Alle Bauteile im Blick behalten

Bei der Sanierung des Historischen Museums Bischofszell wurden die Fenstereinfassungen aus Sandstein nach alter Art geschlägert. Bild: Manuela Ziegler

Altbausanierung.  Renovieren oder erneuern? Vor dieser Entscheidung stehen auch die Fensterbauer bei denkmalgeschützten Bauten immer wieder. Im Historischen Museum in Bischofszell hat man bei Erhalt und Ersatz auf innovative Lösungen gesetzt.

Herausgeputzt steht das Historische Museum an der Marktgasse in Bischofszell TG da. Vor einer strahlend weissen Hausfassade heben sich die dunkelgrün gestrichenen Fensterläden markant ab. Fenster und Sandsteinfassungen des Barockgebäudes wirken wie neu. Die Eröffnung nach einjähriger Sanierung wurde bereits im Frühjahr gefeiert. Heute, an einem Montagmorgen, herrscht geschäftiges Treiben im Eingangsbereich, denn die inzwischen renovierten Fenster – aus einer Sanierung in den Sechzigerjahren stammend – werden gerade wieder eingebaut. Regie führt dabei Thomas Eigenmann, Geschäftsführer im gleichnamigen Betrieb in Gerlikon bei Frauenfeld, der auf Altbausanierungen spezialisiert ist. Mit von der Partie sind auch Raffael Schmid von der Schmid Fenster Manufaktur AG in Teufen, und Christoph Biedermann von der Müller Architekturbüro GmbH in Bischofszell, projektleitender Architekt und Vertreter der städtischen Bauherrschaft.

Nicht nur der Lack war ab

Im Foyer stehen die renovierten Fensterflügel aneinandergelehnt, Schreiner Thomas Eigenmann geht treppauf und -ab und trägt jeweils mehrere Flügel ins erste Obergeschoss. Zurück im Parterre zeigt er die historischen Kastenfenster aus der Entstehungszeit, die nur in einem Raum an der Westfassade noch erhalten sind: zwei Doppelflügel unten und zwei Doppelflügel oben, jeweils mit geblasenen Gläsern, sodass beim Durchschauen nach draussen alles etwas verschwommen wirkt. Zu öffnen sind die Fenster mit filigran geschmiedeten Beschlägen. Im übrigen Haus hatte man diese Fenster in den Sechzigerjahren durch Lärchenholz-Doppelfenster mit Sprossen ersetzt. «Der Zustand dieser Fenster an der Westfassade war erhaltenswert, Gummidichtungen waren vorhanden», sagt Eigenmann. Aber eine energetische Sanierung und neue Farbgebung wurden als notwendig erachtet.

Ohne Subventionen geht es nicht

Der Architekt Christoph Biedermann war 2021 von der Stadt Bischofszell beauftragt worden, die Fassade der Museen und des angrenzenden Bogenturms der mittelalterlichen Stadtmauer zu sanieren. Doch es stellte sich im Rahmen seiner Expertise heraus, dass auch ein Austausch der maroden Fenster an der Ostfassade unumgänglich war. Wind und Wetter hatten im Lauf der Jahrzehnte dem Material unwiderruflich zugesetzt. Hinzu kam die zusätzlich empfohlene Sanierung der Westfassadenfenster. «Glücklicherweise konnte mit den Vertretern der Denkmalpflege, der Ortsbildkommission und der Stadt eine gute Lösung gefunden werden», berichtet der Architekt. Das Haus gilt als Bundesschutzobjekt und ist damit als besonders wertvoll eingestuft. Nach dieser Klassifizierung richtet sich auch die Höhe der Beiträge von Stadt und Kanton; in diesem Fall waren es 40 Prozent an der Sanierung der erhaltenswerten Bauteile. «Wir brauchen die finanzielle Unterstützung für den Erhalt der Gebäude», weiss der Architekt aus Erfahrung. Er hat sich auf die Sanierung historischer Bauten in Bischofszell spezialisiert.

Fenster mit Geschichte

Im vorliegenden Fall handle es sich um ein sogenanntes Grubenmannhaus der bekannten Grubenmanngeschlechter, einer Baumeisterdynastie aus Teufen AR. Hans Ulrich Grubenmann, Zimmermann und Baumeister, machte sich einen Namen durch seine stützenfreien Holzbrückenkonstruktionen. «Schweizweit bekannt wurde er beim Wiederaufbau von Bischofszell nach dem grossen Stadtbrand 1743, als der Konstanzer Bischof das Unternehmen mit der Überarbeitung der Stadtplanung beauftragte», erzählt Biedermann. Die Häuser des höheren Bürgertums beeindrucken mit ihren stützenfreien, majestätisch anmutenden Holztreppenhäusern. «Den Hausbau haben die Grubenmanns in der Art heutiger Generalunternehmen abgewickelt, mit fertig konfektionierten Bauteilen, wie etwa wiederkehrenden Fenstermassen von 1300 Millimeter Mauerlichtbreite mal 1500 Millimeter Mauerlichthöhe. Geliefert wurde selbstverständlich alles aus einer Hand», sagt Biedermann. Beim Fensterglas gab es aber noch keine industrielle Fertigungsart. Die Entwicklung der Glasherstellung vom geblasenen zum gezogenen bis zum heutigen Floatglas zeigt Fensterbauer Thomas Eigenmann anhand fotografischer Dokumentationen. Bei der Sanierung der Aussenfenster westwärts blieb das ursprüngliche gezogene Glas erhalten. Doch wie konnte man im Innenfenster die nötige Dämmung erreichen, ohne das filigrane Antlitz der Sprossenfenster zu zerstören?

Mit Vakuumglas isoliert

Man entschied sich für sogenanntes Vakuumglas. Für Europa produziere bisher nur ein belgischer Hersteller exklusiv. Mögliche Gründe: Die Herstellung ist für den hiesigen Fenstermarkt aktuell nicht lukrativ genug, unter anderem, weil die Infrastruktur für die Herstellung von Isolierglas enorm ist. Aber auch die schwarzen Pünktchen, welche die beiden 0,2 Millimeter dünnen Scheiben verbinden und gleichzeitig das Vakuum garantieren, stellen ein optisches Hindernis für manche Einsatzbereiche dar. «Dabei ist der U-Wert von 0,7 bei einer endgültigen Glasstärke von 8  Millimetern vergleichbar mit einer Dreifachverglasung», sagt Eigenmann. Und die Pünktchen sind schon mit einem Meter Abstand nicht mehr sichtbar. «Der belgische Hersteller liefert das Vakuumglas ohne sichtbares Ventil, wie das bei den Herstellern in Japan oder China der Fall ist, wo wir zuvor das Glas bezogen», sagt Eigenmann. Dennoch wurde für die Belüftung zusätzlich eine grössere Fuge als bisher in die bestehenden Rahmen gefräst.

Trocknen braucht Zeit

24 vierteilige Fenster wurden an der West- und Ostfassade saniert. Bei den Aussenfenstern hat man den verwendeten Leinölkitt ersetzt und die Flügel mit reiner Leinölfarbe gestrichen. «Es war ein Vorteil, dass für die Fassadensanierung bereits ein Gerüst stand», sagt Eigenmann. So konnten zuerst die äusseren Fenster renoviert werden, dann die inneren, und es blieb genug Trockenzeit für den jeweiligen Arbeitsvorgang. Angemessene Trocknung für Lack wie auch für Fugen sei ein wesentlicher Faktor im Fensterbau insgesamt und werde häufig unterschätzt, sind sich die drei Projektbeteiligten einig. «Viele Betriebe wollten wachsen, dafür produzierten sie in industrieller Weise jedes Teil unter einem grossen Zeitdruck, aber manches brauche eben seine Zeit», sagt Fensterbauer Raffael Schmid.

Gesamthafte Betrachtung lohnt

Für eine Sanierung brauche es Sensibilität für den Bau und dessen Erhaltungszustand. «Zu viele gute Fenster werden herausgerissen. Dabei muss der Kosten-Nutzen-Effekt zuerst angeschaut werden», meint der verantwortliche Architekt. Im Museum werde nicht ständig mit 25 Grad geheizt und vor allem nicht andauernd wie etwa in Wohnräumen. In der Regel spare man durch eine Sanierung 30 bis 40 Prozent der Kosten verglichen mit einem Austausch. Sind aber einzelne Bauteile zu marode, lohne sich der Renovationsaufwand nicht mehr. «In der Fensterbranche wird so viel gebastelt, dass eine Sanierung am Ende oft viel mehr kostet als prognostiziert», lautet Schmids Erfahrung. Gleichzeitig warnt er vor Erneuerung um jeden Preis, etwa wenn es um das Dämmen in historischen Bauten geht. «Man muss die Teile und ihr Zusammenwirken im Blick behalten», sagt Schmid. Eine diffusionsoffene Bauweise verlange Verständnis von Konstruktion und Materialien.

Extraleicht aus dem Lot

Beim Einbau der neuen Fichtenholz-Fenster an der Ostfassade hat Fensterbauer Schmid die Anschlüsse mit dampfoffenen Materialien gedämmt. An der Aussenseite wurde lediglich ein Dichtungsband angebracht. Der Einbau der Fichtenholz-Fenster im Bestand war eine echte Herausforderung. Denn sie durften nicht 100 Prozent im Lot stehen, weil auch im Bestandsbau so nicht vorgesehen. «Es ergibt ein unnatürliches Bild, wenn eine durchgehende Spiegelungsfläche entsteht, denn es handelt sich ja nicht um einen Neubau», erklärt Fensterbauer Schmid. Vorgabe für die Neugestaltung der Fenster war eine Angleichung an die historischen Fenster aus dem Entstehungsjahr des Grubenmannhauses von 1743. Die Form der Sprossen und die Profilierung des Flügelfrieses konnte an den originalen Fenstern im Munzenhaus nebenan abgenommen werden.

Trennsystem entwickelt

Für diese Fensterform hat die Teufener Manufaktur Schmid ein eigenes System mit einem sogenannten Trennfenster entwickelt. «Die Flügel werden dabei aus einem Stück Holz hergestellt und anschliessend aufgeschnitten, um das Glas einzufügen. Die Befestigung der Glasscheiben ist im Profil nicht sichtbar, ein unsichtbarer Clip hält die Fensterflügel zusammen», erklärt Schmid das Prinzip. Dieses Fenstersystem hat nur aussen am Glas die herkömmlichen Silikonfugen, innen ist es mit einem extrem dünnen Klebeband (0,8 mm) verklebt. So komme das Fenster raumseitig der Optik der historischen Fenster der Entstehungszeit maximal nahe. Schmid meint, es sei aktuell die filigranste Lösung ohne sichtbare Befestigung, ohne Glasleisten, und ohne raumseitige Glasversiegelung. Dank des selbst entwickelten Trennsystems wird der Flügel mindestens 5,4 Zentimeter stark und etwa 1 Zentimeter dünner als herkömmliche Zweifach-Verglasungen mit einer Flügelstärke von zirka 6,5 Zentimeter. 15 neue Fenster wurden angefertigt und 2 Balkontüren. Die Balkontüren wurden herkömmlich mit üblichem Glasfalz und den dazugehörigen Glashalteleisten gebaut. Ein Auftrennen der Flügel mit der doch beachtlichen Flügelhöhe respektive -länge wäre nicht gut für die nachhaltige und somit langlebige Stabilität der Balkontür.

Täuschend echte Illusionen

Den Aussenanstrich der neuen wie auch der Bestandsfenster übernahm die Bischofszeller Firma Vock AG. Um das Haus im barocken Stil seiner Entstehungszeit zu erneuern, war auch ein fachkundiger Maler gefragt. Das ursprüngliche Eukalyptusgrün an den neuen Aussenfenstern kam unter Lackschichten wieder zutage und wurde neu aufgelegt. Und bei den Innenseiten der Fenster nahm man die damals imitierte Eichenholzmaserung malerisch wieder auf. Die Restaurierungsarbeiten verantwortete Restaurateur Rolf Zurfluh aus Helsighausen TG. Bis ins Detail wurde mit traditionellen Farben und Materialien gearbeitet; so hat man die Sandsteinfassungen mehrmals mit Leinöl eingelassen und anschliessend mit dem Dachshaarpinsel «geschlägert». «So entsteht auf der strukturierten Oberfläche eine besondere Tiefenwirkung», sagt der Architekt. Die optischen Effekte sieht man schon von Weitem, sie verleihen dem Haus seine besondere Anziehungskraft.

www.museum-bischofszell.chwww.weiter-bauen.chwww.schmid-fenster.chwww.restaurierungsatelier.chwww.maler-vock.ch

Manuela Ziegler

Veröffentlichung: 29. August 2024 / Ausgabe 35/2024

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