Tiefgründige Oberflächen

Bei Lindura von Meister wird die Holzdeckschicht mit einer Funktionsschicht verstärkt, wodurch sie besonders hart wird. Bild: Meister

Funktionsbeschichtungen.  Mit Farben und Lacken lassen sich allerhand Funktionen auf Oberflächen umsetzen. Oft punktuell in technischen Anwendungen eingesetzt, stösst auch der Praktiker auf so manche Funktionslacke. Aber nicht alles, was machbar ist, macht auch Sinn.

Eine Oberflächenbeschichtung erfüllt immer eine Funktion, sonst bräuchte man sie nicht. Neben dem Schutz vor Veränderung wie Verschmutzung oder Alterung stecken dahinter meist dekorative Ziele. Darüber hinaus lassen sich auch eine ganze Reihe von Eigenschaften mittels sogenannter Funktionsbeschichtungen erzielen. Das können etwa Antihafteigenschaften gegen Ablagerungen oder Verklebungen bis hin zum Schutz vor Graffitis sein. Anti-Fingerprint- und Easy-to-clean-Eigenschaften gehen in die gleiche Richtung und stammen aus derselben Familie der Beschichtungen.

Auch chemische Beständigkeit, Gleitfähigkeit, Erzielung von elektrischer Isolation oder elektrischer Leitfähigkeit, Lebensmittelzulassung, Temperaturbeständigkeit, UV- und Witterungsschutz oder Korrosionsschutz können solche forcierten Eigenschaften mittels Beschichtung sein. Tragende Bauteile werden mit intumeszierenden Beschichtugen versehen, die im Brandfall aufschäumen und den Widerstand dadurch erhöhen. Und die Liste der Funktionen mittels Beschichtung ist noch längst nicht zu Ende.

Kühlende Beschichtung

«In der Branche richten sich derzeit viele Augen auf die Cool-Pigments, die eine Überhitzung, vor allem von dunklen Flächen, verhindern», sagt Roger von Niederhäusern, Leitung Verkauf bei der Dold AG in Wallisellen ZH. Die dazu beigemischten Cool-Pigmente reflektieren die Infrarotstrahlung. «Eine schwarze Oberfläche wird schnell 85 °C warm. Mit den Cool-Pigments lässt sich die Temperatur einer solchen Fläche um 10 bis 15 Grad verringern», erklärt von Niederhäusern. In der Folge muss weniger gekühlt werden, und das Material ermüdet nicht so schnell. Es wird langlebiger.

Nicht alle bewähren sich in der Praxis

Soweit die Theorie, die sich nicht immer so in der Praxis bestätigt, weil es stets viele Faktoren gibt, die auf eine reale Situation einwirken. Ein Beispiel: katalytisch wirkende Beschichtungen. Diese eliminieren Schadstoffe und Gerüche aus der Luft. «Wenn ich aber ein Fenster öffne, bin ich x-mal schneller als so eine Beschichtung», erklärt von Niederhäusern.

Auch den Bereich des Strahlenschutzes sieht der Experte eher etwas kritisch. Nicht weil es Nebenwirkungen gäbe oder nur unzureichend funktioniere, sondern wegen des Aufwands. Wenn ein Raum vor elektromagnetischer Strahlung geschützt werden soll, muss die Schutzschicht, meist in Form eines geerdeten Kupfernetzes, rundum erfolgen. Die Fenstergläser bekommen ebenfalls Fäden aus Kupfer implementiert. Sind Stellen unzureichend ausgebildet, leidet der Schutzlevel.

Dagegen scheint die Steigerung der mechanischen Festigkeit ein reales Anliegen. Der Parketthersteller Meister etwa verpresst die Echtholz-Deckschicht mit einer sogenannten Wood-Powder-Schicht, was zu deutlich härteren Oberflächen führt.

Bei drei weiteren Funktionsbeschichtungen wie dem Antirutschlack, solchen mit antimikrobiellen Eigenschaften und jenen mit ferromagnetischer Wirkung hat die Schreinerzeitung genauer hingeschaut.

www.dold.chwww.meister.com

 

Kein Theater mit Ausrutschern

Mit Strümpfen auf Treppenstufen passiert es schnell. Wohl so mancher hat durchaus Kindheitserinnerungen an den Sturz auf der Treppe. Kommt Wasser mit ins Spiel, wird das Barfussgehen auf Parkettboden im Badezimmer oder auf Terrassendecks ebenfalls schnell zur Rutschpartie. Dafür, dass der Aquaplaning-Effekt und das Ausrutschen auf der Treppe nicht eintreten, kann eine Antirutschbeschichtung sorgen. «Unter den Funktionsbeschichtungen ist die Antirutsch-Eigenschaft eine der bewährtesten und sehr wirksamen Varianten», erklärt Roger von Niederhäusern.

Grobes Korn für grosse Rutschhemmung

Das Prinzip solcher Beschichtungen ist schnell erklärt. Dem Lack werden körnige Zusatzstoffe beigemischt, die nach dem Trocknen eine raue Oberfläche bilden. Je gröber das Korn, desto grösser die Rutschhemmung. Geprüft wird Rutschhemmung eines Beschichtungsaufbaus laut der schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) nach den Bestimmungen der SN EN 16165. International haben sich verschiedene Prüfmethoden etabliert, was die Vergleichbarkeit erschwert. Für den Schuhbereich werden die geprüften Bodenbeläge in die Bewertungsgruppen GS 1 bis GS 4 und für den Barfussbereich in GB 1 bis GB 3 eingeteilt, wobei die Klassifizierungen GS 4 und GB 3 die grösste Rutschhemmung bedeuten. In der Praxis werden jedoch oft die international gebräuchlichen Klassen R9 bis R13 angegeben.

Lösungen für alle Anforderungen

Bei öffentlichen Bauten, beim Umgang mit Wasser und am Arbeitsplatz müssen Böden entsprechend ausgestattet werden. Im privaten Wohnbereich gibt es dagegen keine Bestimmungen zu geforderten rutschhemmenden Eigenschaften. Das gilt selbst für Duschtassen. Auch dort gibt es keinerlei Vorschriften, aber durchaus die Möglichkeit, das Aquaplaning mittels Beschichtungen zu beseitigen oder zumindest zu verringern. Denn die mögliche Grobheit einer noch angenehmen Barfussoberfläche stösst schnell an Grenzen.

Deutlich gröber geht es auf Holzstegen und Terrassendecks im Aussenbereich zu. Eine neue Beschichtung hat der Spezialist Grip Safety Coatings AG in Küssnacht am Rigi SZ im Programm. Wie der Name «Grip New Wood P5/R12» verrät, erreicht man damit die zweithöchste Antirutschklasse R12. Entwickelt wurde die Beschichtung speziell für den Aussenbereich, ist deshalb laut Hersteller UV-beständig und hat eine deutlich verbesserte Standzeit durch eine härtere Oberfläche.

www.bfu.chwww.grip-antirutsch.com

Den Erregern auf den Leim gehen

Im Zuge der Erfahrungen mit der Coronapandemie ist die Welt der Funktionsbeschichtungen um eine Spielart reicher geworden: Die antimikrobielle Oberfläche ist auf den Plan getreten. Diese soll die Vermehrung von Bakterien, Pilzen und Viren reduzieren oder ganz abtöten. Solche Beschichtungen bilden nach dem Aushärten eine lang anhaltende Schicht mit antimikrobieller Aktivität. Auch so ausgestattete Folien sind am Markt verfügbar.

Zwei Wirkungsweisen

Dabei gibt es zwei Verfahren der Wirkungsweise. Entweder wird der Wirkstoff, meist in Form von Silbernanopartikeln, aus der Beschichtung abgegeben, oder die Wirksubstanz wird fix eingebettet. Dann handelt es sich zum Beispiel um sogenannte organische Ammoniumverbindungen. Bei dieser Variante entfaltet sich die antimikrobielle Wirkung erst, nachdem die Mikroorganismen mit der eingebetteten Substanz in Kontakt gekommen sind. Auf diese Technologie setzt etwa die Swiss Krono AG in Menznau LU mit der Be.Safe-Oberfläche. Der deutsche Pfleiderer-Konzern dagegen verwendet bei seinen antimikrobiellen Oberflächen die Technologie mit den Silberionen. «Diese wird am häufigsten für antimikrobielle Beschichtungen eingesetzt», sagt von Niederhäusern.

Allerdings kämen diese aktuell in der Fachwelt etwas in Verruf, weil die Menge der eingesetzten Silberionen inzwischen relevant geworden ist. «Das Problem ist einfach, dass sie biologisch wirksam sind, und wenn sie in der Umwelt auftauchen, wird es schwierig», so der Experte.

Nicht unumstritten

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat sich zu den antimikrobiellen Oberflächenbeschichtungen mit einem kleinen Merkblatt geäussert. Der Grundton ist dabei eher skeptisch, was die Wirksamkeit angeht. Denn damit eine Übertragung schädlicher Viren und Bakterien zwischen Personen verhindert werden könne, müsse die antimikrobielle Wirkung schnell und effektiv erfolgen. «Bei vielen Beschichtungen erfolgt die Reduktion jedoch entweder nur langsam, das heisst die Verminderung der Krankheitserreger dauert Stunden, oder die Reduktion der Krankheitserreger ist zu gering», schreibt das BAG.

Zusätzlich seien die zumeist trockenen Oberflächen in der Praxis weniger wirksam, weil es Feuchtigkeit brauche, damit sich die Wirkstoffe aus der Beschichtung lösen. Auch seien häufig berührte Oberflächen wie beispielsweise Türgriffe in der Realität mit Schmutz und Fett überlagert, was den direkten Kontakt zwischen Mikroorganismen und Wirkstoff beeinträchtige. Eine regelmässige Reinigung solcher Flächen sei deshalb wichtig.

Auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen und Umweltbelastung kommt das Amt eher zu einem kritischen Schluss und empfiehlt deshalb, den Einsatz antimikrobieller Produkte auf das notwendigste Mindestmass zu beschränken.

Aus Fehlern gelernt

«Wir haben wie viele andere ebenfalls antimikrobiellen Lack im Programm. Aber wir überlegen, ob wir das rausnehmen», sagt von Niederhäusern. Die Wirksamkeit sei begrenzt, auch wenn unter Laborbedingungen alles funktioniere. Es fehlten einfach die Beweise, dass es in der Praxis zielführend ist.

Die Branche der Farben und Lacke scheint vorsichtiger geworden zu sein. Auch von Nanopartikeln will man derzeit wenig wissen. Die Risiken seien einfach zu gross, weil man nicht wisse, wie sich solche Stoffe in der Umwelt verhalten. Hatten anfänglich viele Lackhersteller ihre antimikrobiell wirksamen Produkte beworben, muss man sie inzwischen auf den Websites suchen.

www.bag.admin.chwww.swisskrono.com/chwww.pfleiderer.de

Haftung mit Gewähr

Pinnwand und Flipchart sind in die Jahre gekommen. Angesagt sind stattdessen magnetisch wirksame Beschichtungen, im Fachjargon nennt man diese Eigenschaft ferromagnetisch. Denn die Schichten sind nicht selbst magnetisch, sondern haben die Eigenschaft, dass sie auf Magnete reagieren. Um ferromagnetische Flächen zu erstellen, kommen drei verschiedene Verfahren zum Einsatz.

Drei Möglichkeiten zum Anheften

Die günstigste und einfachste Lösung ist die Verwendung eines Lackes, der mit Eisenpartikeln versetzt ist. Je mehr Eisenpartikel, desto besser reagiert die Fläche auf den Magneten. Allerdings ist die mögliche Menge begrenzt und somit auch die Wirksamkeit einer solchen Oberflächenbeschichtung. «Ein Blatt Papier kann man gut aufhängen. Bei einem Karton wird es schon schwierig», erklärt von Niederhäusern.

Einen stärkeren magnetischen Hafteffekt erhält man, wenn man eine Folie oder ein Vlies einarbeitet, das magnetisch wirksam ist. Darauf kommt dann die Beschichtung, die oft mit besonders glatter Oberfläche ausgestattet auch als Whiteboard genutzt werden kann.

Auch Holzwerkstoffhersteller haben ferromagnetische Oberflächen. Während der Schweizer HPL-Hersteller Argolite für die Wirkung eine Papierschicht mit Eisenspänen beschichtet, verwendet man bei Pfleiderer und Resopal eine Folie als Funktionsschicht, die in den schichtigen Aufbau des HPL eingebettet ist.

«Die dritte Variante für die Herstellung eines Pinboards ist der Einsatz eines dünnen Lochbleches, das nach dem Aufkleben verspachtelt wird. Die Haftung ist dann nochmals deutlich stärker als bei der Folie», sagt von Niederhäusern. Was für den Maler am Bau kein Problem ist, gestaltet sich für den Schreiner beim Zuschnitt jedoch schwierig. Ganz abgesehen von der Funkenbildung beim Sägen, sind diese für den Schnitt durchs dünne Blech nicht geeignet. Es gab schon überfurnierte, mit Blech beschichtete Spanplatten, die aber wieder verschwunden sind, wohl aufgrund der problematischen Bearbeitung.

Können solche Bleche auf Trägermaterialien mit Fertigmass geklebt werden, dann lassen sich Bleche auch überfurnieren oder anders beschichten. Soll es eine farbige Fläche sein, kann auch mit einer Folie beschichtet werden, die dann wiederum beschreib- und abwischbar sein kann. «Der doppelte Nutzeffekt magnetisch und beschreibbar ist im Moment beliebt», weiss von Niederhäusern. Für die Beschichtung würden wasserbasierte und lösemittelhaltige Lacke infrage kommen. Was nicht gehe, sei eine ganz matte Oberfläche für beschreibbare Flächen.

www.argolite.chwww.pfleiderer.comwww.resopal.de

Christian Härtel, CH

Veröffentlichung: 19. September 2024 / Ausgabe 38/2024

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