Digital zu neuem Personal

Mit dem richtigen Auftritt in den sozialen Medien gelingt es Handwerksbetrieben, qualifizierte Fachleute aus der Region zu gewinnen. Bild: Pixabay, Risem; Illustration: SZ

Social Recruiting.  Viele Schreinereien kennen die Herausforderung: Volle Auftragsbücher und ein überlastetes Team – aber über herkömmliche Wege sind kaum Fachkräfte zu finden. Ist das Netzwerk ausgeschöpft, müssen Unternehmen neue Wege beschreiten, etwa über Social Media.

Ohne Smartphone geht heute nichts mehr. Laut einer Studie verbringt jede und jeder von uns pro Tag etwa 2,5 Stunden am Handy – Tendenz steigend. Eine grosse Rolle spielen dabei die sozialen Medien – 5,4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer sind laut dem Portal Statista auf Facebook registriert, auf Instagram sind es um die 4 Millionen. Der Gedanke liegt also nah: Wenn sich so viele Menschen auf den sozialen Medien tummeln, müssten dort doch auch Fachkräfte zu finden sein?

Vom Marketing zur Rekrutierung

Doch wie gelingt es, unter den unzähligen Social-Media-Nutzenden geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu erreichen und sogar eine Stelle zu besetzen? Einer, der es weiss, ist Leo Stalder. Er hat sich mit seinem Unternehmen Risem aus Solothurn auf die Personalsuche für Handwerksbetriebe in den sozialen Medien spezialisiert: «Zuerst ist wichtig, dass sich ein Unternehmen seine Stärken, seine Alleinstellungsmerkmale und die gewünschte Zielgruppe ins Bewusstsein ruft. Diese Erkenntnisse liegen jeder erfolgreichen – eigenen oder in Auftrag gegebenen – Online-Kampagne zugrunde.» In einem nächsten Schritt gilt es, hochwertige Bilder und Videos zu erstellen. Sie sollten von guter Qualität und nicht zu lang sein. Emojis oder Hintergrundmusik können sinnvoll eingesetzt werden. Bei Videos sind Untertitel zu empfehlen, dafür gibt es inzwischen auch kostenlose Online-Programme. Hilfreich sind auch Aussagen von Mitarbeitenden, die das Unternehmen ins rechte Licht rücken.

Schliesslich werden die Inhalte in den sozialen Medien ausgespielt, in der Regel auf Facebook und Instagram – um Lernende anzusprechen, kommt auch TikTok infrage. Wichtig sei dabei die genaue Zielgruppenansprache, das sogenannte Targeting, betont Stalder: «So werden die Anzeigen und Imagefilme nur bestimmten Personen angezeigt. Zu den sinnvollen Kriterien zählen die Wohnregion oder persönliche Interessen.» In der Regel lohnt es sich, mehrere verschiedene Anzeigen zu erstellen und ihren Erfolg mit der Hilfe von Datentracking (zum Beispiel Meta Pixel) zu testen. Die digitalen Inhalte können gelikt, geteilt oder an Freunde weiterempfohlen werden und sorgen für regionale Sichtbarkeit. Will man noch einen Schritt weitergehen, bieten etwa Werbepartner wie «Meta Audience Network» die Möglichkeit, die Online-Anzeigen in Websites und kostenlosen Apps auszuspielen. So werden auch Personen ausserhalb der sozialen Medien erreicht.

Niederschwelliger Erstkontakt

Eine Erfolg versprechende Online-Kampag-nenform sind «Blitzbewerbungsprozesse», die sich direkt am Handy durchspielen lassen: «Mit quizähnlichen Fragen gibt eine Person erste Informationen wie Ausbildung oder Berufserfahrung über sich preis und erhält gleichzeitig Einblicke ins Unternehmen», erklärt Stalder. Das mühselige Zusammenstellen von Bewerbungsunterlagen entfällt, die Hemmschwelle für einen ersten Kontakt sinkt markant.

Diese Kombination aus guten Social-Media-Inhalten und Kurzbewerbung wird auch als «Social Recruiting» bezeichnet und hat einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zu klassischen Jobinseraten werden nicht nur aktiv Stellensuchende erreicht. Dies hat auch Christian Acklin, Marketingverantwortlicher beim Hersteller von Lernmobiliar und Innenausbau Mobil Werke in Berneck SG, während der Personalsuche mit Risem so erlebt: «Viele Arbeitnehmende sind zwar nicht komplett zufrieden mit ihrer Jobsituation, haben sich aber bisher noch nicht um einen Wechsel bemüht, und auch ihre Unterlagen sind nicht à jour. Diese beträchtliche Zielgruppe ist für Unternehmen interessant. Wir haben mit der Kampagne für drei Stellen in drei Monaten über 40 Anfragen erhalten.»

So viele Bewerbungen wie noch nie

Doch was bedeutet dies nun für KMU? Nach einem gewissen Initialaufwand – Bilder und Videos müssen erstellt und die Texte freigegeben werden – lassen sich die Inhalte beliebig lange und mehrmals ausspielen und bilden ein stabiles Fundament, um sich als Unternehmen zu positionieren. «Ich würde jederzeit wieder auf diese Form der Personalsuche setzen», bestätigt Jochen Ganz, Inhaber des Fensterspezialisten Quadra Ligna aus Basel. «Zu unserer Kernkompetenz zählt die Renovation historischer Fenster, und wir stellen an unsere Mitarbeitenden überdurchschnittliche handwerkliche Anforderungen. In sechs Wochen haben wir über 25 Bewerbungen erhalten, konnten zwei Personen einstellen und sind mit einer weiteren im Gespräch.» In Kürze wird Quadra Ligna eine leitende Position ausschreiben. Ganz ist gespannt, ob die digitale Rekrutierung auch in diesem Fall zum Erfolg führen wird.

Stalder hat mit seiner Firma schon mehr als 130 Unternehmen begleitet. Er sieht für die Schreinerbranche grosses Potenzial: «Viele Betriebe leisten Bemerkenswertes, sprechen aber kaum darüber. Eine Online-Kampagne bringt regionale Sichtbarkeit – auf Facebook und Co. tummeln sich nicht nur mögliche Mitarbeitende, sondern auch potenzielle Kundschaft.»

www.risem.chwww.mobilwerke.chwww.quadraligna.ch

Rahel Meister

Veröffentlichung: 09. Mai 2024 / Ausgabe 19/2024

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