Zwischen Handwerk und Industrie
Die Kombination aus Handwerk und Klein-serienproduktion ist typisch für eine Manufaktur. Hier zu sehen: Bettroste aus Arvenholz. Bild: Jacoby GmbH
Die Kombination aus Handwerk und Klein-serienproduktion ist typisch für eine Manufaktur. Hier zu sehen: Bettroste aus Arvenholz. Bild: Jacoby GmbH
Manufakturen. Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen einer Manufaktur und einer Schreinerei? Diese Frage haben sich zwei junge Unternehmen aus Basel gestellt, auf ihrem Weg zur eigenen Möbelmarke.
Wer sich bei Google auf die Suche nach hochwertigen Möbeln macht, stösst früher oder später auf den Begriff «Manufaktur». Eher früher als später, denn die Bezeichnung wird zuweilen oft verwendet. Ob hinter dem Angebot dann aber auch wirklich eine Möbelmanufaktur steht, kann wohl manchmal angezweifelt werden. Viele verbinden den Begriff aber mit Handwerk und hoher Qualität, was die Verwendung im Sinne des Marketings natürlich attraktiv macht. Fakt ist: Manufaktur ist markenrechtlich kein geschützter Begriff, was die Verwendung für jedermann möglich macht. Doch was bedeutet das Wort denn nun überhaupt?
Den Ursprung des Wortes findet man im Lateinischen. «Manus» ist die Hand und «factura» bedeutet machen. Manufaktur ist demnach die Bezeichnung für die Herstellung eines Produktes in Handarbeit. In der europäischen Wirtschaftsgeschichte waren die Manufakturen aber auch eine Zwischenstufe zwischen dem mittelalterlichen Handwerk und den Fabriken, die im Rahmen der Industrialisierung entstanden. Und genauso lässt sich die moderne Manufaktur auch einordnen; irgendwo zwischen dem traditionellen Handwerk und der industriellen Produktion. Die Grenzen sind dabei fliessend. Der Begriff definiert nur, dass ein Teil der Wertschöpfung in Handarbeit erfolgen muss.
In einer Manufaktur werden oftmals verschiedene Handwerke zusammengeführt. So arbeiteten früher beispielsweise Drechsler, Schlosser und Vergolder in einer Kutschenmanufaktur, und auch in modernen Unternehmen findet man oft verschiedene Berufsstände unter demselben Dach.
So kann es Sinn machen, in einer Möbelmanufaktur die Fachkenntnisse zur Holz- und Metallbearbeitung sowie diejenigen zum Polstern zusammenzuführen.
Ein weiterer Punkt, den eine Manufaktur von einem klassischen Handwerksbetrieb unterscheiden kann, ist die Produktionsweise. Während in einem kleinen Betrieb der Angestellte ein vollständiges Produkt herstellt, gibt es in einer Manufaktur oftmals eine Arbeitsteilung. Die Arbeiter spezialisieren sich auf bestimmte Arbeitsschritte, was zu einer Steigerung der Produktivität führt.
Eine Arbeitsteilung ist heutzutage auch in den meisten Schreinereien keine Seltenheit mehr. Demnach sind auch die Grenzen zwischen Manufaktur und Schreinerei fliessend. Dass die beiden Unternehmensstrukturen nahe beieinanderliegen, weiss auch Cyrill Hämisegger. Zusammen mit zwei Geschäftspartnern hat er vor sieben Jahren die Jacoby GmbH gegründet. Das Ziel des jungen Unternehmens aus Oberwil BL: weg von individuellen Schreineraufträgen hin zur eigenen Möbelkollektion. «Wir waren es leid, uns permanent Preise aus den Ärmeln zu schütteln», sagt Hämisegger. «Da haben wir uns gesagt, lass uns schöne Möbel machen, Möbel aus Massivholz mit Liebe und Charme, die ewig halten, nachhaltig sind und zu den Brockenstubenstücken von morgen werden.»
Rund 27 Möbel umfasst die Jacoby-Kollektion inzwischen. Im Onlineshop können die Kunden Grösse und Holzart individuell konfigurieren und sehen auch gleich, was das gute Stück kosten wird. «So hat unsere Kundschaft die Möglichkeit, sich über die verschiedenen Optionen zu informieren, und es findet bereits eine Art erste Beratung statt», sagt Hämisegger.
Ganz ohne individuelle Schreinerarbeiten geht es bei Jacoby aber noch nicht. Während Corona habe es zwar einen regelrechten Boom gegeben, da viele Leute ihr Urlaubsgeld anderweitig investiert haben, doch die Marke sei noch zu wenig etabliert, um sich selbst zu tragen. «Diese Zeit hat uns Mut gegeben, weiterzumachen, aber wir werden die Schreinerei bis auf Weiteres noch als zweites Standbein beibehalten», sagt Hämisegger. Die Richtung sei aber klar. Man wolle eine Möbelmarke sein, die auch nur als solche wahrgenommen wird.
Besonders spannend an diesem Prozess findet der Basler die gestalterische Freiheit und die Möglichkeit, an Verbindungen und Details zu tüfteln und zu perfektionieren. «Bei vielen individuellen Projekten macht man neue Erfahrungen, kann diese aber selten gleich wieder umsetzen. Wir wollen aber Möbel machen, die bis ins Detail durchdacht sind.»
Anders als die klassischen Schreineraufträge werden die Möbel aus der Kollektion in Kleinserien gefertigt. Bei einer Lieferfrist von sechs bis acht Wochen würden immer mehrere Bestellungen vom gleichen Möbeltyp zusammenkommen, die dann zusammen produziert werden können. «Da wir keine CNC im Betrieb haben, ist der Schablonenbau für uns ein wichtiges Thema», sagt Hämisegger. «Werden damit viele Friese und Verbindungen hergestellt, lohnt es sich natürlich, die Schablonen laufend zu optimieren.»
Die Schweizer Möbelindustrie hatte es zuletzt nicht einfach. Möbelhäuser wie Pfister, Lipo oder Conforama wurden in den vergangenen Jahren allesamt von der XXXLutz-Gruppe aufgekauft. Da kann man sich fragen, wie es gelingen soll, auf dem umkämpften Markt eine neue Möbelmarke zu etablieren. «Für uns ist die Suchmaschinenoptimierung für unsere Website sehr wichtig, da wir mit Google Keywords natürlich nicht mit XXXLutz oder Ikea mithalten können», sagt Hämisegger. Generell müsse sorgfältig abgeschätzt werden, wie das Budget für das Marketing eingesetzt werden soll. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen deshalb entschieden, nicht mehr an Messen zu gehen und das Geld dafür in eine Online-only-Strategie zu stecken. Die Erfahrungen durch Messeauftritte an der Blickfang oder auch im Schweizer Pavillon an der Möbelmesse in Mailand seien dennoch sehr wertvoll gewesen. «Das hat uns auch geholfen bei unserer Identitätsfindung, und gerade zu Beginn ist das direkte Feedback wichtig», sagt Hämisegger.
In einer Werkstatt, keine zehn Fahrminuten von der Jacoby GmbH entfernt, ist eine weitere Möbelmarke im Entstehen. Die beiden Schreiner Marvin Nix und Sebastian Freudenreich hatten mit ihrer Marke «du bois» im März dieses Jahres ihren ersten Messeauftritt an der Blickfang Basel.
«Der Zeitpunkt war vielleicht noch etwas früh, wir sind zwei Tage zuvor erst mit der finalen Version unseres Tisches fertig geworden», sagt Freudenreich. «Und auch finanziell war es ein grosser Posten für uns.»
Die Reaktionen auf den ausgestellten Tisch haben die zwei Schreiner dennoch motiviert, die Idee einer eigenen Möbelmarke weiterzuverfolgen. «Durch den Messeauftritt haben wir auch einen Auftrag für ein Bett erhalten, das nun mit dem gleichen gerundeten Übergang von Bein zur Zarge umgesetzt wird, wie beim Tisch», sagt Nix.
Mit der Möbelkollektion wollen die beiden Basler vor allem auch wieder mehr mit Massivholz arbeiten können. Im normalen Schreineralltag fertige man sonst mehrheitlich Spanplattenmöbel. «Mit der Marke ‹du bois› möchten wir eine andere Zielgruppe erreichen und auch mehr von unseren eigenen Designwünschen einbringen können», sagt Nix, und Freudenreich fügt an: «In dieser Zeit des schnellen Konsums wollen wir auch sensibilisieren, dass ein Möbel nicht nach zwei, drei Jahren ersetzt werden muss, und dadurch die Wertschätzung für das Handwerk wieder steigern.» Unterstützung im Bereich des Marketings erhalten die beiden Schreiner von Grafikdesigner und Geschäftspartner Nordin Jendoubi.
Während das Projekt vor gut einem Jahr noch unter dem Label «Holzmanufaktur» gestartet ist, haben sich Nix und Freudenreich inzwischen wieder etwas von dem Begriff gelöst. Die Bezeichnung werde momentan einfach sehr inflationär verwendet, deshalb nennen sie sich inzwischen ‹du bois studio›, wie die beiden erklären. «Es ist nicht so einfach, einen Begriff zu finden, der von einer klassischen Schreinerei unterscheidet und gleichzeitig definiert, was man macht», sagt Nix.
Wichtig sei aber insbesondere der erste Teil des Namens, und der bringe die Idee der Marke schliesslich ganz gut auf den Punkt, denn «du bois» heisst auf Deutsch «aus Holz». Passend dazu sollen die Möbelnamen der Kollektion ihren Ursprung alle in der französischen Sprache haben. Diese muss nun jedoch zuerst erschaffen werden, was noch Zeit und Geduld brauche. Denn eine neue Möbelmarke baut sich nicht einfach über Nacht auf.
Veröffentlichung: 26. September 2024 / Ausgabe 39/2024
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