Die Schreinerin im Bergdorf


Feldis liegt auf 1470 Metern und ist seit 2015 Teil der Gemeinde Domleschg in der Region Viamala. Bild: Helen Oertli
Feldis liegt auf 1470 Metern und ist seit 2015 Teil der Gemeinde Domleschg in der Region Viamala. Bild: Helen Oertli
Betriebsnachfolge. Die Schreinerei Barandun in Feldis ist ein Familienprojekt. Was der Grossvater in den Vierzigerjahren aufgebaut hat, will die Schreinerin Sara Barandun weiterführen – und das auch mit einem Kleinkind. Möglich ist das, weil die ganze Familie mit anpackt.
Eine schmale Strasse führt hinauf nach Feldis. Die letzte Kurve quert einen dichten Nadelwald. Dahinter liegt das Bündner Bergdorf auf 1470 Metern über Meer – 140 Einwohner, ein Dorfladen, eine Sesselbahn und die Schreinerei Barandun. 1939 gründete Paul Barandun den Betrieb. Die Werkstatt und das Haus daneben baute er selbst. 1987 hat sein Sohn Gion Barandun (69) die Leitung übernommen. Dass einmal die Enkelin Sara Barandun (30) den Familienbetrieb weiterführen wird, ist heute schon klar. «Wann und wie genau, das wird sich noch zeigen», sagt die junge Frau gelassen. Es ist Znüni-Pause am groben Steintisch vor dem Elternhaus. Rechts sieht man die rote Gondel anfahren. Vom Bergpanorama – Piz Beverin, Tödi, Ringelspitz und Calanda – erkennt man heute wenig.
Sara Barandun nippt am Kaffee. Glitzernde Ohrringe, eine breite Goldkette über dem weissen T-Shirt, Arbeitshose und an Händen und Armen zahlreiche Tattoos. Ein «Bergmeitli» stellt man sich anders vor. Seit 2013 arbeitete sie im elterlichen Betrieb. Bereits die Lehre hat sie hier gemacht. Gegen den Rat der Eltern. Doch nachdem sie die kaufmännische Lehre unten im Tal zwar begonnen, aber bald abgebrochen hatte, dann im Service und später bei einem Fensterbauer gearbeitet hatte, waren ihr die auswärtigen Arbeitserfahrungen genug. Hier im Dorf, zusammen mit dem Vater, wollte sie lernen und arbeiten. «Und das klappt gut», erzählt sie. Vater und Tochter seien sich ähnlich. Sie könnten in Ruhe nebeneinander arbeiten. Dabei hilft auch, dass sie Privates und Geschäftliches trennen.
Arbeit gibt es genug für die Baranduns. Sowohl in der Umgebung als auch in Feldis selbst. Viele der bestehenden Bauten werden renoviert, immer wieder gibt es Ersatzbauten und auch einige Neubauten. Dabei kommt oft die Schreinerei Barandun zum Zug. Der Betrieb hat sich auf den Innenausbau und die Bearbeitung von Massivholz spezialisiert. In der Werkstatt werden Türen, Holzfenster oder Schränke hergestellt. Oft würden sie heute jene Ferienhäuser reparieren, die vor Jahrzehnten der Grossvater Paul Barandun gebaut habe. In der Ferienzeit herrscht Hochsaison in der Werkstatt. Die Schreinerin repariert dann auch mal eine klemmende Tür, richtet einen Fensterladen. «Auch diese kleinen Dienste sind wichtig», sagt Sara Barandun. Früher habe Vater Gion Barandun winters als Skilehrer gearbeitet, weil es an Aufträgen mangelte. Heute sei das nicht mehr der Fall. In der Nebensaison kümmert sich Sara Barandun zusammen mit ihrer Mutter Susanne zudem um die Vermietung von Ferienhäusern. Man habe rund ums Jahr gut zu tun.
Das Bündner Bergdorf ist nicht nur als Ferienort gefragt, vermehrt wollen sich Städter in der naturbelassenen Umgebung ganzjährig niederlassen. Die meisten Sonnenstunden Graubündens, die einfache Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel und ein intaktes Dorfleben machen Feldis attraktiv. Zwischen den walserisch anmutenden Holzhäusern und den alten Steinhäusern finden sich deshalb auch zeitgenössische Häuser. «Auch wenn es wichtig ist, das alte Dorfbild zu erhalten, leben soll es trotzdem», ist Sara Barandun überzeugt. Nebst den zahlreichen Ferienwohnungen brauche es auch Wohnraum für junge Familien, die hier wohnen. Sara Barandun hat für sich und ihren Partner ein altes Haus am Dorfrand gefunden. Nachdem sie mit 18 ausgezogen war und im Tal wohnte, ist sie vor drei Jahren wieder nach Feldis zurückgekehrt. «Es hat gutgetan, mal woanders zu leben. Aber jetzt geniesse ich es, hier zu sein.» Mit ihrem Hund – einem Rottweiler, den alle nur «Bär» rufen – durch den Wald streifen, Pilze suchen, Schafgarben pflücken: Das habe ihr gefehlt. Und sowieso, seit letztem April ist vieles anders.
Durchs offene Fenster hört man vergnügt ein Baby brabbeln. Luna, Sara Baranduns Tochter, bekommt ihren Brei. Nach dem viermonatigen Mutterschaftsurlaub hat sie in der Schreinerei wieder zu arbeiten begonnen. Zum Einstieg an zwei Tagen die Woche. Dann darf Luna zur Grossmutter. Derweil sägt die junge Mutter an der Kreissäge Holz zu oder montiert einen Fensterrahmen. Das Kind in guten Händen und in nächster Nähe zu wissen, so ist ihr der Wiedereinstieg leichtgefallen. Und arbeiten, das tut sie gern. «Im Familienbetrieb muss man anpacken können. Manchmal können die Tage lang werden, aber wenn man gerne macht, was man tut, dann muss man keinen Tag lang schuften», zitiert Barandun frei nach Konfuzius und lacht. Vielleicht lässt sich Sara Barandun deswegen in keine Schublade stecken. Weil sie einfach macht, was sie möchte.
Wenn die Arbeit doch einmal zu viel zu werden droht, dann kann sie auf die Hilfe ihres Partners Artan zählen. Der gelernte Maler arbeitet in Domat/Ems, packt aber immer wieder in der Schreinerei an: Er hilft dabei, das Holz zu stapeln oder eine schwere Tür zu montieren. Die Schreinerei Barandun ist ein Familienprojekt. Vater, Mutter, Tochter und Partner – alle tragen zum Gelingen bei. Und wie sieht die Zukunft aus?
Eine Schreinerei zu führen, verlangt vielfältiges Wissen: unterschiedliche Techniken und Materialien, diverse Büroarbeiten, die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten. Es kommt einiges an Verantwortung zusammen, dessen ist sich Sara Barandun bewusst. Wie die Schreinerei später einmal aufgestellt werden soll, ob man wieder Mitarbeiter anstellen will – all diese Fragen sind noch offen. «Ich weiss es jetzt nicht, aber das muss ich auch noch nicht», sagt Barandun. Was die Schreinerin hingegen sicher weiss: «Die Bude will ich später einmal übernehmen.»
Veröffentlichung: 11. März 2021 / Ausgabe 11/2021
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