Passt in keine Schublade
Massivholz in kunstfertiger Verarbeitung und farbig gebeizt sind ein Markenzeichen der Möbelmanufaktur 198o geworden. Bild: Möbelmanufaktur 1980 AG
Massivholz in kunstfertiger Verarbeitung und farbig gebeizt sind ein Markenzeichen der Möbelmanufaktur 198o geworden. Bild: Möbelmanufaktur 1980 AG
Beizen. Dem Holz nach Belieben eine kräftige Farbe schenken, ohne auf Maserung und Farb- verlauf im Holzbild achten zu müssen, und trotzdem das Holz noch erkennen können. Das können nur Beizen. Sonst braucht es nicht sehr viel dazu. Es gilt: Probieren geht über Studieren.
In freudiger Erwartung der Niederkunft seiner Frau Anna erschafft der italienische Geigenbaumeister Nicolo Bussotti aus Cremona im Jahr 1681 sein Meisterwerk. Doch das Schicksal schlägt unbarmherzig zu: Anna und das Kind sterben bei der Geburt. Zutiefst erschüttert vollendet Bussotti den Bau der Geige und färbt sie mit dem Blut seiner geliebten Frau tiefrot. Es sollte eine der wertvollsten Violinen aller Zeiten werden. Der Film «Die rote Violine» erzählt in Episoden den Weg der Geige über die Jahrhunderte hindurch. Als historisches Vorbild dient dem Film eine auffallend rote Geige mit aussergewöhnlichem Klang von Antonio Stradivari. Ihr Name: Red Diamond.
Ob Blut zum Beizen von Holz geeignet ist, sei dahingestellt, doch beschreibt der Sachverhalt recht genau, worum es beim Beizen geht. Um das Einfärben von Holz unter Beibehaltung seiner Einzigartigkeit. Essenziell wichtig dabei ist auch, dass die Farbe Bestand hat. «Eine gute Beize ist eine lichtechte Beize», sagt Bajram Zyba, Inhaber der Beizerei Bolli GmbH in Felben-Wellhausen TG. Das ist massgebend, denn während eine Violine die meiste Zeit geschützt in dem dafür vorgesehenen Geigenkasten verbringt, ist ein Möbel dem durch Fenster einfallenden Licht permanent ausgesetzt. Dem sollte die farbige Oberfläche standhalten. «Die heute in Beizen eingesetzten Farbstoffe sind lichtecht», erklärt Zyba dazu.
Wie gebeizt wird, unterliegt auch der Mode. Noch in den 80er- und 90er-Jahren wurde gebeizt, um die Maserung des Holzes besonders hervorzuheben. In der industriellen Möbelfertigung wurde immer gebeizt, um Austauschhölzer möglichst unauffällig werden zu lassen oder um die Wiederholbarkeit für eine Linie einer Kollektion garantieren zu können. Das ist bis heute so, etwa bei den unzähligen Produkten in Eiche. Zyba nennt deshalb noch ein weiteres Merkmal einer guten Beize, nämlich die Vielseitigkeit. Sie sollte sowohl industriell in maschineller Verarbeitung als auch handwerklich einsetzbar sein.
Bei Schäden in eingefärbten Holzflächen, auftretenden Alterserscheinungen, oder wenn etwas im gleichen Ton erstellt werden soll, dann werden Experten wie Zyba bemüht. Der Spezialist baut Farbtöne nach und findet heraus, wie die ursprüngliche Behandlung war.
Die Möbelmanufaktur 1980 AG in Heerbrugg SG setzt immer wieder Farbstoffbeizen für ihre Massivholzmöbel ein. Dabei geht es um einen möglichst wirkungsmächtigen Einsatz der Farbe, weshalb die Möbel meist mit bunten Farben gebeizt werden. In der Schreinerei entstehen viele Einzelstücke; in Farbe getaucht, verändern sie ihren Charakter radikal. «Bei Messepräsentationen unserer Arbeiten haben wir immer Beizmuster dabei und ein gebeiztes Möbelstück, wie etwa einen Hocker. Es ist spannend, gerade bei den Kleinmöbeln ist am Ende meist Farbe mit im Spiel. Die Kunden entscheiden sich für den farbigen Akzent in ihrem Zuhause», erklärt Marc Künzle, Inhaber und Geschäftsführer der Möbelmanufaktur.
Dem natürlichen Charakter der Möbel stünde die Farbe nicht entgegen. Zumindest nicht aus Kundensicht. Zumal diese in der Regel in die Werkstatt eingeladen werden, bevor gefärbt wird, um ihr Möbel zu sehen. Fragen zu möglicherweise giftigen Inhaltsstoffen der Farbbeizen würden nicht gestellt. «Hier haben die Lackhersteller einen guten Job gemacht. Die Leute wissen, dass Oberflächenbehandlung heute nicht mehr so problematisch ist wie früher. Der Ein- satz von Wasserlack hat seinen Teil dazu beigetragen», sagt Künzle. Auch beim Lackhersteller Adler sieht man aktuell vermehrt intensive Farbkonzepte in der Realisierung mittels Beizen.
Die farbenfrohen Stücke würden trotzdem als Naturprodukt wahrgenommen, auch weil die Möbelmanufaktur sich konsequent und transparent verhält. Es wird nur Massivholz aus der Region verarbeitet, Strom kommt vom Solardach, und Nachhaltigkeit wird in allen Belangen gelebt. Lackiert werden nur gebeizte Oberflächen. Das ist zwingend nötig, damit die Beize geschützt ist. «Beize schützt das Holz nicht, sie muss selber geschützt werden», sagt Zyba. Nach seiner Einschätzung werden die Farben der Veredelungstechnik immer öfter zum Unikat. Die gute Mischbarkeit der Produkte, selbst von Pigment- und Farbstoffbeizen miteinander zeichnen mutmasslich dafür verantwortlich.
Auch in der Möbelmanufaktur werden die verwendeten Farbstoffbeizen auf Wasserbasis zum Teil selbst gemischt; Rezepturen sodann notiert und archiviert und natürlich auch durch Muster dokumentiert.
Dafür verantwortlich ist Schreiner Roger Stäheli, Avor bei der Möbelmanufaktur. Dort praktiziert man schon viele Jahre die Applikation der Beize mit einer normalen Fliessbecherpistole. Im Gegensatz zum Auftrag mit Lappen, Pinsel, Schwamm oder Walze trägt Stäheli die Farbstoffbeize fast trocken auf. Dazu wird diese mit wenig Druck appliziert. «Der Auftrag erfolgt ganz dünn und möglichst trocken und dann so oft, bis der gewünschte Farbton erreicht ist», erklärt Stäheli. Das kann dann schon mal 10 bis 15 Aufträge bedeuten. Das Verfahren hat sich bewährt und ergibt eine gleichmässige, frische und filigran wirkende Färbung des Holzes. Eine nasse Applikation wie beim klassischen Beizen mit Schwamm und Vertreiberpinsel dagegen bewirkt eine stärkere Anfeuerung, weil das Holz, ähnlich wie beim Ölen, so viel gefärbtes Wasser aufnehmen kann, wie es vermag. «Wenn der Auftrag zu nass ist, entstehen immer Stellen, an denen das Holz mehr Farbe aufnimmt, und das ist dann dunkler, wirkt scheckig und ist einfach nicht so schön. Das umgehen wir durch das Auftragsverfahren», erklärt Stäheli.
Im Gegensatz zum Beizen selbst braucht es für die richtige Vorbereitung viel Zeit und Aufwand. Selbst feine Schleifspuren werden nach dem Beizen erst so richtig sichtbar. Der Qualität des Schliffes ist vor dem Beizauftrag deshalb besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Da man Beizen schlecht zwischenschleifen kann, ist auch das Wässern als Vorbereitung des Untergrundes wichtig, damit die Oberfläche trotz des Feuchteauftrages durch die Beize möglichst glatt bleibt. «Wir egalisieren das Holz zudem durch Bleichen», erklärt Stäheli. Dadurch nimmt das Holz die Beize noch gleichmässiger auf.
Jedes gebeizte Stück trägt die Handschrift der Macherin oder des Machers. Das ist natürlich immer so, aber beim Beizen noch etwas deutlicher als bei anderen Oberflächenbehandlungen. Wenn Roger Stäheli 10 bis 15 Aufträge mit der Beize spritzt, wird deutlich, wie abhängig das Ergebnis vom Faktor Mensch ist.
Das gilt auch für die anderen Auftragsverfahren. «Man sollte die Beize an einem Tag auftragen und niemals durch verschiedene Personen», sagt Zyba. Oft sei die Übung in der Praxis verloren gegangen, weil eher selten gebeizt wird in den Betrieben. An sich ist das Beizen eher eine einfache Sache, auch wenn dem Verfahren der Ruf eines heiklen und fehleranfälligen Prozederes anhaftet. Wichtig ist, dass man die eingesetzten Produkte kennt und weiss, wie sie sich bei den verschiedenen Hölzern verhalten. Bis zur Auflösung des Berufsverbandes 2010 gab es den Holzbeizer und die Holzbeizerin mit eidgenössischem Fachausweis. Spezialisten, die eine Beize auf eine vorhandene Farbe abmischen können, sind nicht zuletzt deshalb selten geworden.
Dafür ist das Portfolio an Beizen und den Begrifflichkeiten bei den Präparaten zu einem recht weiten Feld herangewachsen. So manches Produkt, das den Begriff Beize führt, ist eher eine Lasur oder ein eingefärbter Lack.
Ursprünglich beschreibt das Beizen einen chemischen Prozess, der auch in anderen Bereichen bekannt ist und angewandt wird, etwa in der Metallbranche. Beim Holz kommen die physikalisch wirkenden Beizen, also die Anlagerung von Farbstoffen bis hin zu Farbpigmenten hinzu. Das führt zu einer ansehnlichen Vielfalt an Produkten mit mehr oder minder grossen Unterschieden im Ergebnis. Dazu gesellt sich noch die Möglichkeit, nach eigenen Rezepturen Beizlösungen herzustellen. Durchaus auch mit natürlichen Farbstoffen; dabei muss es ja nicht gleich Blut sein. «Neben dem Effekt, der erzielt werden soll, gilt es auch, die Oberfläche des Holzes, seine Maserung, sein Porenbild und seine Eigenfarbe mitzudenken», erklärt Jutta Libowitzky, Leiterin des Beizen-Teams im Labor des österreichischen Herstellers Adler Lacke.
Wer sicher sein möchte, sollte vor dem Beizen ein Muster des verwendeten Holzes beizen und anschliessend auch den vorgesehenen Decklack auf der gebeizten Fläche bemustern. Bei der Möbelmanufaktur erzielt man so besondere Ergebnisse, und wer weiss – vielleicht bringen die farbigen Einzelstücke den Namen der Manufaktur in Zukunft noch stärker zum Klingen, auch ohne Geige und Blutbeize.
www.beizereibolli.chwww.moebelmanufaktur.chwww.adler-lacke.ch
Entweder als gebrauchsfertige Mischung oder als Pulver zum Auflösen in heissem Wasser. Wasserbeizen gehören zur Gruppe der Farbstoffbeizen. Sie gelten als anwender- und umweltfreundlich auch bei kräftigen Farben.
Werden in gebrauchsfertigen Gebinden angeboten und eignen sich teilweise auch zum Abtönen von Lacken. Gehören zu den Farbstoffbeizen. Diese Gruppe übertrifft andere Beizen in puncto Farbkraft und Vielfalt.
Enthalten vergleichsweise grobe, nicht lösliche Pigmente. Damit diese ans Holz andocken können, braucht es ein Bindemittel. Pigmentbeize ist eigentlich eine Lasur und deshalb ein widersprüchlicher Begriff.
Auch als Reaktionsbeizen bezeichnet bestehen sie aus Vor- und Nachbeizen. Vorbeizen enthalten Gerbsäuren. Die Nachbeizen reagieren mit den Vorbeizen, wodurch der Farbton entsteht.
Darunter fallen alle möglichen Präperate, die Farbstoffe, farbbildende Chemikalien, Pigmente und Bindemittel miteinander kombinieren. Oft werden sie mit herstellerspezifischen, teils verwirrenden Begrifflichkeiten wie Wachslasurbeize oder Ölbeize betitelt.
Die verschiedenen Beizen erzeugen auf Nadelhölzern unterschiedliche Ergebnisse. Farbstoffbeizen werden stärker vom hellen Frühholz aufgenommen und weniger stark vom dunklen Spätholz. Dadurch kehrt sich die natürliche Farbintensität um. Das ergibt ein negatives Beizbild. Chemische Beize erhält dagegen die hellen und dunklen Partien im Nadelholz und sorgt so für ein positives Beizbild.
Veröffentlichung: 09. Januar 2025 / Ausgabe 1-2/2025
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