach draussen. In manchen Fällen soll der Blick auch genau andersherum möglich sein, nämlich in den Raum hinein. So waren etwa die Kerkertüren im Mittelalter mit Gucklöchern oder eingelassenen Gittern versehen, und auch heute noch kommen Türspione im Strafvollzug zum Einsatz, um die Insassen im Innern des Raumes überwachen zu können.

Es muss nicht immer eine optische Linse sein. Alternativ kann auch eine Gegensprechanlage, eine Türkette oder ein Sperrbügel zum Einsatz kommen, damit die Tür nicht, oder zumindest nicht vollständig, geöffnet werden muss, um die Person dahinter zu identifizieren.

Analog oder digital

Bei den modernen Türspionen sorgen Weitwinkellinsen für ein grösseres Blickfeld. Oftmals finden sich hier Erfassungswinkel von 180 oder 200 Grad. Die Linse ist in der Regel von aussen nicht einsehbar. Allerdings kann Licht nach aussen durchdringen. Dadurch sind Bewegungen im Innern der Wohnung trotzdem erkennbar, wenn man von aussen durch den Spion schaut. Hier können Abdeckkappen Abhilfe schaffen. Diese sind bei einigen Produkten bereits integriert, können aber auch einzeln bestellt werden.

Zunehmend verbreitet sind digitale Türspione. Diese setzen sich grundsätzlich aus zwei Komponenten zusammen: einer Kamera und einem Display. Während einige Produkte über eine integrierte Türklingel verfügen und aktiviert werden, sobald die Klingel betätigt wird, funktionieren andere Systeme mit einem Bewegungsmelder. Sie starten die Video-Aufzeichnung, sobald jemand in den Erfassungsbereich des Sensors tritt, unabhängig davon, ob die Person an der Tür klingelt oder nicht. Manche digitale Türspione können per WLAN-Anbindung in das Smart Home eingebunden oder per App mit dem Smartphone gesteuert werden. Weiter gibt es Systeme mit einem Nachtsichtmodus oder auch einer integrierten Gegensprechfunktion, was die Grenzen zwischen den digitalen Spionen, smarten Türklingeln und modernen Video-Gegensprechanlagen verschwimmen lässt. Eine Produktübersicht digitaler Lösungen und Fakten zum Thema Datenschutz im Zusammenhang mit Video-Aufnahmen von fremden Personen finden sich im Schreinerzeitungsartikel «Der digitale Blick nach draussen».

Preisdifferenzen

«Bei allen Zusatzfunktionen, die eine digitale Lösung bieten kann, hat der klassische Türspion trotzdem noch lange nicht ausgedient», zeigt sich Michael Hofer überzeugt. Er ist Verkaufsberater der Regionen Ostschweiz und Zürich bei der Norma Reiden AG im luzernischen Reiden. «Die Preisdifferenz zwischen den analogen Türspionen und digitalen Lösungen ist immer noch zu gross», sagt Hofer. Deshalb werde besonders bei grösseren Projekten und gebäudeintern, sprich in Eingangsbereichen oder Treppenhäusern, in Mehrfamilienhäusern sowie Wohnblöcken, meist ein klassischer Spion verbaut.

Während ein analoger Türspion in einer einfachen Ausführung bereits für unter 10 Franken erhältlich ist, kosten auch die günstigsten digitalen Produkte immer noch etwa das Vierfache dieses Preises. Für hochwertigere Produkte zahlt man dann auch schnell einmal 100 oder 200 Franken.

Ergonomisch im Alltag

Wer schon einmal durch einen klassischen Türspion geschaut hat, weiss, dass das Auge nahe an der Linse sein muss. Deshalb ist die Positionshöhe des Spions entscheidend für eine ergonomische Benutzung. «Wird seitens der Kunden nichts vermerkt, dann machen wir 1,50 Meter ab Boden», sagt Hofer. Oft werde aber eine individuelle Höhe gewünscht, je nach der Grösse der Personen im Haushalt. «Bisher bewegen sich diese Höhen allerdings alle zwischen 1,40 Meter und 1,60 Meter», sagt Hofer. Bei einem digitalen Türspion sei die Höhe hingegen weniger entscheidend, da das Display auch aus grösserer Distanz und aus verschiedenen Winkeln einsehbar ist. Somit ist die Nutzung auch durch Kinder oder Menschen im Rollstuhl möglich. Auch von Brillenträgern werde oftmals eine digitale Lösung bevorzugt.

Aufgepasst beim Brandschutz

Dass es für einen klassischen Spion ein Loch im Türblatt braucht, versteht sich von selbst. Aber auch bei den digitalen Systemen ist in der Regel ein Loch für das Verbindungskabel zwischen Kamera und Display notwendig. Einem Laien ist dies möglicherweise nicht bekannt, und bei einigen Online-Angeboten wird auch nicht explizit darauf hingewiesen. Dass spätestens an diesem Punkt ein Fachmann hinzugezogen wird, bleibt zu hoffen. Doch auch eine Fachperson darf nicht einfach ein Loch in eine Tür bohren.

«Aus haftungsrechtlichen Gründen ist man verpflichtet, den Zulassungsinhaber zu fragen, ob in die Brandabschnittstür ein Spion eingebaut werden darf», sagt Martin Brübach, Entwicklungsleiter bei der Türenfabrik Brunegg AG aus der gleichnamigen aargauischen Gemeinde. «Im Jahr bekomme ich ungefähr drei Anrufe von Nachrüstern, die sich rückversichern. Ich glaube aber schon, dass in der Praxis wesentlich öfter ein Eingriff in die Türkonstruktion vorgenommen wird.» Es bleibe fraglich, ob alle wissen, was sie da eigentlich machen. «Das geht so lange gut, bis etwas passiert und dann die Frage der Haftung geklärt werden muss», sagt Brübach.

Eine Frage des Klimas

Wenn die Zulassung für die Brandschutztür den Einbau eines Spions erlaubt, muss zwingend ein in diesem Türsystem geprüfter Brandschutzspion verbaut werden. Brandschutzspione haben eine feuerfeste Glasoptik, was den Glasbruch und somit ein Durchbrennen des Feuers durch das Spionloch über den geprüften Zeitraum verhindert. Kein Muss, aber durchaus sinnvoll, ist der Einsatz eines speziellen Spions bei herausfordernden klimatischen Bedingungen. Bei herkömmlichen Türspionen besteht hier die Gefahr von Kondenswasser auf den Linsen. Bei den sogenannten klimatauglichen Spionen besteht das Zwischenstück nicht aus Metall, sondern aus Kunststoff. «Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass es trotz klimatauglichen Spions zu Kondenswasserbildung kommen kann, je nach Temperaturdifferenz und Luftfeuchtigkeit», sagt Michael Hofer. Hier könne dann eine digitale Lösung Abhilfe schaffen. Das Durchgangskabel erfordert meist nur ein kleines Loch und kann anschliessend gedämmt werden, damit keine Kältebrücke entsteht.

Gut grundiert ist halb gewonnen

Bei klimatisch schwierigen Situationen sieht Martin Brübach einen weiteren Punkt als kritisch im Zusammenhang mit einem Türspion. «In modernen Wohnungen oder Häusern hat es vermehrt Komfortlüftungen, die einen gewissen Überdruck im Gebäudeinnern erzeugen», sagt er. Dadurch werde die warme Luft über die Bohrung für den Spion in die Türkonstruktion gedrückt und kühle dort ab. Wer in der Physik aufgepasst hat, kann sich vorstellen, was dann geschieht: Es bildet sich Kondenswasser.

Die Mittellagen in der Tür sind in der Regel nicht behandelt, was dazu führen kann, dass diese durch die vorhandene Feuchtigkeit aufquellen. «Das gleiche Problem kann entstehen, wenn die Haustür bei einem Neubau relativ früh im Bauprozess eingehängt wird», sagt Brübach. Die im Bauwerk enthaltene Feuchtigkeit kann durch die Spionbohrung in die Türkonstruktion gelangen. Deshalb empfiehlt der Fachmann, die Bohrung in jedem Fall einmal zu grundieren, damit zumindest die Fasern um das Loch herum gesättigt sind. Alternativ könne das Loch auch für den Zeitraum des Ablüftens des Gebäudes mit etwas Silikon verschlossen werden.

www.norma.chwww.brunex.ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 22. August 2024 / Ausgabe 34/2024

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