Geschlossenes Haus trotz offener Tür

Dieses Haus in Susch hat sogar noch einen Keller mit eigenem Aussenzugang. Bild: Andreas Brinkmann

Eingangstüren.  Alle Durchgänge in einem Gebäude erfüllen definierte Aufgaben. Das gilt besonders für die Hauseingänge. Zweiflüglige Türen bieten grosse Vorteile, speziell die Engadiner Haustüren glänzen durch mehrere Öffnungsmöglichkeiten.

Wer in der Altstadt von Zürich, Basel oder Bern ein Haus betritt, wird möglicherweise durch eine zweiflüglige Tür gehen: einen grossen Flügel – die Eingangstür – und einen kleineren, zusätzlich zu öffnenden, den es braucht, um sperrige Ware ins Haus bringen zu können. Durch die Aneinanderreihung der Häuser ist das nicht selten der einzige Zugang von einer Strasse aus.

Hinter dem Eingang kommt dann ein Vorraum oder Gang mit den Zugangsmöglichkeiten zu den Wohnungen und Geschäftsräumen. Oberlichter oder eine Glasfüllung im Türblatt sorgen für etwas Licht. Diese durchaus logische bauliche Gestaltung trifft man natürlich nicht nur in Schweizer Städten an.

Ein Transportweg durchs Haus

Auch in Engadiner Dörfern stehen die Häuser gerne dicht beieinander, denn das Engadin ist eines der höchstgelegenen bewohnten Täler Europas und bekannt dafür, dass es im Winter auch mal sehr kalt werden kann. Die älteren Häuser haben dicke Mauern und kleine Fenster, um Wärme speichern zu können. Umso mehr fallen die grossen bogenförmigen Hauseingänge auf, die eher an ein Scheunentor erinnern.

Das hat gute Gründe: Auch hier gibt es, durch das verdichtete Bauen oder einfach wegen der Topografie, nur einen Eingang von einer befahrbaren Strasse – so eng sie auch sein mag. Dahinter kommt ein normalerweise fensterloser Raum, von dem aus seitlich Türen in den Wohnbereich führen. Hinter diesem Raum ging es früher dann in die Scheune. Alles, was dort hingelangen sollte, musste also durch den Eingang und den vorderen Raum gebracht werden und das am besten gleich mit einem Wagen. Das zweiflüglige Eingangstor für den Wagen enthält zudem eine viel kleinere Eingangstür für Personen. Ist diese noch im Originalzustand, dann ist sie meistens auch zweiflüglig, nur verläuft diese Unterteilung horizontal in der Mitte.

Geliebte Funktionen

Peider Müller gehört die Dorfschreinerei in Susch GR. Auf einem Rundgang durchs Dorf konnte er viele solche Eingänge zeigen und wie sie sich mit der Zeit allenfalls verändert haben. Die Tore werden nicht mehr überall gebraucht, dafür aber diese speziellen Türen. Das obere Blatt enthält Schloss und Drückergarnitur. Es wird zuerst geöffnet und bringt Licht sowie Luft in den sonst dunklen Raum dahinter.

In dieser Stellung ist der Eingang immer noch geschlossen. Keiner läuft einfach rein und kein Kind oder Haustier läuft raus. Die untere Blatthälfte ist von innen mit einem Klapp- oder Stossriegel gesichert und wird separat geöffnet. Das mag umständlich erscheinen, aber spricht man mit den Bewohnern solcher Häuser, ist es genau dieses halbe Schliessen, weshalb sie diese Tür unbedingt behalten wollen.

Auch Beat Fried, der in Bever GR eine Schreinerei führt, berichtet, dass es einige Kunden gibt, die auch dann eine solche Tür haben wollen, wenn sie original gar nicht am Haus war. Zum einen ist es ein sehr schönes, traditionelles Element und zum anderen überzeugt letztlich die Funktion. In Susch erhielt sogar ein hochmodernes Haus, gebaut mit Strohwänden, eine horizontal geteilte Tür.

Dem Anspruch gerecht werden

Wer überzeugt ist, dass eine moderne Hauseingangstür sehr viel können muss, sollte sich eine Lösung mit solchen vier Türflügeln überlegen. Peider Müller weiss, dass alle heutigen Standards problemlos erfüllt werden können, denn was es dazu braucht, ist erhältlich. Torflügel mit einem zeitgemässen Blattaufbau sind viel dicker als früher und bringen auch einiges an Gewicht auf die Waage. Die Wahl der Bänder ist also ausserordentlich wichtig. Ist die Ausführung dann noch bogenförmig, ist die Position der oberen Bänder relativ weit unten, wodurch deren konstante Belastung nochmals deutlich ansteigt.

Die Flügel dürfen auch nach vielen Jahren nicht hängen, denn das hätte dann nicht nur Auswirkungen auf das Schliessverhalten und die Dichtheit, sondern auch auf das Verhalten der kleineren Eingangstür. Da kann der Griff zu altbekannten Pfannenbändern führen. Mittlerweile gibt es aber zudem voll einstellbare moderne Bänder mit hoher Tragfähigkeit – selbst verdeckte Ausführungen sind da möglich.

Zeitgemäss dicht

Die heutige Falzgeometrie ist natürlich den früheren Techniken mit sich überlappenden Schichten weit überlegen. Peider Müller weist aber darauf hin, dass die doppelten Dichtungsebenen wirklich durchgängig verlaufen müssen, wenn hinter der Tür nicht doch wieder ein Wärmeschutzvorhang angebracht werden soll. Sehr wichtig ist auch Folgendes: Der untere Türflügel hat geschlossen die Funktion einer Brüstungswand, und wie bei dieser stützt man sich auch gerne darauf ab. Das belastet dann einerseits die Bänder von Tür sowie Tor, aber auch falsch positionierte Dichtungen. Diese gehören immer in das untere Falzprofil des oberen Flügels. Zur Entlastung der Bänder könnten Auflaufrollen in der Schwelle beitragen. Und ja, was die Schwelle anbelangt, könnte auf sie auch verzichtet werden, wenn eine gute Entwässerung eingeplant wird. Je mehr Fugen von beweglichen Elementen auf der Wetterseite sind, umso mehr Gedanken sollte man sich auch über den konstruktiven Holzschutz machen. Da alle vier Flügel nach innen aufgehen und der obere Türflügel zuletzt geschlossen wird, braucht er einen Wetterschenkel. Nur so ist sicher, dass kein Regenwasser eindringen kann.

Sicher schliessen

Wenn es um das Schliessen einer solchen Engadiner Haustür geht, kommen nochmals einige Fragen auf. Was die Torflügel angeht, ist so weit noch alles klar: Beide Elemente erhalten nach oben und unten kräftige Stossriegel und auch im Türsturzbereich sollte einer gesetzt werden. Ob diese von innen sichtbar oder verdeckt sein sollen, ist dann Geschmackssache.

Wird das obere Türblatt zugestossen, nimmt es durch die Überfälzung auch das untere mit. Klassisch hat das obere Blatt in der Mitte seiner Schliesskante ein Schloss und die Drückergarnitur. Das untere Blatt hat auf der Innenseite im oberen Bereich einen Riegel. Diesen muss man gut erreichen können, wenn man von aussen durch die obere Öffnung greift. Im Zeitalter von Mehrpunktverriegelungen ist das nicht befriedigend: Positioniert man das Schloss weiter unten, kann mit einer Stange ein Riegel nach oben platziert werden.

Auch im unteren Blatt könnte ein Riegelschloss mit Bedien-Olive auf der Innenseite platziert werden. Und auch da wäre mittels Verschlussstange ein weiterer Riegel möglich. Zusammen ergäbe das die gleiche Sicherheit wie bei ungeteilten Haustüren.

Ein sichtbarer Wert

In diesen Türen steckt also viel Potenzial und auch viel Arbeit. Auch im Innenbereich wären doppelflüglige Türen denkbar, wie beispielsweise bei Treppenabgängen ohne Tageslicht. Beat Fried weist darauf hin, dass eine Engadiner Haustür vergleichsweise eher teuer ausfällt. Die umfangreiche und genaue Planung und die Ausführung haben ihren Preis, der unbedingt auch eingefordert werden muss. Laut den Kunden überwiegen aber die Vorteile, die sie bereit zu bezahlen sind.

www.peider.comwww.fried.ch

ab

Veröffentlichung: 12. September 2019 / Ausgabe 37/2019

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