Wird «Dukta» endlich flügge?

Bilder: Fries & Zumbühl Produkte können einem Material Flügel verleihen. Der Hocker von Fries & Zumbühl setzt die Vorzüge von «Dukta» in Szene.

Produktentwicklung.  Der Weg eines Produkts von der Idee bis zur Marktreife ist steinig. Das wird am Beispiel des Einschneideverfahrens «Dukta» offensichtlich. Vor vier Jahren brachten die Entwickler den Stein ins Rollen. Nun scheint der Markt in Blickweite.

Dank der Ausstellung Wood Loop im Gewerbemuseum Winterthur ist «Dukta» zurzeit in aller Munde. Das Einschneideverfahren, wie es die Entwickler nennen, begeistert durch optische Reize sowie durch seine Flexibilität. Letztere übersteigt diejenige von bekannten, einseitig eingeschnittenen Holzwerkstoffen in dem Sinne, dass die Platten von beiden Seiten gerillt und damit besser zu biegen sind. Mittlerweile kann der Schreiner aus einer Kollektion von fünf verschiedenen Schnitten auswählen.

Palmares eines Werkstoffs

Bereits 2006 hatten Serge Lunin und Christian Kuhn die Idee, starre Holzwerkstoffe dreidimensional zu verformen. Nach zahlreichen Materialversuchen gewannen die beiden mit «Dukta» einen von drei Anerkennungspreisen von Holz 21, dem Förderprogramm des Bundesamtes für Umwelt. Zwei Jahre später erhielten sie für ihre Arbeit den Hauptpreis der Region Nord des Prix Lignum. Im August 2009 versuchten die Initianten, der Idee weiter Konturen zu verleihen, indem sie «Dukta» beim Bund als KTI-Projekt anmeldeten. Das Projekt wurde bewilligt, und in der Folge kam die Zusammenarbeit von zwei Fachhochschulen mit einem Industriepartner, der Schreinerei Schneider in Pratteln, zustande. Das Zusammenwirken von Forschung und Industrie ist eine der Grundvoraussetzungen, um bei der KTI (Kommission für Technologie und Innovation) unterstützende finanzielle Mittel beantragen zu können. Der Bund lässt sich ein solches Projekt jeweils genau so viel kosten, wie der Industriepartner investiert.

Auf der Suche nach Anwendungen

Neben der Schreinerei Schneider waren die Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst sowie die Berner Fachhochschule für Architektur, Holz und Bau als Forschungspartner ins Projekt involviert.

Hatten Serge Lunin und Christian Kuhn die ersten Fräsversuche noch mit der Lamellomaschine vorgenommen, verwendete man für die Einschnitte bald schon CNC-Bearbeitungszentren. Nach einer ersten Versuchsphase schien vor zwei Jahren der Durchbruch absehbar, als «Dukta» für den Eidgenössischen Designpreis nominiert wurde. Und gleichwohl fehlten konkrete Anwendungsbeispiele für die Erfindung. Auf der Suche nach solchen entstand Mitte 2012 eine Versuchs- und Demonstrationsanlage in einem Industriegebäude in Zürich, wo die positiven Eigenschaften von «Dukta» auf kleinstem Raum zum Einsatz kommen sollten. Auf der Versuchsanlage liessen sich auch akustische Tests durchführen. Denn für Schall absorbierende Anwendungen – das kristallisierte sich heraus – könnte das neue Material dank seiner Einschnitte besonders gut geeignet sein. Doch eine Umsetzung an der neuen Zürcher Hochschule der Künste lässt vorerst noch auf sich warten. Da stellt sich unweigerlich die Frage, wie es mit dem emotionsgeladenen Werkstoff weitergeht.

Kontroverses Material

Einerseits verblüffen die Fähigkeiten des eingeschnittenen Holzes: Holzflächen, die sich fast uneingeschränkt biegen und anpassen lassen, faszinieren. Experimentell testeten die Entwickler diverse Schnittmuster in der Anwendung. Die so entstandenen Halbfabrikate dienten wiederum als Basis für Produktstudien. Eindrücklich ist das Beispiel des Knotens, der, in Holz geschlungen, eine ganz besondere Ausdruckskraft besitzt. «Das intensive Schnittverfahren, welches hier zur Anwendung kommt, ist für die kommerzielle Verwendung aber zu heikel», sagt Serge Lunin. Das geformte Material müsste vorerst ausgesteift werden, um nachhaltig eine Funktion erfüllen zu können. Es hat also einen Grund, warum man den derart fein geschnittenen Werkstoff nicht in der Musterbox der Schneider AG wiederfindet. Denn die Flexibilität des Werkstoffs hat ebenso ihre Schattenseite: Eine individuelle Form verlangt nach individuellem Formenbau. Dieser verteuert das Produkt. «Es ist kontrovers», meint Lunin dazu. «Einerseits werde ich überhäuft mit Anfragen, auf der anderen Seite lassen die Anwendungen derweil noch etwas auf sich warten», sagt er. Es scheint fast, als gäbe es irgendwo in der Kette noch einen Knoten zu lösen, um die Produktion endgültig anzustossen.

Gut Ding will Weile haben

Karl Enderlin von der Schneider AG sieht es etwas anders: «Wir erhalten laufend Anfragen für konkrete Objekte», sagt er. Eingesetzt würde «Dukta» in erster Linie an Decken, Wänden oder als Raumtrenner. Bei Letzterem meistens als Sichtschutz in Büros. Für diese Anwendungen sind die Schall absorbierenden Eigenschaften des Materials offenbar gefragt. Nicht zur Anwendung kommt «Dukta» im Bereich Brandschutz. Durch die Einschnitte werden allfällige Brandkennziffern des Grundmaterials hinfällig. «Wir testen noch an einer Beschichtung, die das Material widerstands-fähiger macht», versichert Serge Lunin.

Nicht auf technische, sondern in erster Linie auf die optischen Vorzüge des Werkstoffs setzt das Designerduo Fries & Zumbühl. Im Rahmen der Ausstellung Wood Loop haben sich Jakob Zumbühl und Kevin Fries intensiv mit dem neuen Material befasst, experimentell die Möglichkeiten ausgelotet und diese in mehreren Objekten dokumentiert. Zum Teil sind diese noch ohne Nutzen, doch gerade aus solchen Spielereien ergeben sich nicht selten plötzlich die interessantesten Anwendungen. Mit einem Hocker thematisierten sie schliesslich die Verformbarkeit des Werkstoffs. Der Grundgedanke dahinter: Das Rohmaterial wird eingeschnitten geliefert und dann vom Kun-den zum dreidimensionalen Produkt zusammengebaut.

Während sich Designer Jakob Zumbühl mit dem Material befasste, drehten sich seine Gedanken unter anderem auch darum, wie sich «Dukta» kostengünstiger produzieren liesse: Weil CNC-Maschinenstunden teuer sind, fände er gut, wenn ebenso kleinere Schreinereien das Material in Lizenz produzieren könnten, indem sie beispielsweise einen Fräsersatz mieten würden. «So könnte man mit der Produktion von ‹Dukta› allenfalls Maschinen besser auslasten», stellt er sich vor. In dieser Terminologie würde der Designer den Maschinencode für die Herstellung von ganz spezifischen Produkten per USB-Stick mitliefern.

Produktionstechniken erweitern

Auf diesen Vorschlag angesprochen, hat Karl Enderlin jedoch eine klare Antwort: «Der Werkstoff wird weiterhin bei uns produziert», sagt er. «‹Dukta› sieht zwar vielleicht simpel aus, ist es aber keinesfalls», gibt er weiter zu bedenken. In der Produktion liege ein grosses Know-how, welches die Firma auf keinen Fall einfach so preisgeben wolle.

Serge Lunin seinerseits tüftelt bereits an der nächsten möglichen Anwendung. Neben Fräsen könnte er sich auch vorstellen, die Schnitte mittels Laser-Technologie ins Material zu bringen. Das Verfahren sei aber zu langsam, dementiert er die abgeklärte Idee gleich wieder selbst. Oder wäre vielleicht Stanzen eine Möglichkeit? Auch die Stärken und Schwächen des altbewährten Verfahrens hat Lunin bereits erörtert. Diese Produktionstechnik verlangt nach einem Stanzblech und lohnt sich daher erst mit grösserer Stückzahl. Das widerspricht der individuellen Formgebung. Zudem lassen sich nur dünne Teile stanzen.

An frischen Ideen im Umgang mit dem neuen Material soll es nicht mangeln. In der Werkstatt des Gewerbemuseums Winterthur laufen jeweils donnerstags und sonntags die Maschinen für besonders tatkräftige Besucher der Ausstellung.

www.gewerbemuseum.chwww.dukta.comwww.schreinerei-schneider.chwww.frieszumbuehl.ch

KTI in Kürze

Wirtschaftsförderung als Ziel

Die Kommission für Technologie und Innovation KTI ist die Agentur des Bun- des zur Förderung der wissenschaftsbasierten Innovation in der Schweiz. Nebenamtliche Experten, Coaches und die Geschäftsstelle engagieren sich, um die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zu fördern. Unterstützt wird dort, wo Innovation ins Stocken gerät oder Marktpotenzial ohne die KTI ungenutzt bliebe.

Im Jahr 2011 beurteilte die Kommission insgesamt 1110 Gesuche, wovon 556 bewilligt wurden. Über 70% der Projektanfragen stammten von kleinen und mittleren Unternehmen. Für bewilligte Projekte sieht die KTI folgenden Projektablauf vor:

  • Idee: Neues Produkt, Verfahren oder Material
  • Partnersuche: Forschungsstätte, even- tuell weitere Industriepartner
  • Recherchen: Stand der Technik national und international
  • Formulierung Projekt: Forschungs- und Finanzplan, eventuell Businessplan
  • Einreichung Formular: Ausfüllen und einreichen des offiziellen KTI-Beitragsgesuchs
  • Prüfung KTI-Beitragsgesuch: Eventuell Neuzuteilung des Förderbereiches, Evaluationsentscheid
  • Subventionsvertrag und Auszahlungsbegehren (je nach Beschluss)
  • Während laufender Projekte: Wissenschaftlicher Zwischenbericht (erster Bericht nach drei Monaten, danach alle sechs Monate). Finanzieller Zwi- schenbericht alle zwölf Monate. Go/No-Go Reviews, je nach Beschluss und Projektplan nach Erreichen von Meilensteinen.
  • Projektabschluss: Wissenschaftlicher und finaler Schlussbericht sowie Umsetzungsplan einen Monat nach Projektabschluss. Review-Meeting durch KTI-Experten, je nach Beschluss und/oder Projektverlauf.
www.kti.admin.ch

MW

Veröffentlichung: 11. April 2013 / Ausgabe 15/2013

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