Kartellrecht gilt auch für die Kleinen
Bei Branchentreffs und Versammlungen kann man unbewusst aufs Glatteis geraten. Bild: unsplash.com
Bei Branchentreffs und Versammlungen kann man unbewusst aufs Glatteis geraten. Bild: unsplash.com
Wettbewerb. Immer öfter geraten Firmen wegen illegaler Preisabsprachen in den Fokus der Behörden. Davon betroffen sind nicht nur grosse Konzerne, auch gewöhnliche KMU können sich wissentlich oder unwissentlich in heiklen Situationen wiederfinden.
Die Wettbewerbskommission (Weko) hat in den letzten Jahren bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts die Bussgelder erhöht und auch ihre Ermittlungshandlungen wie zum Beispiel Hausdurchsuchungen verstärkt. Grosse Publizität wurde 2018 dem bündnerischen Baukartell und im Februar 2019 dem Berner Kieskartell zuteil. In den Jahren zuvor waren es die Baukartelle im Aargau, Tessin und andere Kooperationen wie bei der Tunnelreinigung, welche die Unternehmen erschütterten.
Eine der Grundsäulen der Schweizer Wirt-schaftsordnung ist der freie Wettbewerb. Die Weko ist die Behörde in Bern, welche gestützt auf das Kartellgesetz (KG) das freie Spiel von Angebot und Nachfrage in der Schweiz zu gewährleisten hat.
Das Kartellgesetz ist grundsätzlich auf alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Grösse, anwendbar. Betroffen sind also Klein- und Mittelunternehmen (KMU) wie auch Grossbanken. Auch Kleinstbetriebe können ins Visier der Wettbewerbshüter geraten. Es ist die glückliche Ausnahme, wenn die Weko auf Massnahmen verzichtet wie bei der vermuteten Preisabsprache unter Döner- Kebab-Anbietern in Winterthur. Die Weko wollte nicht mit «Kanonen auf Spatzen» schiessen.
Hausdurchsuchungen sind für die Weko ein wirksames und abschreckendes Mittel. Für das betroffene Unternehmen sind sie aufreibend, aufwendig, rufschädigend, und es können dabei weitere Unterlagen gefunden werden, die andere Straftaten oder Steuerdelikte aufdecken.
Beim Engadiner Baukartell führten solche Zufallsfunde zur Ausweitung der Untersuchung auf den ganzen Kanton. Die neusten Ermittlungsmethoden im Bereich der Beschaffungsmärkte sind systematische Analysen der Weko durch Screenings von eingereichten Ausschreibungsangeboten.
Die Konsequenzen einer Weko-Untersuchung können drastisch sein. Die maximalen Bussen sind mit einem Betrag von bis zu 10 Prozent vom Umsatz der letzten drei Jahre happig. Hinzu kommen Anwaltskosten, Reputationsverluste und Schadenersatzforderungen von Geschädigten. Mehrjährige Ausschlüsse von Ausschreibungen der öffentlichen Hand können – nebst der Weko-Busse – für viele kleinere Unternehmen existenzgefährdend sein.
Deshalb sollten sich alle KMU mit den Barrieren des Kartellrechts und den notwendigen Massnahmen für den Ernstfall auseinandersetzen.
Zulässig: Drei kleine Schreinereien vereinbaren einen gemeinsamen Materialeinkauf, um gegenüber einem grossen Betrieb bestehen zu können. Eine solche Absprache ist in der Regel aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz erlaubt. Ohne eine solche Absprache bestünde die Gefahr, dass in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit der KMU gefährdet wird, womit es weniger Wettbewerb gäbe.
Unzulässig: In einer Region beschliessen zwei Schreinereien, ihre Preise abzusprechen. Dies verstösst gegen das Kartellgesetz, weil damit der Wettbewerb ausgeschaltet wird.
Im Verband zulässig: Ein regionaler Verband erlässt unverbindliche Empfehlungen für Stundenlöhne, die tatsächlichen Abrechnungen variieren gegenüber den Kunden.
Unzulässig: Wenn die Mehrheit der Verbandsmitglieder die Empfehlung gleich einem Fixtarif einhalten, dann dürfte die Weko daran keine Freude haben.
Bei Anlässen eines Verbandes besprechen Konkurrenten in zulässiger Weise etwa aktuelle politische Themen, könnten aber bisweilen geneigt sein, untereinander marktsensitive Informationen auszutauschen.
Vorsicht ist geboten bei Diskussionen über Honorare, Konditionen und allgemeine Preisempfehlungen sowie Kalkulationshilfen. Besonders problematisch ist der Austausch von nicht öffentlichen Informationen zu eigenen Produkten, Kundenverhalten und Preisen. Man sollte sich nie an solchen «Brainstormings» beteiligen. Es wird dringend empfohlen, sich deutlich von solchen Diskussionen zu distanzieren, indem man das Meeting zum Beispiel vorzeitig verlässt. Auch ein Austausch über solche Informationen beim Feierabendbier nach Ende des Verbandstreffens ist kartellrechtlich verpönt.
Zulässig: Der Austausch von Informationen unter Konkurrenten zu historischen oder öffentlichen Daten sowie über anonymisierte, aktuelle Daten gilt regelmässig als statthaft.
Unzulässig: Tabu ist jeder Informationsaustausch unter Konkurrenten etwa zu:
Auch das «Umherliegen-lassen» von Unterlagen mit marktsensiblen und vertraulichen Informationen kann heikel sein.
Ebenfalls unzulässig sind Vorgaben von Lieferanten. Wenn ein Lieferant seinem Kunden Vorgaben zum Wiederverkaufspreis macht oder ihm ein Verkaufsgebiet zuweist und ihn davon abhält, Kunden ausserhalb seines Gebietes zu bedienen, so ist dies meistens nicht zulässig.
Wie soll ein Schreinerunternehmen reagieren, wenn eine wettbewerbsrechtliche Unsicherheit aufkommt? Nachstehend ist eine Auswahl von möglichen Verhaltensvarianten aufgelistet:
Variante 1: Das unzulässige Verhalten kann gestoppt werden in der Hoffnung, dass weder die Weko hellhörig wird, noch eine Klage oder eine Selbstanzeige eines Dritten eingereicht wird. Dies kann unter Umständen eine gefährliche Strategie sein, das Restrisiko bleibt gross.
Variante 2: Vorab eine Beurteilung oder ein Gutachten einholen lassen, um festzustellen, ob ein Kartellrechtsrisiko besteht und wie gross dieses und die Entdeckungswahrscheinlichkeit des Verstosses ist. Dies ist meist eine sinnvolle Investition.
Variante 3, «Beratung»: Eine via Anwalt gestellte und anonyme Anfrage bei der Weko kann zielführend sein, wenn man ein künftiges Verhalten überprüfen lassen will. Die Kosten sind relativ gering.
Variante 4: Rückfragen beim eigenen Ver-band sind in der Praxis eine gute erste Mög-lichkeit, sich beraten zu lassen. Die Rückfragen sollten regelmässig in anonymisierter Weise erfolgen.
Variante 5, «Widerspruchsverfahren»: Wenn ein Unternehmen die Wettbewerbsbeschränkung der Weko meldet, bevor diese im Unternehmen umgesetzt wird, entfällt jegliche Sanktionierung, sofern die Behörde innert fünf Monaten keinen Widerspruch erhebt. In vielen Fällen überwiegen jedoch die Nachteile dieser Variante die möglichen Vorteile.
Variante 6, «Kronzeugen-Programm»: Meldet ein KMU eine bestehende Kartellabsprache der Weko als erstes Unternehmen, so zahlt es kein Bussgeld. Allerdings hat auch diese Variante zahlreiche Nachteile, die zuvor mit einem spezialisierten Anwalt zu besprechen sind.
Hausdurchsuchungen, Bussgelder und andere Nachteile eines Kartellrechtsverstosses lassen sich mit passenden Bemühungen um Compliance (Regelkonformität) minimieren. In einem typischen Schreinerbetrieb von 10 bis etwa 100 Mitarbeitern ist der Kreis der Mitarbeiter, die Kartellrisiken ausgesetzt sind, überschaubar.
Mit drei Compliance-Massnahmen kann die Geschäftsleitung das Risiko minimieren:
Kartellrechts-Diagnose: Alle 5 Jahre das Unternehmen von einem Spezialisten auf Kartellrechtsrisiken hin untersuchen lassen.
Kartellrechts-Therapie: Alle 18 Monate eine Schulung über kartellrechtliche «Compliance-Massnahmen» besuchen, etwa beim Verband oder bei einer Hochschule wie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Kartellrechts-Commitment: Gegenüber den Mitarbeitern keine Zweifel aufkommen lassen, dass Verstösse geahndet werden.
Teurer als Compliance ist nur gar keine Compliance. Wer sich der Stolpersteine im Kartellrecht bewusst ist, kann mit verhältnismässig kleinem Aufwand das Risiko minimieren. Denn auch kleine Unternehmen können plötzlich durch andere Ereignisse in das Fadenkreuz der Wettbewerbshüter geraten. Sieht man sich die Entwicklung der letzten Jahre an, dürften die Kontrollen im Bereich des Kartellrechts eher noch strenger ausfallen. So kann heute bereits der Versuch einer Kartellbildung zu empfindlichen Strafen führen.
Patrick L. Krauskopf (PK) ist Rechtsanwalt in Zürich und New York. Er ist Vorsitzender der Agon Partners AG, eine in der Schweiz führende Kartellrechtskanzlei mit Sitz in Zürich. Zudem leitet er das Zentrum für Wettbewerbsrecht an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Zuvor war er Weko-Vizedirektor.
Volker Dohr (VD) ist Rechtsanwalt, Betriebswirt, Certified Internal Auditor, Dozent an der ZHAW und als Anwalt bei der Agon Partners AG tätig. Vor diesem Engagement war Volker Dohr Leiter der Rechtsabteilung bei der Amag Group AG.
www.agon-partners.chVeröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019
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