Gebundener Mineralstaub im Bad
In Reih und Glied warten die vorher tiefgezogenen Becken auf ihren Einsatz in einem Waschtisch. Bild: SZ, Noah J. Gautschi
In Reih und Glied warten die vorher tiefgezogenen Becken auf ihren Einsatz in einem Waschtisch. Bild: SZ, Noah J. Gautschi
Mineralwerkstoffe. Wer ein Becken aus Mineralwerkstoff herstellen will, kann das Material tiefziehen oder giessen. Jede Fertigungsart hat ihre spezifischen Vorteile und bietet dem Planer die Möglichkeit, eigene Formen und Wünsche zu realisieren.
Ein Badezimmermöbel bekommt mit dem Auf- oder Einsetzen des Waschbeckens seinen Charakter. Je nach Gestaltungssprache des Planers kann es schwer werden, ein Lavabo zu finden, das in puncto Form, Stärke und Farbe mit dem Möbelstück harmoniert. Hier sind Becken aus einem Mineralwerkstoff gegenüber den keramischen Konkurrenten im Vorteil, denn durch den Herstellungsprozess können eigene Designs kostengünstiger und in kleinerer Stückzahl hergestellt werden.
Die Art des Bindemittels, die Marke und der ausgewählte Farbton haben Auswirkungen auf die Bearbeitungsmöglichkeiten der Mineralwerkstoffe. Für den Planer ist es deshalb wichtig, die grundlegenden Unterschiede in den Eigenschaften des Materials zu kennen, um für das jeweilige Produkt das richtige Herstellungsverfahren zu bestimmen. Wie weit und einfach sich ein Mineralwerkstoff verformen lässt, hängt vom Bindemittel ab. Es ist entscheidend, ob die Produkte auf Acryl- oder Polyesterbasis basieren.
Wird der Werkstoff mit Polyesterharz gebunden, entsteht ein Duroplast. Bei der Verwendung von Acrylharz als Bindemittel entsteht ein Thermoplast. Die unterschiedlichen Eigenschaften eines Duroplasts oder Thermoplasts haben einen Einfluss darauf, mit welchem Verfahren das Material weiterverarbeitet werden kann. So eignen sich acrylgebundene Platten durch die einfachere Verformbarkeit unter Hitze besser für die thermische Verformung.
Mit Polyesterharz gebundene Werkstoffe lassen sich hingegen mit kostengünstigen Formen giessen. «Die Kosten einer Giessform für einen polyesterharzgebundenen Mineralwerkstoff liegen bei einem Zehntel der Kosten einer Giessform für acrylgebundene Werkstoffe», sagt Rolf Keller, Verkaufsleiter der Coristal AG aus dem aargauischen Rudolfstetten.
Bezogen auf die unterschiedlichen Eigenschaften kann man die Materialien tiefziehen oder giessen. Das Bindemittel, die gewünschte Form und die Stückzahl sind wichtige Parameter bei der Entscheidung. Das Giessen ermöglicht beliebig enge Radien und Formen in der Gestaltung. Die Reproduzierbarkeit ist sehr hoch. Somit ist über den gesamten Produktionsverlauf einer Serie eine hohe Massgenauigkeit gegeben. Jedoch ist die mögliche Grösse der Becken beim Giessen beschränkt, da zu grosse gegossene Becken leicht einreissen. Ebenfalls zu beachten ist die Tatsache, dass die meisten Mineralwerkstoffhersteller nur Unifarben giessen, weil die gleichmässige Verteilung der gesprickelten Elemente schwierig ist. Beim Tiefziehen lassen sich weniger engere Radien umsetzen, weil das Material um eine Form gezogen werden muss. Durch die Kombination aus tiefgezogenen Beckenböden und angeleimten Beckenseiten kann hier aber konstruktiv entgegengewirkt werden. Gegossene Becken kommen aufgrund der nötigen Stückzahlen meist von den gros- sen Materialherstellern. Beim Tiefziehen kann der Schreiner mit einem Mineralwerkstoffspezialisten auch eigene Kreationen verwirklichen.
Um eine Mineralwerkstoffplatte tiefzuziehen, wird die Platte zuerst in einer Heizanlage oder Presse mit Wärmeplatten auf 160 bis 170 Grad Celsius erhitzt. Anschliessend wird die heisse Platte in oder auf die gewünschte Form gelegt und gepresst. Nach dem Pressvorgang muss bis zur kompletten Abkühlung auf die Raumtemperatur ge-wartet werden, bevor man den Pressdruck löst. Der Pressvorgang kann mechanisch mit einer Positiv- und Negativform oder mit einer Auflageform in einer Vakuumpresse erfolgen. Die Methode unter der mechanischen Presse ist durch die Gegenform genauer. Was auf den ersten Blick einfach aussieht, braucht eine jahrelange Erfahrung. Vor 14 Jahren kaufte Rolf Keller eine erste Vakuumpresse im spanischen Valencia.
Zurück in der Schweiz ging es an die ersten Versuche. «Wir haben die Materie unterschätzt. Wenn eine Form an einem Abend funktioniert hat, bekamen wir am nächsten Morgen plötzlich kein Becken mehr hin», sagt Keller. Die Mineralwerkstoffe unterscheiden sich bei der Verformung je nach Farbton, Muster oder gar Produktionscharge. Deshalb ist es wichtig, bei der Materialauswahl die spezifischen Eigenschaften abzuklären.
Durch die Verbindung eines tiefgezogenen Beckenbodens und den angeklebten Beckenrändern mit Hohlkehle können mit der thermischen Verformung fliessende Waschbeckenformen für ein Badezimmer umgesetzt werden. Neue Mineralwerkstoffplatten wie zum Beispiel «Creanit EST» ermöglichen beim Tiefziehen Radien von bis zu 50 Millimetern Enge und lassen so ganz neue Formen zu. «Eine einfache Tiefziehform kostet zirka 1500 Franken. Wenn ich zehn Becken brauche, kostet mich das lediglich 150 Franken mehr pro Becken, und ich kann meinem Kunden etwas Spezielles bieten», sagt Keller. Diese Möglichkeiten bringen dem Planer eine grosse Freiheit in der Gestaltung. Ab 50 Quadratmetern, also je nach Dimensionen unter zehn Platten, kann man den Mineralwerkstoff «Creanit» sogar in einem gewünschten NCS-Farbton produzieren lassen.
Die Mineralstoffhersteller und die Verarbeiter haben meistens ein üppiges Angebot an Becken im Sortiment. So lässt sich mit einem Normbecken, eingebaut in eine Mineralwerkstoffabdeckung, ebenfalls eine individuelle Lösung bieten. Nachfolgend noch zwei weitere Anbieter von besonderen Mineralwerkstoffbecken.
Nach einer intensiven Entwicklungsphase bietet der Mineralwerkstoffverarbeiter Hasenkopf aus dem deutschen Mehring jetzt zusätzlich auch gegossene Formteile aus einem selbst entwickelten, acrylgebundenen Mineralwerkstoff an.
Zu diesen gegossenen Produkten zählen auch die neuen Lavabos, die in unterschiedlichen Formen speziell für den Waschtisch im Badezimmer gemacht werden. Das Giessen von acrylgebundenen Mineralwerkstoffen erweitert die Möglichkeiten und das Angebot deutlich.
So können kleine und feine Details wie beispielsweise verdeckte Abläufe oder enge Radien wirtschaftlicher produziert werden. Ein individueller Formenbau ist je nach Objekt oftmals schon für Kleinserien realisierbar. Die Firma betreibt überwiegend eine projektbezogene Fertigung. Hier werden mit der thermischen Verformung und den 3- und 5-Achs-Bearbeitungszentren auch komplexe Einzelstücke wirtschaftlich hergestellt.
Beim Blick ins Badezimmer gibt es immer öfter aufgesetzte Becken zu entdecken. Der wiederkehrende Trend, welcher sich an den antiken Waschtischen mit aufgesetzter Wasserschale orientiert, benötigt natürlich spezielle Beckenformen. Die Firma Kläusler Acrylstein AG aus dem zürcherischen Fällanden hat für diesen Einsatzzweck drei neue und elegante Lavabos im Angebot. Ins Auge sticht die schlanke Ausführung der Ränder. Diese ermöglichen die geforderte leichte Formgebung dieses Trends. Die Aufbaubecken sind in drei Grundformen erhältlich.
Mit der quadratischen, rechteckigen und runden Form der Becken findet sich für alle Waschtischformen und massgefertigten Designeroberflächen eine passende Lösung. Durch das schlichte Design und das materialtypische warme und haptische Gefühl lassen sich die Becken aus Mineralwerkstoff optimal mit dem Werkstoff Holz kombinieren.
Veröffentlichung: 24. Dezember 2015 / Ausgabe 52-53/2015
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