Interview

Albert Rössler ist Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung beim Lackhersteller Adler im Tiroler Schwaz. Bild: Adler

Schreinerzeitung: Herr Rössler, wodurch wird ein Lack zu einem ökologischen Lack?
Albert Rössler: Wir bei Adler betrachten das Ganze nicht nur ökologisch, sondern unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Der Umweltaspekt spielt dabei eine wichtige Rolle, aber es gibt auch weitere wichtige Punkte, um einen Mehrwert für unsere Kunden und die Gesellschaft zu schaffen.Dabei geht es zunächst einmal um die Inhaltsstoffe. Das heisst, dass keine problematischen Stoffe ins Produkt kommen, die eine Schädigung der Umwelt bedeuten würden, und auch die Produktsicherheit für den Anwender ist wichtig. Ein ökologischer Lack ist sicher emmisionsarm und damit meist wasserbasiert. Wichtig dabei ist auch, dass die Materialeffizienz berücksichtigt wird. Ein sparsamer Einsatz von Ressourcen ist also ebenfalls wichtig bis hin zum Energieeinsatz, der möglicherweise durch die Trocknung nötig ist. Und schliesslich betrachten wir die Dauerhaftigkeit sowie den gesamten Lebenszyklus. Wir streben das Kreislaufdenken an, womit eine Wiederverwertung entscheidend ist.
Kann denn eine Beschichtung in Form eines Lackes zurückgewonnen und wiederverwendet werden?
Da gibt es verschiedene Ansätze. Man kann Bauteile oder Möbel sehr wohl entlacken und auffrischen, was man heute Upcycling nennt. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft kann lackiertes Altholz zum Beispiel bei der Herstellung von Holzwerkstoffen Verwendung finden. Die Beschichtung übernimmt darin dann eine Funktion. Erst am Ende soll die thermische Verwertung stehen. Solange es geht, gilt es, Abfall wieder als Rohstoff zu verwenden.
Gibt es solche Kreisläufe bereits?
Noch nicht, aber wir arbeiten daran, technische Kreisläufe der stofflichen Wiederverwertung aufzubauen. Das Ziel der Kreislaufwirtschaft haben wir deutlich vor Augen, auch wenn im Baubereich die langen Lebenszyklen sicher herausfordernd sind.
Nachdem, was Sie bislang ausgeführt haben: Ist der Wasserlack per Definition ein ökologischer Lack?
Da gehört sicher mehr dazu, als das Lösungsmittel Wasser. Man muss vor allem die ganze Prozesskette mit einbeziehen. Wenn jemand seinen gesamten Ablauf im Betrieb darauf eingerichtet hat, mit einem Lösemittellack zu arbeiten, also Abluftreinigung und eine Energierückgewinnung implementiert hat, kann die ökologische Gesamtbilanz ganz anders aussehen als bei jemandem, der viel Energie einsetzen muss für die Trocknung des Wasserlackes. Wenn der wiederum seine Späne für die Wärmegewinnung zur Trocknung des Wasserlackes nutzt, sieht es wieder anders aus. Meiner Meinung nach muss deshalb stets der gesamte Prozess betrachtet werden, und die einfachen Aussagen, das eine sei gut, das andere schlecht, funktioniert nicht. Die Lebensdauer und die anderen Parameter sind bei diesen Überlegungen noch gar nicht mit einbezogen. Auch dies kann das Bild nochmals verändern. Aber klar ist auch: Ein emissionsarmes Lacksystem hat erstmal einen gewichtigen Vorteil.
Inwieweit stehen Oberflächentrends wie zuletzt Hochglanz, Effektlacke oder ultramatte Lacke dem ökologischen Gedanken im Weg?
Die Arbeit an ökologischen Lacksystemen, etwa auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen, ist ein langer Prozess. Dabei versuchen wir natürlich zunächst, mögliche Markttrends mit einzubeziehen. Die technologische Plattform eines Lacksystems ist in der Regel so breit aufgestellt, dass verschiedene Ausformungen am Ende möglich sind, ohne dass eine Mode oder ein Trend einer Neuentwicklung bedarf. Bei speziellen Effektlacken kann sich das anders verhalten. Deren Eigenschaften sind oft so speziell, dass nur massgeschneiderte Lösungen helfen.
Das heisst, es ist unerheblich für die ökologische Betrachtung, ob es sich um eine hochglänzende oder matte Oberfläche handelt?
Ja, in diesem Rahmen ist das so. Das muss ein Lacksystem heute können. Je grösser die Nachfrage nach ökologischen Lacken am Markt, desto eher entstehen auch vielfältige Varianten auf ökologischer Basis. Entsprechend unserer langjährigen Tradition im Bereich der Nachhaltigkeit sind wir darauf vorbereitet und freuen uns über diesen Trend.
Nachfrage ist ein interessantes Stichwort. Ginge es nach den Herstellern, wäre jeder Lack ökologisch und nachhaltig, vor dem der Konsument steht.
Es gibt natürlich viele Labels, und der Konsument kann sich nur schlecht durch die Kennzeichnung durchwühlen. Deshalb wollen wir dieses Jahr das Adler Green- Label etablieren, mit dem besonders nachhaltige Produkte ausgezeichnet werden. Hier kommt neben der Umwelt und Gesundheit auch der Qualitätsaspekt mit ins Spiel. Eine Beschichtung ist letztlich nur so gut, ökologisch und nachhaltig, wie die Summe der eingesetzten Stoffe zu einer angemessenen Lebensdauer führt. Wir sehen das als Chance auch in der Kommunikation mit den Kunden. Billigware, die nur kurze Zeit hält oder in vielen Schichten aufgetragen werden muss, kann nicht ökologisch sein. Ökologische Produkte haben ihren Preis, und sie haben dafür auch ihren Wert.

www.adler-lacke.ch

christian härtel

Veröffentlichung: 18. Februar 2021 / Ausgabe 8/2021

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