Kommt Zeit, kommt Altholz

Es müssen nicht immer grosse Flächen sein. Auch kleinen Gebrauchsgegenständen verleiht Altholz einen einzigartigen, warmen Charakter, der zum Anfassen einlädt. Bild: Manum GmbH

Altholz.  Vom individuellen Einzelstück bis hin zum umfangreichen Innenausbau einer Hotelanlage. Altholz liegt weiterhin voll im Trend. Der Fachmann und die Fachfrau können mittlerweile auch auf verschiedene Alternativen zu «echtem» alten Holz zurückgreifen.

Damit Altholz auch als solches deklariert werden darf, muss der Werkstoff gewisse Voraussetzungen erfüllen. Demnach muss das Holz bereits bearbeitet, verwendet oder verbaut worden sein. Die meisten Händler machen zudem Altersangaben zwischen 100 und 300 Jahren. Vorwiegend werden Holzarten wie Fichte, Föhre, Lärche oder Eiche als Altholz verwendet.

Das Material stammt aus Abbrüchen von alten Ställen, Innenausbauten, Fassaden und Holzbauten. Bei Fassadenbrettern ergeben sich zwei Farbtöne: Südseite (sonnenverbrannt, dunklere Brauntöne) oder Nordseite (Grautöne). Altholzimitate werden als Retro- oder Antikholz bezeichnet. Um dem Look möglichst nahe zu kommen und den Farbton nachzubilden, wird neues Holz meistens gedämpft. Die Oberfläche wird gehackt, gebürstet oder gehobelt, um die Struktur zu erlangen. Auch geprägte Dekore sind vermehrt zu finden.

Da Altholz als endliche Ressource immer wertvoller wird, gewinnen auch die Imitate parallel dazu stetig an Bedeutung. Die Qualität wird immer besser und die Herstellungsverfahren der Oberflächen immer rationeller. Der Preisunterschied zwischen Altholz und dem Imitat Antikholz wird so je länger, je grösser.

Im Einkauf ist echtes Altholz bereits heute dreimal teurer als ein Imitat. Man kann wohl etwas pauschalisierend sagen, dass bei Arbeiten, bei welchen der Fokus auf der dekorativen Wirkung liegt, eher Imitate verwendet werden. Bei Projekten, die durch Exklusivität, Charakter und einen bestimmten Charme bestechen sollen, greift man dagegen gerne zu echtem Altholz. Kunden, die Exklusivität wollen, sind meist auch dazu bereit, dafür den Aufpreis zu bezahlen.

Nachhaltige Wertschöpfung

Der ursprüngliche Gedanke hinter der Verwendung von Altholz ist letzten Endes nichts anderes als das Recyceln eines wertvollen Rohstoffes.

Aufgrund des Trends rund um den Werkstoff ist dieser Gedanke aber wohl etwas in den Hintergrund gerückt. Nicht so bei Ralph Steiner aus Tscherlach SG. Seit 2009 fertigt er in seinem Einmannbetrieb, der Manum GmbH, Gebrauchsgegenstände und Möbel aus Schweizer Altholz. Das Wiederverwenden und der individuelle Charme jedes einzelnen Werkstückes liegt bei Steiner im Fokus. «Ich fertige meine Objekte aber auch für Menschen. Deshalb ist der Austausch mit den Kunden immer der Ausgangspunkt meiner Arbeiten», sagt Steiner. Sein Ziel sei es, ein möglichst authentisches und zeitloses Objekt zu schaffen.

Freude daran soll sowohl der Kunde wie auch er selbst haben. «Bei meinen Projekten aus Altholz richte ich mich sehr gerne nach dem ästhetischen Prinzip des Wabi- sabi.» Der Ausdruck stammt aus Japan und beschreibt eine ganz spezifische Art von Schönheit, die sich durch Schlichtheit und Selbstgenügsamkeit auszeichnet.

Wabisabi misst den Dingen einen umso höheren ästhetischen Wert zu, je älter und je länger sie in Gebrauch sind.

Altholz braucht Geduld

Damit aus einem hundert Jahre alten Brett ein hochwertiges Möbel entstehen kann, braucht es für die Aufbereitung viel Zeit. Dies ist auch der Hauptgrund, weshalb Altholz so teuer ist.

Die Schreinerei Bieri AG in Weissenburg BE fertigt für Kunden aus der ganzen Schweiz und auch rund um den Globus exklusive Innenausbauten aus Altholz. Dazu bereitet die Firma Holz aus Gebäudeabbrüchen selber auf. Früher haben sie das Material bei Abbrüchen aus der Region noch selbst vor Ort abgebaut. Aufgrund der hohen Nachfrage werde die Beschaffung grosser Mengen Altholzes nun vorwiegend über den spezialisierten Holzhandel abgewickelt.

«Um unsere Qualitätsansprüche jederzeit gewährleisten zu können, haben wir uns für eine interne Aufbereitung entschieden», erklärt Michael Bieri, Geschäftsführer und Inhaber der Bieri AG.

In einem ersten Schritt müssen Fremdkörper, wie zum Beispiel Nägel, aus dem alten Holz entfernt werden, da solche grosse Schäden an Werkzeugen und Maschinen verursachen können. Mit einem Metalldetektor wird das Holz abgesucht, um die störenden Objekte anschliessend in Handarbeit zu entfernen.

Waschen, trocknen, strecken

Im anschliessenden Arbeitsgang wird das Altholz aufgetrennt und auf Dicke gehobelt. Gerade bei Balken fällt dabei eine grosse Menge an sogenanntem Kernholz an. «Da dem Kernholz die originale Oberfläche fehlt, ist es für unsere Arbeiten leider nicht zu gebrauchen», sagt Bieri. Das gewonnene Altholz hingegen wird nun sorgfältig gewaschen, damit die wertvolle Patina nicht zerstört wird. Nach der Reinigung beträgt die Holzfeuchte zwischen 25 und 30 Prozent und muss daher wieder künstlich auf die geforderte Endfeuchte von 8 Prozent getrocknet werden. Bei der Bieri AG geschieht dies mit einer Vakuumtrocknungsanlage. Durch die Wärme während der Trocknung werden zudem mögliche Schädlinge im Holz abgetötet. Insbesondere Altholzbretter aus Balken haben oft sehr grosse Risse, die zusammengezogen werden müssen. «Wir haben dafür eigens einen pneumatischen Strecktisch entwickelt. So können wir gleichzeitig die Risse kleben und die Bretter von ihrer beim trocknungsbedingten Schwinden häufig auftretenden Krümmung befreien», erklärt Bieri. Nach all diesen Schritten kann mit der eigentlichen Schreinerarbeit begonnen werden. «Wenn man die Avorarbeit und die Montage ausklammert, nimmt die Aufbereitung von Altholz rund die Hälfte des Produktionsprozesses ein.»

Einprägend

Für manche Verwendungszwecke ist Altholz schlicht zu teuer oder auch zu schade. Bei Messe- oder Ladenbauten macht es beispielsweise Sinn, auf Antikholz zurückzugreifen, da bei solchen Projekten eher der optische Nutzen im Fokus steht. Viele Holzhändler bieten inzwischen eine breite Palette an Antikholz und Imitaten an.

Oft wird neues Holz mit reinem Wasserdampf gedämpft, um den antiken Farbton zu erhalten. Dieser Vorgang hat auch einen praktischen Nebeneffekt. Das gedämpfte Holz hat danach ein deutlich verringertes Schwund- und Quellverhalten und eignet sich deshalb sehr gut für den Einsatz im konstruktiven Bereich. Als Alternative zu solchen Produkten aus Massivholz oder Dreischicht-Platten produziert die Firma J Grabner GmbH aus Österreich furnierte Platten, in welche eine nachgebildete Altholzstruktur eingeprägt wird. Bei Prägeboard wird eine Trägerplatte aus Sperrholz verwendet, bei Alpineboard eine Mittelschicht aus OSB. Bei den beiden Produkten kann man zwischen zwei verschiedenen Prägetiefen und sechs Farbtönen wählen. Mit der Akustikvariante von Alpineboard können zudem auch schalltechnische Herausforderungen einfach und stilvoll gelöst werden. Durch die Schlitz- bzw. Mikrobohrung und das Akustikvlies auf der Rückseite wird der Schall geschluckt. Die passenden, strukturierten Furnierkanten für seine Produkte bietet der Hersteller ebenfalls an. In der Schweiz ist die Herzog Elmiger AG Vertriebspartner der Firma J Grabner GmbH. Generell lässt sich sagen, dass der Schreiner, die Schreinerin bei der Bearbeitung der Kanten viel herausholen kann, um mit einem Imitat, dem Altholz möglichst nahe zu kommen. Insbesondere bei der Querseite der Plattenwerkstoffe braucht es einen Arbeitsschritt mehr, um auch den Kantenüberstand in den tieferen Prägungen zu erreichen. Das gelingt am besten mit einem Schleifmittel oder einer Bürste, indem man vom Plattenrand zur Plattenmitte arbeitet. An die Patina und den individuellen Charakter von Altholz kommt Antik- oder Retroholz zwar nicht heran, dennoch macht es durchaus Sinn, beide Kategorien im Auge zu behalten.

www.manum.chwww.bieriag.chwww.jgrabner.atwww.herzog-elmiger.ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 17. November 2022 / Ausgabe 46/2022

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