Keine Schwachstellen bieten
Die neue RC4-Tür der Türenfabrik Brunegg besteht komplett aus Holz. Ein spezielles Doppel erschwert das Durchbrechen des Türblatts. Bild: SZ, Philipp Heidelberger
Die neue RC4-Tür der Türenfabrik Brunegg besteht komplett aus Holz. Ein spezielles Doppel erschwert das Durchbrechen des Türblatts. Bild: SZ, Philipp Heidelberger
Einbruchschutz. Obwohl statistisch gesehen die meisten Täter via Fenster oder Fenstertüren einbrechen, treffen Experten auch bei Türen immer wieder Schwachstellen an. Die Praxis zeigt, dass diese gezielt ausgenutzt werden und den Einbruch sogar erleichtern können.
Wenn in TV- oder Radiobeiträgen auf die gestiegenen Einbruchzahlen aufmerksam gemacht wird, dann fallen oft Begriffe wie Angst- und Geldmacherei. Selbstverständlich sei der Einbruchschutz ein Geschäft wie jedes andere auch, sagt Hermann Eichholzer von der Martin Eichholzer AG. Das auf Einbruchschutz spezialisierte Zürcher Familienunternehmen entwickelt und vertreibt die bekannten «Quadragard»-Produkte. «Man muss sich aber schon vor Augen führen, dass sich die Situation in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Als mein Vater 1979 in dieses Geschäft einstieg, war es normal, dass man die Haustür nicht abschliessen musste», so Eichholzer.
Dass dies keine Erfindung der Sicherheitsbranche ist, zeigt ein Blick auf die offiziellen Statistiken: Zwar sank die Anzahl Einbrüche im Jahr 2014 leicht, aber im Vergleich mit unseren Nachbarländern belegt die Schweiz nach wie vor einen Spitzenplatz. Je nach Statistik liegt die Einbruchzahl in der Schweiz pro 100 000 Einwohner beispielsweise vier bis fünf Mal höher als in Deutschland. Für 2015 liegen noch keine definitiven Zahlen vor, es zeichnet sich aber offenbar bereits wieder ein leichter Anstieg ab. Die Erklärung dafür ist einfach: Der Lebensstandard in der Schweiz ist verhältnismässig hoch, es gibt in fast jeder Wohnung etwas zu holen. «Dazu muss man wissen, dass sich ein Einbruch für den Täter bereits ab einem Warenwert von 500 Franken lohnt», erklärt Hermann Eichholzer.
Hinzu kommt, dass das Schutzniveau in der Schweiz relativ tief ist. Das liegt zum einen an der grossen Zahl von Altbauten. Zum anderen gibt es keine zwingenden Mindestanforderungen bezüglich Einbruchschutz, wie es beim Brandschutz oder bei der Wärmedämmung der Fall ist. Allerdings findet langsam eine Sensibilisierung statt. «Wir stellen fest, dass der Einbruchschutz immer öfters angesprochen wird», sagt Martin Brübach von der Türenfabrik Brunegg. Erst kürzlich hat das Unternehmen eine RC4- Tür auf den Markt gebracht, die komplett aus Holz besteht. Natürlich rechnet das Unternehmen dabei nicht mit denselben Stückzahlen wie bei den RC2- oder RC3- Türen, zumal die RC4-Tür deutlich teurer ist. «Mit dem Angebot sind wir aber in der Lage, auch für Objekte mit höheren Sicherheitsansprüchen wie Banken oder Juweliergeschäfte alles aus einer Hand anzubieten», erklärt Martin Brübach. Die RC4-Tür gibt es auch als zweiflüglige Variante mit Glasausschnitt und wahlweise für Holz- oder Stahlrahmen.
Brübach gibt aber zu bedenken, dass selbst die beste Tür nur wenig Schutz bietet, wenn sie nicht gemäss den Vorgaben gefertigt und montiert wird. «In der Einbruchschutz-Norm wird sogar eine Montageanleitung gefordert, aber oft bekommt der Schreiner in der Werkstatt oder der Monteur diese gar nie zu sehen.» Ein klassischer Fehler ist hier nach wie vor die Montage von Schlössern und Schliessblechen ohne das Vorbohren der Schraubenlöcher. Dabei belegen verschiedene Tests, dass dadurch das Material vorgespaltet wird, was dem Einbrecher das Aufhebeln der Tür erleichtert.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Hermann Eichholzer: «Viele Dinge sind gut gemeint, aber schlecht ausgeführt.» Dazu gehören zum Beispiel günstige Zusatzschlösser, Zylinderpanzerungen und Sicherheitstürschilder, womöglich sogar aus dem Baumarkt. Diese lassen sich meistens mit einem ein-fachen Schraubenzieher aufhebeln oder aufbiegen, wodurch der Täter dann ungehindert den Zylinder oder das Schloss angreifen kann. «Mit solchen Arbeiten wird dem Kunden eine falsche Sicherheit vermittelt», sagt Eichholzer.
Dieselbe Problematik besteht allerdings auch beim Einsatz von hochwertigen Beschlägen. «Sind das Türblatt oder der Rahmen nicht entsprechend ausgeführt, greifen die Täter einfach über diese Schwachstellen an», sagt Martin Brübach. Und genau dort orten die Experten Verbesserungs- potenzial, denn zum Teil werden nicht geprüfte Elemente «in Anlehnung» an eine RC-Klasse angeboten. Diese werden zwar mit hochwertigen Beschlägen ausgerüstet, weisen aber oftmals konstruktive Schwachstellen auf. Und diese nutzen die Einbrecher gezielt aus, denn was vereinzelt in den Tagesmedien zu lesen ist, kann Hermann Eichholzer bestätigen: «Die Täter sind professionell organisiert und ausgebildet. Sie kennen Beschläge und Schwachstellen und wissen genau, wo sich ein Einbruch lohnt.» Bei Nachrüstungen setzt das Unternehmen deshalb nach wie vor auf Zusatzverriegelungen, die nicht nur Verriegelungspunkte am Rahmen, sondern auch im Boden haben.
Die gute Nachricht ist, dass richtig hergestellte, montierte und RC-geprüfte Elemente in der Realität tatsächlich den entsprechenden Widerstand leisten. Die Prüfungen sind also durchaus realistisch. So war die RC4-Prüfung für die Türenfabrik Brunegg eine echte Herausforderung, denn dort haben die Prüfer Fäustel sowie Stechbeitel zur Verfügung und dürfen ein gewisses Mass an Lärm verursachen. «Ab RC4 besteht die Schwierigkeit insbesondere darin, das Türblatt gegen Durchbrüche zu sichern», erzählt Martin Brübach. Solche Fälle gibt es in der Realität tatsächlich, auch wenn sie nicht unbedingt an der Tagesordnung sind. Man weiss aber von extremen Fällen, in denen die Täter dem Türblatt sogar mit Säbelsägen oder Trennschleifern zu Leibe rückten.
www.quadragard.chwww.brunex.chwww.bfs.admin.chVerschiedene Interessengruppen sind dabei, den Verein Sicheres Wohnen Schweiz (SWS) ins Leben zu rufen.
Der künftige Verein hat zum Ziel, die Einbruchsicherheit in der Schweiz zu erhöhen. Erreicht werden soll dies durch eine Vereinheitlichung der Kommunikation zwischen Behörden, Anbietern und Bauherren. Durch die Zusammenarbeit von Behörden und Wirtschaft sollen Missverständnisse verhindert und gemeinsame Empfehlungen abgegeben werden. Damit will man die Qualität verbessern und ein gewisses Mindestmass an Einbruchschutz gewährleisten.
Ähnlich wie beim Brandschutz sollen auch Weiterbildungen und eine Informationsplattform mit zertifizierten Produkten sowie Anbietern zur Qualitätssicherung beitragen. Gegründet wird der Verein in diesem Jahr, erste operative Tätigkeiten sind ab 2017 geplant.
Am Verein Sicheres Wohnen Schweiz beteiligen sich unter anderem die folgenden Institutionen:
Veröffentlichung: 11. Februar 2016 / Ausgabe 6/2016
Denkmalschutz. Schmale Türflügel benötigen weniger Raum beim Aufschwenken und lassen nur so viel durch die Öffnung wie nötig. Müssen historische Gebäude renoviert werden, kommt es nicht selten bei den Eingangstüren verdeckt zu grösseren Veränderungen.
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