Zukunftsmusik heute

Bild: Harmann Kardon, Maestro Kitchen Nur ein Gerät zum Einbau mit allen Funktionalitäten von Harmann Kardon. Durch das Touchscreen aus Glas lässt sich der Receiver mit bestehenden Geräten gut kombinieren.

Klingende Küchen.  Die Idee des Smarthome zeigt sich derzeit bei Musikanlangen für die Küche. Neben eigenen Lösungen der Küchenproduzenten rückt dabei die sogenannte Exciter-Technologie stärker ins Blickfeld. Eine Bestandsaufnahme auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept.

Es wäre doch schön: Man kommt nach Hause, startet auf dem Smartphone die Musik und lässt die Lautsprecher im Badezimmer, Flur und in der Küche gleichzeitig erklingen. Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer bleiben dagegen stumm. Und das einfach, weil man es so will.

Smarthome auf dem Weg

Noch ist es eher so, dass wir zwar das Smartphone in eine Docking-Station stecken können, die Musik aber aus mobilen Lautsprechern oder durch die fest installierte Hi-Fi-Anlage im Wohnbereich kommt. Der dem Smarthome zugrunde liegende Gedanke ist die Vernetzung der Technik, und damit eine intelligente Anwendung. Da der Anteil der Musik, die über Online-Streaming mittels Diensten wie Spotify, Simfy oder Napster empfangen wird, ohnehin zunimmt, liegt es nahe, diese direkt vom mobilen Endgerät an die Lautsprecher zu senden. Erste Boten, und damit Produkte einer solchen Entwicklung, finden sich bereits. Was die Musik und ihre Vernetzung angeht, scheint zunächst vor allem die Küche interessant.

So etwa Maestro Kitchen «TM 100», welche vom niederländischen Unternehmen Verburg Audio in Zusammenarbeit mit Harmann Kardon entwickelt wurde. Mit Maestro Kitchen will man die Zutaten liefern, damit das Lifestyle-Objekt Küche auch gut klingt. Kern des Systems ist ein Verstärker mit Radio, CD-Spieler, USB-Eingang und natürlich Bluetooth-Funktion. Der zum System gehörende Subwoofer ist mit 95 mm Bauhöhe zum Beispiel in den Sockel der Küche integrierbar.

So verfährt auch Orea-Küchen, einer von bislang zwei Schweizer Partnern für das System. Die Lautsprecher werden auf der Innenseite von Türen oder Klappen platziert. Dazu wird die Exciter-Technik, ein Körperschallwandler, verwendet. Das Exciter-Prinzip eignet sich vor allem dann, wenn man die Emittenten der Musik unsichtbar anbringen möchte. So sieht man höchstens das Einbaugerät, das mit zeitgemässer Glasoptik an der Front unauffällig etwa über dem Backofen eingebaut werden kann. Die Orea AG zeigt das System Maestro Kitchen in ihrer Ausstellung im Stilhaus in Rothrist hinter einer Drehtür versteckt. Die Einbautiefe von 215 mm lässt dies zu. Co Verburg, Direktor des gleichnamigen Unternehmens, verfolgte die Idee einer Musiklösung für alle Räume seit sechs Jahren konzentrierte sich aber zunächst auf die Küche, «da die Zeit noch nicht reif war», so Verburg. Jetzt arbeitet er weiter in Sachen Zukunftsmusik und sieht dabei die Möbelbauer in guter Ausgangslage. «Die ersten Küchenradios wurden durch Möbelhäuser verkauft. Erst später dann separierte sich das Segment dieser elektrischen Geräte», so Verburg.

Die Musik liegt im Schrank

Ein voll integriertes Soundmodul hat auch der österreichische Küchenhersteller Ewe geschaffen. Mit integriertem Verstärker bildet es einen schmalen Streifen zwischen zwei Oberschränken. Nicht mit Excitern, sondern mit Membranlautsprechern ausgestattet, sind diese in dem Boxenmodul nach dem D’Appolito-System angeordnet. Dabei soll die Platzierung der Lautsprecher zu einer Verminderung von Schallreflexion an Boden und Decke führen und so eine bessere räumliche Auflösung aufweisen. Das D’Appolito-Prinzip wird häufig bei Heimkinosystemen verbaut, um für mehrere Zuhörer gleichzeitig eine gute Raumakustik zu erzeugen.

Mit Membran- und Exciter-Technik gleichermassen arbeitet der Beschlägehersteller Häfele an der Zukunftsmusik. Dazu hat das Unternehmen gleich mehrere Lösungen zum Entertainment für Räume und Möbel ins Programm genommen. Etwa eine Unterputz-Musikstation mit integriertem Membranlautsprecher und Bluetooth-Schnittstelle, die sich im 12-Volt-Netz der Lichtkomponenten andocken lässt. Interessant für Schreiner ist auch das komplett verkabelte Exciter-System «BTR 205» für den Einbau in Möbel. Das Set umfasst einen Bluetooth-Receiver, einen integrierten Stereoverstärker und zwei Exciter-Lautsprecher. Angesteuert wird das Ganze über Smartphone oder Tablet. Daneben hat Häfele eine mobile Variante mit Exciter-Technik, den «Soundwaver», auf den Markt gebracht. Der kleine zylindrische Begleiter wird einfach auf eine harte Oberfläche aufgesetzt und nutzt diese als Resonanzkörper.

Körperschall für gehobene Ansprüche

Für viele, vor allem jüngere Musikhörer, ist die Netzwerkfähigkeit der Geräte ein wichtiges Ausstattungsmerkmal geworden, weshalb auch Hi-Fi-Komponenten sich deutlich in diese Richtung entwickeln. Clemens Heddier beschäftigt sich schon viele Jahre mit Körperschallwandlern für gehobene Ansprüche und hat für den unsichtbaren Musikgenuss auch einen passenden Verstärker gebaut, speziell für die etwas anderen technischen Ansprüche der Exciter-Technik. Der «Smallwonder Amp» der Heddier Electronic GmbH ist für den versteckten Einbau gedacht und deshalb nur 18,5 mm hoch. So passt dieser ins System der gängigen Materialstärke von 19 mm.

Komponenten optimieren

Dafür erforderlich war neben einem geeigneten Wärmemanagement auch die Anpassung der Einzelkomponenten. «Normale Verstärker sind nicht für die Exciter-Technik optimiert, sondern für Membranlautsprecher», so Heddier. Mit 2 × 60 Watt bringt das Gerät auch für grössere Räume genügend Leistung. Ausgestattet mit allerlei Anschlüssen, wird das Gerät mittels Bluetooth angesteuert und kann mit einer USB-Schnittstelle auch auf eine individuelle Situation eingestellt werden. Die Anpassung erfolgt am Rechner, auch mithilfe eines implementierten 13-Kanal-Equalizers, ein wichtiger Punkt bei der Exciter-Technik, denn je nach Einbausituation, Trägermaterial und dessen Grösse muss im Einzelfall optimiert werden. Die Einstellungen lassen sich speichern. «Manchmal macht es auch Sinn, mit vier anstelle von zwei Excitern zu arbeiten und so die tieferen von den hohen Frequenzen zu trennen», so Heddier. Dazu werden beim sogenannten Presetting die Übertragungsfunktionen des Verstärkers optimiert.

Versuch und Irrtum

Und das ist vielleicht das grösste Hindernis der Körperschallwandler. Soll eine hohe Klangqualität erzielt werden, dann müssen je nach Konstruktion des Möbels oder einer Einbausituation im Innenausbau die Komponenten entsprechend optimiert werden. Denn wie eine Konstruktion klingt, ob einzelne Frequenzbereiche vielleicht zu schwach wiedergegeben werden, kann nur durch Messungen im jeweiligen konkreten Fall herausgefunden werden. Die umfänglichen Einstellmöglichkeiten am Verstärker sind dabei nur eine Stellschraube. Materialanpassungen, Veränderung der Anzahl oder der Platzierung der Exciter auf der Fläche können ebenfalls die gewünschten Effekte bringen.

Für hochstehende Ergebnisse braucht es deshalb geeignete Partner bei der Produktentwicklung. Deshalb begleitet Clemens Heddier eine klingende Produktentwicklung auch. «In der Regel bespricht man das Produkt und baut an einem Prototyp die Technik ein, misst, optimiert nach den jeweiligen Bedürfnissen und kann dann einen optimierten Prototyp erstellen», so Heddier. In der Schweiz ist die Ackutech AG die Partnerin des Herstellers, denn die Technik der Heddier Electronic GmbH steckt auch in der Soundstation «AckuSound». Mit allen Funktionalitäten ausgestattet, bietet das Unternehmen ein Set mit Bluetooth-Empfänger, digitalem Soundprozessor, Verstärker und Körperschallresonatoren an. Die Körperschallwandler und die versteckt zu montierenden Verstärker ermöglichen gänzlich neue Möglichkeiten, Klang unsichtbar zu integrieren. Neben Möbeln gibt es auch schon Produkte wie klingende Badewannen oder Türen. «Vor allem im Innenausbau von Hotelzimmern kommt die Technik oft zum Einsatz», weiss Heddier.

Die Exciter-Technik soll neben Holzwerkstoffen auch auf Glas- oder metallischen Oberflächen funktionieren. So lassen sich auch Schaufensterscheiben oder Wintergärten als Klangkörper nutzen. Den Skeptikern bleibt aber nur eines: selbst die Hörprobe machen.

www.maestrokitchen.comwww.orea-kuechen.chwww.ewe.atwww.haefele.chwww.smallwonder.dewww.ackutech.ch

Luft- oder Körperschall?

Wie die Exciter-Technik funktioniert

Ein Lautsprecher liefert Schallwellen, die durch Schwingungen seiner Membran erzeugt werden. Beim Exciter, der auch Körperschallwandler oder Bodyshaker genannt wird, fehlt diese Membran. Stattdessen liefert eine

schwingfähige Masse Impulse, die durch eine Montageplatte auf ein Trägermaterial übertragen werden. Diese wird so zum Schwingen angeregt. Es handelt sich dabei also um einen hohen Anteil an Körperschall.

Fachleute betonen allerdings, dass die Qualität des wiedergegebenen Musik- oder Sprachsignals stark von den Eigenschaften der anzuregenden Platte abhängt. Es komme auf das Material, seine Abmessungen und auch die Form an. Befestigt wird ein Exciter auf der Fläche durch Schrauben oder Kleben. Wichtig ist, dass die Bodenplatte des Exciters plan aufliegt. Sonst kann es schnell zu scheppernden Nebengeräuschen kommen. Je nach Montageort eines Exciters wie auf Türen oder Klappen kann sogar eine Entkoppelung nötig sein. Wer die Bauteile selbst verwenden möchte, muss die konkrete Situation letztlich zunächst ausprobieren, um vor Überraschungen sicher zu sein. Grundsätzlich gilt: Je grösser die Platte, desto voller ist der Klang. Und: der Wirkungsgrad (Schalldruckpegel zu Eingangsleistung) sinkt mit zunehmendem Gewicht der Platte. Gegenüber einem Standardlautsprecher ist der Wirkungsgrad eines Exciters generell geringer. Das muss bei der Verstärkerleistung berücksichtigt werden. Demgegenüber stehen Vorteile wie die Möglichkeit einer unsichtbaren Montage. Dank der geringen Bauteilhöhe kann dies auch an relativ beliebiger Stelle im Möbel- und Innenausbau sein.

ch

Veröffentlichung: 04. Juni 2015 / Ausgabe 23/2015

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