Da vergeht dem Dieb die Lust

Eine Voraussetzung für RC3: Fünf Minuten muss die Tür dem Angriff mit Brecheisen widerstehen. Bild: Shutterstock

Einbruchhemmung.  Schreiner können Einbrechern die Tour vermasseln. Der Einbau von einbruchhemmenden Türen ist ein wichtiger Baustein. Fachbetrieben stehen dafür mehrere Wege offen, um geprüfte und zertifizierte Bauelemente zu realisieren.

Die gute Nachricht lautet: Widerstand ist nicht zwecklos. «Wenn eine Tür nur schwer aufzubrechen ist, dann kann dem Einbrecher durchaus die Lust vergehen», sagt Gerhard Rasch, Projektleiter Technik und Betriebswirtschaft beim VSSM in Wallisellen ZH. Das spiegeln auch die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik wider. Danach bleibt es für ein Drittel der Straftäter lediglich bei dem Versuch einzubrechen.

Weniger gut ist dagegen, dass ein professioneller Einbrecher im Grunde jede Hürde überwinden kann, wenn er das unbedingt will. Das Zünglein an der Waage sind deshalb Türen und Fenster oder besser gesagt, deren Widerstand gegen einen gewaltsamen Zutrittsversuch. Denn wie sonst soll ein Dieb ins Gebäude kommen, wenn nicht über diese Öffnungen. In der Schweiz passiert das relativ häufig. Im Durchschnitt des vergangenen Jahres etwa 75 Mal pro Tag. Dazu kommen noch rund 25 Fälle täglich, bei denen nicht gewaltsam eingebrochen wird, sondern der Dieb sich einschleicht. Zwar entwickeln sich die Zahlen für Einbrüche laut Bundesamt für Statistik seit Jahren rückläufig, doch sind rund vier Einbrüche je tausend Einwohner im internationalen Vergleich immer noch hoch. Vor allem, wenn man mit Deutschland und Österreich vergleicht, wo die Verhältniszahl unter 1,5 liegt.

Die Tour ordentlich vermasselt

Laut der Fachstelle Schweizerische Kriminalprävention (SKP) werden die meisten Einbrüche mit einfachen Werkzeugen wie einem Schraubenzieher oder einem Stemmeisen verübt. Die passen in jede Jackentasche. Was die SKP ebenfalls aus Erfahrung weiss: Die Einbrechenden sind meist nicht besonders risikofreudig, sondern wollen unbemerkt und so schnell wie möglich ihren Einbruch durchführen. Ist der Widerstand gross, weil Fenster und Türen gut gesichert sind, würden die Übeltäter in der Regel bereits nach wenigen Minuten aufgeben, so die interkantonale Fachstelle.

Entsprechend der Risikoeinschätzung und der damit verbundenen Ausführung einer Tür und deren Widerstandsdauer gegenüber definierten Attacken werden sechs Widerstandsklassen unterschieden. Die alte Kurzbezeichnung «WK» wurde mit den gültigen Normenwerken SN EN 1627–1630 durch das Kürzel «RC» für «Resistance Class» ersetzt. Besonders interessant für Holzwerkstofftüren sind die Klassen RC2 bis RC4. Höhere Klassen werden selten in Holz ausgeführt, und die Klasse RC1 hat kaum praktische Relevanz hinsichtlich Schutzwirkung und baulicher Ausführung.

Keinen Bruch gehoben

Entscheidend für die Klassifizierung sind die Dauer des Widerstands und die beim Einbruch eingesetzten Werkzeuge. Bei einer RC2-Tür setzt der Prüfingenieur als Gelegenheitstäter Schraubenzieher, Zange und Keil ein. Die Tür muss der Attacke dabei mindestens drei Minuten standhalten.

In der nächsthöheren Klasse RC3 schafft es die Tür, dem gleichen Tätertyp fünf Minuten Widerstand zu leisten, obwohl dieser zusätzlich ein gröberes Hebelwerkzeug verwenden darf.

«Der Unterschied zwischen drei und fünf Minuten scheint zunächst nicht viel. Wenn die Tür aber dem Einbruchversuch mit einem Geissfuss von etwa 80 cm Länge über fünf Minuten standhält, dann ist das ein Riesenschritt zwischen RC2 und RC3», sagt Rasch. Denn dabei käme die Doppelstrategie solcher Massnahmen voll zum Tragen. Entweder wird es dem Einbrecher verleiden, weil er nicht schnell zum Erfolg kommt, oder aber er muss so viel Lärm erzeugen, dass er dabei Gefahr läuft, unfreiwillig auf sich aufmerksam zu machen.

RC4-Türen sind in Holzwerkstoffen noch machbar, werden aber nur vom spezialisierten Profi angeboten. Dann mit zehn Minuten Widerstandszeit, auch wenn ein erfahrener Täter mit Säge und Schlagwerkzeugen zugange ist. «Damit können mit Holzwerkstofftüren die gängigen Klassen abgedeckt werden und ganz wichtig: dies bei relativ freier Gestaltung der Tür durch den Schreiner», sagt Rasch. Dies sei eine grosse Chance für die ganze Branche, denn für den Privatbereich werden Türen ab RC2 und für den gewerblichen Einsatz solche ab RC3 empfohlen.

Die Norm gibt den Takt vor

Einbruchhemmend nach der RC-Klassierung können nur Türen mit entsprechend erfolgreich absolvierter Prüfung sein. Die Türenhersteller prüfen teils durch Institute, teils im eigenen Haus. Die Zertifizierung jedoch erfolgt immer durch einen unabhängigen Gutachter. Bezeichnungen wie «baugleich» oder «geprüft» sagen nichts aus. Die Einbruchprüfungen nach SN EN 1627 bis 1630 sind klar definiert und praxisgerecht gestaltet. So will man sicherstellen, dass die Gesamtkonstruktion aus Türblatt, Rahmen oder Zarge, Schloss und Beschlag keinen Schwachpunkt enthält. «Einen RC3-Rohling gibt es nicht. Es ist immer das ganze Element inklusive des Bauanschlusses zu betrachten», erklärt Martin Brübach, zuständig für die Entwicklung bei Brunex in Brunegg AG.

Die alten WK-Klassen werden als sachlich gleichwertig angesehen. Wird in einer Ausschreibung jedoch das Prüfzeugnis nach SN EN 1627 gefordert, muss das Bauteil den Nachweis der RC-Klassen tragen. Die Montage selbst ist aber nicht Bestandteil der Prüfung. «Diese wird vom Lizenzgeber oder vom Hersteller als schriftliche Montageanleitung mit zur Prüfung gegeben. Darin sind alle Details eindeutig beschrieben und damit zwingend einzuhalten», erklärt Rasch.

Einbruchhemmung ist gesellig

Wer geprüfte, einbruchhemmende Türen anbieten will, dem stehen drei verschiedene Wege offen. Die einfachste Variante ist, das fertige Element, Türrohling und Rahmen beim Türenhersteller zu beziehen. Damit ist sichergestellt, dass die geforderten Eigenschaften erfüllt werden. Nachteilig sind die geringere Wertschöpfung und die eventuell beschränkten Möglichkeiten hinsichtlich Sondermassen oder spezieller Ausführungen. Dann kann ein Lizenzsystem die bessere Variante sein. Der Systemanbieter, wie etwa der VSSM, ermöglicht die eigene Fertigung der geprüften und zertifizierten Varianten. In beiden Fällen verpflichtet sich der Unternehmer dazu, die Anweisungen bezüglich Herstellung und Montage genau einzuhalten. Die Sicherung der Qualität bei jedem Einzelschritt ist entscheidend für den Erfolg. Ein Pfund, das die Türenhersteller durchaus in die Waagschale legen. «Durch unsere vollautomatische maschinelle Herstellung der Rohlinge garantieren wir eine gleichbleibend hohe Qualität. Manuelle Produktionsarbeiten als Fehlerquelle können wir somit ausschliessen», sagt Christian Kunzelmann, Leiter Verkauf Objektgeschäft bei der RWD Schlatter AG in Roggwil TG. Das Türblatt hat einen ganz wesentlichen Einfluss darauf, ob die Einbruchhemmung am Ende funktioniert oder nicht. «Die Art der Einleimer, welche Stabilisatoren eingesetzt werden, wie die doppelte Beplankung und die Füllung im Detail aussehen – dies kann durchaus unterschiedlich sein», sagt Rasch.

Zielkonflikte können gelöst werden

So kann für Türenspezialisten ein eigenes System als dritter Weg durchaus sinnvoll sein. Jedoch sind die Prüfungen und Zulassungsverfahren zeitintensiv und auch kostspielig. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich die Kombination der Eigenschaften vor Augen führt, denn Einbruchhemmung kommt selten allein. «Meist muss eine Basiskonstruktion weitere verschiedene Anforderungen erfüllen», sagt Brübach.

Eine Eingangstür soll die Einbruchhemmung mit dem Brandschutz, Rauchschutz und auch dem Schallschutz verbinden. Konstruktiv widersprüchlich Ziele sind dabei zu lösen. «Gehen Brandschutz und Einbruchhemmung noch weitestgehend Hand in Hand, kommt es beim Schallschutz durchaus zu einem Zielkonflikt», erklärt Rasch. Denn für einen guten Schallschutz muss konstruktiv entkoppelt und mit eher weichen Materialien gearbeitet werden. Widerstand gegen Einbruch bedingt eine massive, schwere Konstruktion.

Bei Aussentüren kommt noch die Anforderung der Wärmedämmung hinzu. Wie solche Zielkonflikte im Detail gelöst werden, macht am Ende auch den Unterschied zwischen den Systemen und Produkten aus. «Braucht es wegen einer bestimmten Schallanforderung eine weiche Mittellage, verwenden wir ein dickeres Aluminiumblech im Türdeck, um gleichzeitig auch die Einbruchhemmung realisieren zu können», erklärt Kunzelmann.

Gläser trotzen Axthieben

Sollen Glasausschnitte in einbruchhemmenden Türen ausgeführt werden, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Die Gläser selbst bestehen immer aus einer Kombination von Glas und Folien. Es sind also nur Verbund-Sicherheits-Gläser (VSG) einzusetzen. Nach Prüfung werden diese nach SN EN 356 in acht Klassen von P1A bis P8B eingeteilt. Während die ersten fünf Kategorien nur eine Durchwurfhemmung aufweisen, bieten die Gläser der Klassen P6B bis P8B dagegen eine Durchbruchhemmung. Diese Widerstandsklasse wird mittels Axthieben auf eine Scheibe ermittelt. Da sich die Widerstandsklasse auf das ganze Bauteil bezieht, kommt es neben dem Glas selbst auf dessen Einbau in der Tür an. Auch diese Aspekte werden von den Systemgebern exakt geregelt und sind einzuhalten, worin sich wiederum Unterschiede zeigen zwischen den Anbietern. So gibt es geprüfte Elemente, die mittels zusätzlicher Befestigungen des Glases mit Stahlwinkeln die nötige Stabilität für die Einbruchhemmung erreichen.

«Wir arbeiten nicht mit den CNS-Stahlwinkeln, sondern verkleben das einbruchhemmende Glas mit dem Türblatt. Dies hat den Vorteil, dass wir frei in den Glasformen und den Verglasungsdetails wie beidseitig Glasleisten oder gefälzter Glasausschnitt sind», sagt Markus Meier, Leiter Technik, Forschung und Entwicklung der Jeld-Wen Schweiz AG in Bremgarten AG. Nachteilig bei dem System ist, dass ein Glastausch im schlechtesten Fall den Wechsel des ganzen Türblattes mit sich bringt.

Abwehr an allen Punkten

Die zertifizierten Türen sind in der Regel auf Einbruchsversuche von beiden Seiten geprüft. Je nachdem, ob der Angriff auf der Falz- oder Überschlagsseite erfolgt, lassen sich konstruktiv Schutzvorkehrungen treffen, in dem einem Einbrechenden möglichst wenig oder keine Angriffspunkte mit einem Hebelwerkzeug angeboten werden. «Daher sollte der Türflügel auf der Angriffsseite möglichst flächenbündig im Rahmen liegen. Auch die Einbettung des Rahmens in den Mauerfalz ist eine wirksame Massnahme», erklärt Rasch.

Die Systemanbieter weisen auch die Beschläge aus, die für das Erreichen der jeweiligen RC-Klasse verwendet werden müssen. Dabei handelt es sich meist um eine Palette von Möglichkeiten, die den geforderten Eigenschaften entsprechen. Schlösser haben etwa mehrere Schliesspunkte, und die stabilen Bänder weisen zusätzliche Bandsicherungen am Rahmen mit der so wichtigen Falzluftbegrenzung auf.

Mit Sicherheit künftig sicher

«Wir haben in den letzten Jahren viel in das Thema Einbruchhemmung investiert», sagt Dino Rickenbach, Geschäftsleiter der Riwag Türen AG in Arth SZ. Dass Sicherheit künftig zum Anforderungsprofil für Türen gehört, wird von vielen in der Branche erwartet. Das sagt auch Markus Meier: «Das Thema ist in den letzten Jahren vermehrt präsent. Im Vergleich zum Ausland ist der Anteil der Elemente, welche in RC2 oder RC3 ausgeschrieben sind, jedoch verhältnismässig klein. Ursächlich dafür ist die fehlende gesetzliche Vorschrift in der Schweiz. Aber die Tendenz zeigt klar auf, dass zukünftig mehr Elemente in RC3 gefordert werden.»

Massnahmen helfen allen weiter

Auch im Nachhinein kann der Schutz gegen Einbrecher an Türen massgeblich verbessert werden. Geeignete Mittel dazu sind etwa die Montage von Mehrpunktverriegelungen oder Falzluftbegrenzern wie auch Sicherheitsschildern. Auch die Aufdoppelung der Aussenseite einer Eingangstür kann effizient sein, um zu verhindern, dass ein Hebel zwischen Rahmenfalz und Türblatt angesetzt werden kann. Dadurch kann sowohl das subjektive Sicherheitsempfinden gestärkt, als auch effektiv eine Verbesserung des Einbruchschutzes erreicht werden. Der Hinweis darauf, dass solche Massnahmen jedoch nicht zu einem geprüften Produkt nach der Norm führen, scheint angebracht.

www.vssm.chwww.brunex.chwww.rwdschlatter.chwww.jeld-wen.chwww.riwag.ch

 

Sicher noch Potenzial

Die Bevölkerung für sicheres Wohnen sensibilisieren und dabei fachkundig unterstützen – das ist das erklärte Ziel des Vereins «Sicheres Wohnen Schweiz», kurz SWS. Seit gut zwei Jahren gibt es die Vereinigung, der nebst der Polizei, auch Bildungseinrichtungen, Verbände und Unternehmen aus den Branchen angehören, die sich mit Einbruchschutz beschäftigten. «Wir wollen vor allem helfen, den individuellen Einbruchschutz in der Schweiz zu verbessern», sagt Markus Stauffer, Leiter der SWS-Geschäftsstelle in Olten.

Mit einer Stimme sprechen

Ein wichtiges Anliegen der Akteure mit dem komplexen Thema ist, dass Ausbildung, Regelwerke und Beratungen in Form und Inhalt harmonisiert werden. Polizist und Schreiner sollen gewis- sermassen mit einer Stimme sprechen. Denn das hat ganz praktische Auswirkungen. «Ist ein Einbruch geschehen, kann die Polizei vor Ort beraten und den Geschädigten direkt fachkundige Unternehmen für die Soforthilfe und die Verbesserung von Schutzmassnahmen empfehlen. Da Einbrecher in der Regel durch Türen und Fenster ins Haus gelangen, kann die Schreinerbranche davon besonders profitieren.

«Nationaler Tag des Einbruchschutzes»

Auf das sichere Wohnen will der Verein am Montag, den 26. Oktober, mit der Aktion «Nationaler Tag des Einbruchschutzes» aufmerksam machen. «Die Öffentlichkeitsarbeit mit einer gemeinsamen Informations- und Beratungsstrategie ist uns ein zentra- les Anliegen», sagt Stauffer. Zusam- men mit einheitlichen Standards soll das Thema künftig breitenwirksamer platziert werden.

www.sicheres-wohnen-schweiz.ch

ch

Veröffentlichung: 24. September 2020 / Ausgabe 39/2020

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