Jagd auf die Eier legende Wollmilchsau

Signalisationen und Botschaften, die aus dem Türdeckblatt leuchten. Der rote Leuchtpunkt zeigt an, dass besetzt ist. Bild: Andreas Brinkmann

Produktentwicklung.  In kaum einem anderen Bereich ist so wenig von den Fähigkeiten des Produktes erkennbar wie bei Türen. Dennoch ist die konstante Weiterentwicklung bei den Herstellern von zentraler Bedeutung – und die Anforderungen steigen weiter.

Das heutige Leben wird davon geprägt, dass neue Errungenschaften schnell wieder weiterentwickelt werden, um gesteigerten Ansprüchen genügen zu können. Dinge werden selbstverständlich, die es vor Kurzem so nicht gab. Und neu zeigt bereits eine WC-Tür durch ihre Holzfläche hindurch mit einem Leuchtflecken an, wenn besetzt ist.

Der unendliche Baukasten

Schreiner sind Macher, die aus einem grossen Fundus an Konstruktionen, Detaillösungen, Arbeitsablaufstrecken, Materialien, Halbfabrikaten und technischen Komponenten kundenspezifische Produkte fertigen. Sie verfügen über sehr viele Elemente in ihrem Baukasten, die sie immer wieder anders zu neuen Produkten zusammenfügen. Der Fundus ist eine Sammlung aus Althergebrachtem, Gelerntem, Erkenntnissen aus ausgeführten Aufträgen, Einkaufskatalogen und vielleicht auch noch ein paar Dingen, die im eigenen Betrieb entwickelt wurden. Wer einem Kunden eine Tür anbieten will, weiss, welcher Bautyp dafür infrage kommt, und wird bei seinem Lieferanten bezüglich des Blattes oder gleich der ganzen Tür anfragen. Dort kann er exakt angeben, was die Tür können muss, und bekommt ein Angebot mit einem verbindlichen Betrag. Damit das möglich ist, wurden Türprodukte für alle relevanten Anforderungen schon von Türfabrikanten entwickelt, von offiziellen Stellen geprüft und in das stetig wachsende Warenverzeichnis aufgenommen.

Das Einhalten von Abmachungen

Allein für den Bereich Türen sind aktuell rund 200 nationale, europäische und internationale Normen massgebend. Diese dienen der Vergleichbarkeit von Produkten für konkrete Situationen und bieten in ihrer Anwendung die notwendige Sicherheit, dass Abmachungen auch wirklich so eingehalten werden, wie sie gemeint waren. Durch steigende Anforderungen wie beim Einbruchschutz, Schallschutz, Brandschutz, der Dauerhaftigkeit, Beschusshemmung oder dem Schutz vor klimatischen Einflüssen steigt auch die Anzahl der Normen. Die Platte, die mit Scharnieren an einem Rahmen hängt und einen Wanddurchgang verschliesst, ist längst nicht mehr so einfach, wie sie aussieht.

Natürlich ist auch ein Türfabrikant ein Schreiner, und er arbeitet mit seinem eigenen, ganz speziellen Baukasten. Da bilden seine fertigen Produkte sowie Details davon die Grundlage für weitere und neue Lösungen. Aber eben nur die Grundlage, denn eine gute Brandschutztür bietet nicht unbedingt auch einen guten Einbruchswiderstand oder hilft beim Lärmschutz usw.

Fortwährende Lösungssuche

Um neuen Anforderungen mit einem Produkt begegnen zu können, muss dieses erst entwickelt werden. Die Lösung ist oft ein Spagat, denn manche Anforderungen widersprechen sich konstruktiv. Eine Eingangstür soll beispielsweise möglichst die gleiche Wärmedämmung wie die 400 mm dicke Wand daneben bieten, muss aber wesentlich dünner und möglichst leicht sein, um die Konstruktion, den Rahmenverbund sowie die Beschläge wenig zu belasten.

Andreas Brägger von der aargauischen Türenfabrik Safenwil AG aus Safenwil sagt dazu: «Das ist die unendliche Suche nach der Eier legenden Wollmilchsau.» Beim Start muss geklärt werden, mit welchem Fokus auf welche Anforderung in der Anwendung Wert gelegt wird. Danach kann der eigentliche Entwicklungsprozess beginnen. Entwicklung ist für Andreas Brägger ein konstanter Teil der Aufgaben in einer Türenfabrik. Da so was nicht nur theoretisch gemacht werden kann, sondern real ausprobiert und geprüft werden muss, ist mit allenfalls hohen Kosten zu rechnen, und es kann auch Rückschläge geben. So eine Entwicklung muss also genau geplant werden, und die Kosten müssen sich später über das Produkt amortisieren lassen.

Verankerung der Entwicklung im Betrieb

Jede Firma braucht einen kontinuierlichen Fortschritt, um am Markt bestehen zu können. Und es schadet sicher nicht, wenn Veränderungen und daraus resultierende kommende Ansprüche frühzeitig erkannt und entsprechende Entwicklungsschritte eingeleitet werden. Marcel Frank von der Frank Türen AG aus Buochs NW sagt: «Es ist für uns zentral, dass wir unsere Produkte regelmässig hinterfragen.» Sein Entwicklungs- team trifft sich wöchentlich. Ist das nötige Potenzial in einer Idee erkennbar, wird ein interner Auftrag generiert. Damit bekommt die Aufgabe das notwendige Gewicht und die Ressourcen, um in einem geregelten Ablauf zum Ziel zu kommen.

Produktentwicklung bringt auch neue Einsichten, welche die Produktion betreffen können. Das parallele Arbeiten einer Entwicklungsabteilung neben der normalen Produktion hat auch Wechselwirkungen, die selbst zu Veränderungen in den Abläufen im Betrieb führen oder auch neue Ideen hervorbringen können.

Ideen mit Zukunftspotenzial

Manches Projekt wird auch zur Kompetenzvermittlung gegenüber der Kundschaft realisiert. So gibt es bei der Frank Türen AG eine rundum frontbündig schliessende Bürotür in einer bogenförmigen Wand. Die WC-Türen im Büroteil wirken mit ihren Echtholzdecks eher schlicht. Irritierend ist dann aber, dass durch das Holz hindurch aussen Symbole und innen ganze Schriftzüge leuchten. Wird eine Tür abgeschlossen, erscheint aussen unter dem Drücker ein roter Lichtfleck.

Prototypen, wie die WC-Türen, sind eine Möglichkeit, vorhandene moderne elektronische Mittel in einer nützlichen Form anders als gewohnt zu zeigen. Hinter den perforierten Holzdecks befinden sich Monitore, eine Computersteuerung und ein auswechselbarer USB-Stick mit den gewünschten Datensätzen. Das alles braucht Platz, der bei WC-Türen, die keine besonders hohen Anforderungen erfüllen müssen, vorhanden ist. So richtig spannend wird so etwas dann, wenn beispielsweise die Technik bei einer Konferenzraumtür angewendet werden soll.

Normalerweise sieht man einer heutigen Tür nicht mehr an, welche Fähigkeiten in ihr stecken. Das zeigt allenfalls noch ein etwas höherer Preis.

Andreas Brinkmann

www.tuerenfabrik.ch
www.frank-tueren.ch

 

Veröffentlichung: 20. Mai 2021 / Ausgabe 21/2021

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