Der harte Kern setzt auf Innovation
Die Wahl des Materials für den Kern des Skis ist eines der Geheimnisse der Schweizer Skimanufakturen. Bild: Timbaer Manufaktur
Die Wahl des Materials für den Kern des Skis ist eines der Geheimnisse der Schweizer Skimanufakturen. Bild: Timbaer Manufaktur
Wintersport. Ski ist nicht gleich Ski, doch wo liegen die Unterschiede? Schweizer Manufakturen arbeiten an Weiterentwicklungen, aber nicht überall, wo Schweiz draufsteht, ist auch Schweiz drin. Die Schreinerzeitung hat einigen Skibauern über die Schulter geschaut.
Warum tüftelt Roland Thomke, Eigentümer der Skimarken «Fjell» und «Rebell» in Bellach SO, weiter am hochwertigen Ski aus Schweizer Herstellung? Nach Angaben der grossen, weltweit operierenden Hersteller werden derzeit rund 70 Prozent der Ski auf dem Weltmarkt für den Verleih produziert, sagt Thomke. Ein grosser Teil davon lande bereits nach einer Saison im Schredder. «Nachhaltig ist anders», sagt Thomke. Solche Ski seien in der Regel mit einem Schaumkern gefertigt, die Lebensdauer dieser Bauweise sei deutlich kürzer als beim traditionellen Sandwichbau.
Zwar überdauern Ski im Schweizer Verleihmarkt deutlich länger, aber Manufakturen hierzulande wollen dem schnelllebigen, weltweiten Trend etwas entgegensetzen. «Wir setzen auf Käufer eines langlebigen Skis, der in klassischer Sandwichbauweise mit verleimtem Schicht-Holzkern gefertigt wurde», sagt Thomke, Vorstandsmitglied der Fachgruppe Wagnerei & Skibau des VSSM. Fünf Jahre und länger habe man damit Freude am Fahren, auch im Verleih würde so ein Ski drei Jahre überdauern – zugegeben im Hochpreissegment.
Doch die Holzkerne werden aktuell weitgehend beim slowenischen Hersteller Si-Core bezogen seit der Schweizer Traditionsbetrieb Hess 2022 die Produktion einstellte. Qualität und Wertschöpfung will der Fachmann Thomke wieder in die Schweiz holen. Walter Zürcher, Geschäftsleiter des Furnierverarbeiters Tavapan in Tavannes im Berner Jura, ist Thomkes Mitstreiter. Seit anderthalb Jahren experimentiert Zürcher am Holzkern. Er zeigt am Rohling die verklebten Furnierschichten aus Buche, Esche und Pappel zwischen 2,0 und 3,5 mm dick. Je nach Nutzung werden bis zu 20 Lagen geschichtet. «Perfekt gemessertes Furnier und gleichbleibende Luftfeuchtigkeit sind zwingend», sagt Zürcher. Verwendet werden Laubhölzer europäischer Herkunft: Buche wegen der Härte, Esche wegen der Elastizität und Pappel wegen der Leichtigkeit. Drei Arbeitsschritte braucht es bis zum Rohling: Kleben, Pressen, Sägen. In den Werkhallen führen grosse Maschinen diese drei Arbeitsgänge aus. Aufgrund der Furnierstärken muss bereits nach zwei verleimten Schichten das Ergebnis gemessen und bei Bedarf neu kalibriert werden. «Elastizität, Schwingungsdämmung und Laufruhe sind bei einem solchen Ski besonders, ausserdem lebt er sehr lang.» Zürchers Ziel ist es, künftig auch die grossen Hersteller damit bedienen zu können. Zwar handle es sich um ein sogenanntes Re-Engineering einer bekannten Rezeptur. «Doch bisher ist es für meinen Betrieb ein Entwicklungsprojekt, an dem ich noch keinen Franken verdient habe», sagt Zürcher. Und Thomke ist sich sicher: «Es braucht Menschen, die bereit sind, solche Pionierarbeit zu leisten, sonst kommt der Schweizer Werkplatz nicht voran.» Thomke war in der Entwicklung bei Produzenten wie Atomic in Österreich und Nordica in Italien tätig. In Österreich qualifizierte er sich als Skibautechniker. Als alter Hase lancierte er 2015 seine eigene Marke «Fjell». Ende 2022 gelang es ihm, die Markenrechte von «Rebell» zu erwerben. Ein Trendski, der in den Siebzigerjahren teilweise in Thun produziert wurde. Bewusst habe er beiden Marken verschiedene Fahreigenschaften verliehen, damit sie sich nicht konkurrenzieren. Sein Reich als Skibauer ist eine Fabrikhalle, ringsum an den Wänden stapeln sich Kartons und jede Menge farbiger Kunststoffboxen mit diversen Einzelteilen für die Ski und die Bindungsplatten. In der Halle stehen auch zwölf Ski-Bearbeitungsmaschinen – darunter drei Schleifroboter.
Roland Thomke zeigt einen vertikalen Schnitt durch einen Ski aus seiner Produktion in Sandwichbauweise. Der Deckbelag aus transparentem ABS ist auf der Unterseite mit einem kratzfesten Design bedruckt. Der Kunststoff wird mit einer Glasfaserschicht verleimt, es folgt eine Aluminiumeinlage und darunter der Holzkern mit den angeklebten Seitenwangen aus ABS oder Phenol. Viele unterschiedliche Schichtungen seien – je nach Skiart – möglich. Die Unterseite bildet die Gleitfläche aus Polyethylen und die Stahlkanten. Die einzelnen Lagen werden durch Hitze und Druck miteinander verbacken, die Spitze gebogen. Ein komplexer Fertigungsprozess, der über 50 Arbeitsschritte umfasse und zum Teil sehr teure Maschinen, wie etwa einer geeigneten CNC- Fräse. Für einige Produktionsschritte mietet sich Thomke bei spezialisierten Firmen ein. Für die Produktion ergibt sich so ein regionaler Verbund von 25 Firmen. Die Montage der Bindungsplatten – ebenfalls eine Eigenentwicklung – organisiert er mit einer Eingliederungswerkstätte in Solothurn.
In seiner Werkstatt paart er die Ski an einer Maschine inklusive Schwingungsabstimmung. «Diese ist wichtig bei der Montage von Platte und Bindung und hat entscheidenden Einfluss auf die Fahreigenschaften», weiss Thomke. Danach wird die Seriennummer eingestanzt. Belag und Stahlkanten schleift er fixfertig. Dann legt er die Ski in eine Lochbohrmaschine ein, die er mit Studenten einer Fachhochschule entwickelt hat. Zum Abschluss werden sie gewachst und paarweise verpackt. Ungefähr 500 Paar verkauft er in einer Saison, bewährt hat sich für ihn die Verkaufsstrategie ausschliesslich über den Sportfachhandel.
Thomke setzt auf das Gütesiegel «Swiss Label». Es verlangt eine Mitgliedschaft, und der Hersteller belegt, dass 70 Prozent der Herstellkosten seines Produkts sowie der wesentliche Fertigungsschritt in der Schweiz liegen. Die Lieferanten werden turnusmässig überprüft. Lohnt sich der Aufwand? «Für die Schweizer Wertschöpfung allemal», meint er. Kein Hersteller könne alles Material aus der Schweiz beziehen, entscheidende Betriebe seien abgewandert, oder es gäbe sie nicht mehr.
Auf das «Swiss Label» setzt auch René Unternährer, Skibauer in Doppelschwand. Seine Werkstatt liegt inmitten des Biosphärenreservats Entlebuch. Unternährers handgefertigte Ski haben einen Holzkern, und das Deckblatt besteht aus Holz. 2012 lancierte er die Marke «Swiss Massiv» und baut auch den Schreinerski des VSSM. Er ist pensionierter und passionierter Skibauer. 30 Jahre lang war er beim Marktführer Stöckli tätig. Mittels Vorrichtung modelliert er die Höhenkurve des Bambuskerns von Si-Core, was für die Schwingung des Skis mitentscheidend ist. Er halte 200 Skitage und mehr. Die Materialschichten für die Sandwichbauweise fräst er selbst und führt an einer raumfüllenden Maschine den kompletten Press-, Klebe- und Biegevorgang durch. «Neun Stunden dauert es, einen Ski zu fertigen», sagt Unternäher. Pro Saison verkauft er an die 300 Paar über seinen Showroom sowie online.
Ski von «Swiss Massiv» sind Unikate. Jede Holzmaserung verläuft individuell, jeder Ski sieht einzigartig aus. Meist verwendet Unternährer heimische Ulme als Deckholz. «Die vielen miteinander verklebten Schichten des Verbundskis sind schwer rezyklierbar», sagt Unternährer. Um die Ökobilanz seiner Ski zu verbessern, hat er die flexiblen und stabilen Bambusfasern in die Holzkerne eingearbeitet. Mit Mateuzsz Wielopolski, Experte an der ETH Zürich für nachhaltige Materialien, brachte er nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit 2022 den Ski «eco peak» zur Marktreife. Er funktioniert mit einer Hybrid-Kerntechnologie aus Holz und Bambus. Diese Kerne sind in neuartige Skikonstruktionen verpackt. «So können die verschiedenen Materialgruppen am Ende des Skilebens in einer Art Essiglösung wieder voneinander getrennt werden», erklärt Unternährer. Den Rückbau und die Rückführung übernimmt er selbst.
Zwei noch junge Hasen im Skigeschäft sind Dano Waldburger und Andreas Dobler, die 2016 ihre Manufaktur «Timbaer» in Appenzell-Steinegg gründeten. Mit Doblers Abschlussarbeit der Schreinerausbildung, einem inzwischen patentierten, schichtverleimten Skikern, stand das Produkt bei der Gründung fest. «Der Kern ist unser Alleinstellungsmerkmal», sagt Waldburger. Die Vorgaben der Jungunternehmer sind höchste Qualität, Fertigung von A bis Z in Appenzell in Sandwichbauweise, meist mit einem Deckblatt aus Nussbaum. Alle dafür notwendigen Maschinen, zum Beispiel eine Presse «Marke Eigenbau», sowie eine neuartige CNC-Maschine sind vorhanden. Bis auf den Bambus für den Skikern kämen alle Materialien aus der DACH-Region. Pro Saison werden rund 400 Paar Ski produziert. Fünf Mitarbeiter stemmen die Ski- und die angegliederte Möbelfertigung. «Das am zweitbesten verkaufte Produkt nach allen Skimodellen sind die Führungen in unserer Werkstatt», sagt Waldburger. Skibegeisterte Schweizerinnen und Schweizer wollten sehen, was und wie produziert wird.
Wie blicken Waldburger und Dobler in die Zukunft? «Es hat niemand am Markt auf dich gewartet. Wenn du das machst, was alle machen, hast du keine Chance», sagt Waldburger. So bot «Timbaer» in der Schweiz das erste Online-Bestellsystem mit Bindungsprüfung von Zuhause aus an. Die Firma setzt weiter auf den Online-Handel und bieten weiterhin Herstellung, Marketing und Verkauf aus einer Hand. Neuerungen sind für Waldburger das eine, nachhaltige Produktionsweise das andere. Und wie verträgt sich das mit dem Bambus aus Asien? «Bambus wächst in acht Jahren nach, die Esche hingegen braucht 80 Jahre.» Zudem stehe die Esche wegen des Triebpilzes auf der roten Liste. «Die Bambusfaser verläuft gerade, wie eine Schnur, und ist überdurchschnittlich stabil. Dadurch ist der Kern langlebiger, und die Kundschaft hat länger Freude», sagt Waldburger. Der Verschnitt bei Esche betrug 20 Prozent, beim Bambus maximal zwei. Die Ökobilanz sei auch mit Transport besser.
www.fjell.swisswww.rebell.swisswww.swissmassiv.chtimbaer.ch
Stöckli ist Marktführer unter den einheimischen Skibauern. Eine Handvoll Betriebe produziert Kleinstserien, so zum Beispiel die Marken R11, Oxess, Birdos, Woodspirit. Etwa ein Dutzend Manufakturen behaupten sich am Markt. Dazu zählen Hersteller wie etwa Molitor, er geht auf den erfolgreichen Schweizer Skirennfahrer der Vierzigerjahre Karl Molitor zurück. Weiter RTC, der bereits mehr als 20 Jahre am Start ist, oder Kessler, der über Snowboards zum Skibau fand. Weiter zu nennen ist Sascha Städeli, ein Newcomer, der als Schreiner zum Skibau kam, und der im Jahr 2018 gegründete Betrieb Anavon. Es gibt aktuell rund 30 Schweizer Firmen, die Ski anbieten. Von diesen produzieren aber nur zwölf tatsächlich in der Schweiz, die übrigen im nahen oder fernen Ausland.
www.wagnerei-skibau.chVeröffentlichung: 19. Dezember 2024 / Ausgabe 51-52/2024
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