Der Reiz des Unbekannten
Regelmässige Besprechungen sind Teil des Prozesses (v. l.): Benjamin Wirz, Jean-Francois Thalmann, Pascal Hiltbrunner, Kurt Rüedi und Sylvain Bigler. Bild: PD
Regelmässige Besprechungen sind Teil des Prozesses (v. l.): Benjamin Wirz, Jean-Francois Thalmann, Pascal Hiltbrunner, Kurt Rüedi und Sylvain Bigler. Bild: PD
Betriebsnachfolge. Nicht immer ist die Suche nach Nachfolgern von Erfolg gekrönt. Doch im Falle der Badertscher Innenausbau AG in Bern stehen drei einstige Lernende als Rückkehrer in den Startlöchern. Damit es klappt, muss nicht nur die Chemie stimmen, sondern auch der Fahrplan.
Nebst der Gründung und Etablierung eines Unternehmens ist die Übergabe an neue Eigentümer die anspruchsvollste Aufgabe in der Firmengeschichte. Der Prozess dauert in der Regel viele Jahre und ist nicht immer von Erfolg gekrönt, wie auch in der Schrei-nerbranche zu beobachten ist. Als Benjamin Wirz, Sylvain Bigler und Pascal Hiltbrunner vor nicht allzu langer Zeit ihre Schreinerlehre bei der Badertscher Innenausbau AG in Bern abschlossen, lag ein eigener Betrieb in weiter Ferne. Doch nun, kaum zehn Jahre später, bereitet sich das Trio im Alter von Mitte zwanzig bis Anfang dreissig auf die Übernahme ihres einstigen Lehrbetriebs vor. Auf 1. Januar 2026, das steht heute fest, werden sie die neuen Eigentümer werden, als Nachfolger von Jean-François Thalmann und Kurt Rüedi. Die beiden haben den Betrieb ihrerseits im Jahr 2011 von der Gründerfamilie Badertscher in einem Management-Buy-out übernommen. So wiederholt sich gewissermassen die Geschichte. «Es ist schon ein Glücksfall, dass drei ehemalige Lernende zurückgekommen sind und den Betrieb als neue Eigentümer weiterführen wollen», sagt Rüedi. Er ist seit 34 Jahren in der Firma tätig, seit drei Jahrzehnten Produktionsleiter und Lehrlingsausbildner. Er hat 35 Lernende erfolgreich begleitet. Alle drei Nachfolger haben nach der Lehre anderweitig Luft geschnuppert und sich weitergebildet, sei es betriebswirtschaftlich oder technisch. Das Rüstzeug bringen die drei nun mit. «Und nebst dem Können braucht es ein Wollen. Wir blieben immer lose im Gespräch und haben irgendwann festgestellt, dass die Chemie stimmt», sagt Thalmann. Das ist spürbar im Gespräch mit Pascal Hiltbrunner, vielleicht liegt es daran, dass beide begeisterte Sportler sind.
Jean-François Thalmann und Kurt Rüedi haben frühzeitig eine Roadmap bzw. einen Masterplan für ihre Nachfolgeregelung vorbereitet, der wie ein Fahrplan die entscheidenden Etappenziele in der Übergabe aufzeigt. Ein Beispiel einer solchen Roadmap findet sich auf der Website des VSSM (Direktlink mit nebenstehendem QR-Code). Pascal Hiltbrunner hat in seiner Diplomarbeit zum diplomierten Betriebswirtschafter HF das Thema Betriebsnachfolge seinerseits behandelt.
«Ein wichtiger Unternehmensentscheid fiel allerdings noch bevor die Frage der Betriebsnachfolge aktuell wurde», erklärt Thalmann. «Die Erbengemeinschaft, der das Schreinereigebäude gehörte, hat entschieden, die Liegenschaft zu verkaufen, also mussten wir einen neuen Standort suchen.» Nach langem Suchen konnte die Badertscher Innenausbau AG eine grosse Halle angrenzend an den schon bestehenden zweiten Firmenstandort mieten. Dort können die Nachfolger nun eine Werkstatt nach ihren Vorstellungen einrichten. «Das ist wie ein Sechser im Lotto und gibt eine gute Perspektive für die Zukunft», sagt Thalmann. Selbstredend ist nicht nur Glück im Spiel, wenn es um die Betriebsnachfolge geht, sondern auch viel Arbeit – für alle Parteien. Und hier ist vor allem eines angesagt: «Reden, reden, reden.» Das bedeutet: Sowohl die abgebende als auch die übernehmende Partei trifft sich regelmässig zu Gesprächen, an denen die anstehenden Punkte besprochen werden. «Es darf keine Tabus geben, alles soll angesprochen und ausdiskutiert werden», betont Pascal Hiltbrunner. Und was es nach diesen Vorgesprächen zu klären gibt, kommt dann bei den gemeinsamen Gesprächen der beiden Parteien auf den Tisch. Von Vorteil ist im Fall der Firma Badertscher sicherlich, dass Thalmann Erfahrung als Dozent für Betriebsorganisation und Marketing an der BFH Holz in Biel mitbringt. Der Techniker HF Holztechnik ist zudem als Coach und Mentaltrainer tätig und hat seit 2008 eine eigene Beratungsfirma, welche der heute 57-Jährige weiterführen wird.
Ein häufig strittiger Punkt bei Übergaben ist die Bewertung des Betriebs. «Hier kommt es oftmals zu grossen Diskussionen», weiss Thalmann. Bei der Badertscher Innenausbau AG gab es drei Betriebsbewertungen. Die erste Bewertung liessen Thalmann und Rüedi durch ihren Treuhänder erstellen. Eine zweite berechnete Hiltbrunner im Rahmen der erwähnten Diplomarbeit, die dritte machte die Abteilung Technik und Betriebswirtschaft des VSSM. Und alle drei seien plus/minus zum gleichen Resultat gekommen. Das bot letztlich wenig Raum für Diskussionen. Da die Badertscher Innenausbau AG mit ihrer Tochterfirma, der Propanel GmbH, keine Liegenschaften besitzt, ging es lediglich darum, die Firma mittels der sogenannten Praktiker- Methode zu bewerten. Die Propanel GmbH wird bereits heute von Sylvain Bigler geleitet, der perfekt deutsch und französisch spricht.
Auch wenn die Hauptpunkte geklärt sind und der Fahrplan steht: Es wird noch manche Diskussionen geben bis zur Züglete Ende 2025. Doch Pascal Hiltbrunner hat keine schlaflosen Nächte. «Das ist wohl meiner Sportlernatur zu verdanken», sagt er. «Man muss schon beissen können», ist er sich bewusst. Er ist seit drei Jahren retour im ehemaligen Lehrbetrieb und im Verkauf tätig. Die Firma stehe mit ihren drei Standbeinen gut da, trotzdem sei man in Zukunft gefordert. «Und die nächsten beiden Jahre werden für alle arbeitsreich sein», sind sich alle einig. Das bestätigt Benjamin Wirz, der als frisch gebackener Techniker HF Holztechnik einer der neuen Eigentümer sein wird. «Ich habe mir den Schritt gut überlegt. Einerseits muss einem klar sein, dass man sich als Eigentümer für lange Zeit bindet. Andererseits ist es eine einmalige Herausforderung, denn das Ungewisse hat auch seinen Reiz», sagt Wirz.
Die Bereiche Sanitärkabinen und Sicherheit würden nebst dem Handel mit Vollkernplatten die zentralen Geschäftsfelder bleiben. «Bei der konventionellen Schreiner- arbeit dagegen sehe ich weniger Potenzial, da ist der Markt stark umkämpft. Es sei denn, wir bringen etwas komplett Neues mit Alleinstellungsmerkmal auf den Markt ...», blickt er in die weitere Zukunft. Doch vorerst spielt die Musik in der Gegenwart, wo es unter anderem auch darum geht, im Rahmen des Umzugs die Digitalisierung des Betriebs voranzubringen. «Unsere jetzige Werkstatt hat zugegebenermassen etwas Nostalgisches», gesteht Noch-Eigentümer Jean-François Thalmann ein. Am neuen Standort weht ab Anfang 2026 ein neuer Wind.
www.badertscher.chwww.propanel.chwww.merlas.chVeröffentlichung: 26. Oktober 2023 / Ausgabe 43/2023
Nachfolgeregelung. Die Stadtbasler Schreinereien Voellmy und Tschudin bündeln ihre Kräfte für die Zukunft. Die 1895 gegründete Voellmy AG wird ab dem 1. Januar 2025 ihre Kompetenzen und ihre operativen Tätigkeiten im Privatkundenbereich in das neu geschaffene Dienstleistungsangebot «Holzmanufaktur Voellmy» der 85-jährigen Tschudin AG einbringen.
mehrReform Weiterbildung. 2025 tritt ein reformiertes Weiterbildungssystem für die höhere Berufsbildung (HBB) in Kraft. Die umfassenden Anpassungen versprechen eine bessere Qualifizierung, mehr Flexibilität und praxisorientierte Lerninhalte.
mehrPaidPost. Die orangefarbenen Service-Busse von Schreiner 48 stehen im Dauereinsatz. Möglich ist das nur, dank dem Garagist Philipp Huber und seinem Team
mehr