Wie soll man heute kleben?

Technik. Kaum eine Schreinerei kommt heute ohne Kantenleimer aus. Die Technik hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, neue Systeme wie das Lasern drängen auf den Markt. Wer eine Maschine anschaffen will, darf vor allem eines nicht: die Übersicht verlieren.

Noch vor wenigen Jahrzehnten hat man Kanten mit einfachsten mechanischen Hilfen wie Spannknechten und Leimrahmen angeklebt. Kaum jemand hat geahnt, dass man anstelle der halben Stunde, welche das ­Anleimen einer Kante damals noch erforderte, heute innert weniger Sekunden die Schmalflächen einer Platte verschlossen hat. Und die moderne Technik beschränkt sich nicht nur auf das Ankleben des Kantenmaterials, sondern umfasst auch die ganze Nachbearbeitung längs, quer und sogar an der Ecke.

Alles möglich?

«Grundsätzlich ist heute fast für jede Bearbeitung ein Aggregat innerhalb der Kantenanleimmaschinen integrier- und über die Steuerung kontrollierbar», sagt Severin Niklaus von der Homag Schweiz AG. Entscheidend dafür ist nur noch die Maschinenlänge respektive welche Aggregate Platz finden müssen. Für handwerklich orientierte Schreiner empfehlen die Maschinenhändler eine minimale Ausrüstung, um möglichst effizient produzieren zu können. Dazu zählen neben den Grundfunktionen Fügen, Bündigfräsen und Kappen, das Flächen- und Stirnrunden sowie das Eckkopieren. «Ich empfehle jedem Interessenten, die Maschinen so zu konfigurieren, dass keine Nachbearbeitung mehr nötig ist. Denn die Maschinen sind, was die Genauigkeit anbelangt, der manuellen Nachbearbeitung deutlich überlegen», sagt Niklaus. Wer also noch Hand anlegen muss, beeinflusst das Ergebnis nur negativ. Um alle Schichtstoff- oder Kunststoffkanten bis etwa 12 mm Dicke ohne spätere manuelle Nachbearbeitung zu applizieren, braucht es neben den Standardaggregaten zum Kappen und Bündigfräsen auch Flächen- und Radiuszieh­klingen, eine Applikationseinheit für das Trennmittel und eventuell noch eine Schwabbeleinheit zur Reinigung des Kantenbereichs. 

Stabile Komponenten bevorzugen

Bevor man einen Kantenleimer kauft, lohnt sich die kritische Prüfung der einzelnen Bearbeitungsstationen. Diese können sehr unterschiedlich aufgebaut sein. Das lässt sich aber nicht immer auf den ersten Blick erkennen. Wichtig ist die massive Bauweise der Gleitschienen. Auf ihnen fahren die Bearbeitungsstationen, zum Beispiel die Kapp­aggregate, auf und ab. Zu schwach konzipierte Schienen oder billige Komponenten an den Laufwagen halten die Belastung nur kurze Zeit aus, die Arbeitsqualität kann bereits nach kurzer Zeit abnehmen. Obwohl auch bei modernen Maschinen praktisch alle Bearbeitungsfunktionen über Tastsysteme funktionieren und darum bei Materialabnützung weniger empfindlich reagieren sollten, wirkt sich bereits sehr wenig Spiel negativ auf die Kantenqualität aus. Problematisch sind die hohen Beschleunigungskräfte, vor allem an den Kapp- und Kopiergeräten. Die Aggregate werden mit steigender Vorschubgeschwindigkeit auch deutlich stärker belastet. Wer als Maschinenhersteller mit viel Vorschub wirbt, muss also auch entsprechend stabile Komponenten vorweisen können. Ob die verwendeten Laufschienen und Rollen hochwertig sind, lässt sich von Laien nur schwer feststellen. Trotzdem lohnt sich ein kritischer Blick auf die Komponenten und eine Nachfrage bei Schreinerkollegen, die bereits eine entsprechende Anlage in Betrieb haben. 

Details entscheiden über Qualität

Unterscheidungsmerkmale gibt es auch bei der Anordnung von Abtastvorrichtungen. Wer nahe beim Fräswerkzeug abtastet, erreicht deutlich bessere Resultate, denn Spanplatten nehmen an der Kante schnell Feuchtigkeit auf und reagieren dann in Form einer Dickenzunahme. Bei einigen Anlagen besteht der Fräskopf für das längsseitige Bündigfräsen aus einem kombinierten Flach- und Rundfräser, wobei das Rundprofil motorseitig angebracht ist. Die Umstellung von der geraden zur gerundeten Kante erfolgt, indem man den Fräser bei ­etwas schräg gestellter Welle soweit zum Werkstück hin verschiebt, bis der Runder die Kante erreicht. Damit verschiebt sich aber auch der Tastpunkt weg von der Kante und die Ungenauigkeiten nehmen zu.

Kinderleichte Bedienung?

«Alle Einstellungen an den Aggregaten sollten über vorgegebene Programme aus der Steuerung erfolgen. An den Aggregaten justiert man höchstens noch die Feineinstellungen», erklärt Niklaus. Tatsächlich haben sich CNC-gestützte Steuerungen durchgesetzt und manuelle Systeme weitgehend ersetzt. Nur noch sehr einfache, kleine Maschinen kommen ohne digitale Hilfsmittel aus. Bereits in mittleren Preis- und Leistungsklassen gehören programmgesteuerte Systeme zum Standard. «Idealerweise sollten sich in einem Betrieb aber nur wenige Personen um das Erstellen und die Pflege der Programme kümmern», sagt Niklaus. Es brauche einiges an Erfahrung und Kenntnisse der vorhandenen Technik, um Programme zu entwickeln, die hohe und vor allem regelmässig gute Ergebnisse ermöglichen. Alle anderen Maschinenbenutzer sollten sich nur als Programmanwender ­betätigen. Solche Programme erlauben die Auswahl eines Kantentypes mit hinterlegten Bearbeitungsparametern. Zusätzlich braucht es vordefinierte Varianten zur gewünschten Kanten- und Eckausbildung. «Damit kann man zu den vorgegebenen Kanten alle sinnvollen Bearbeitungsmöglichkeiten wählen und automatisch einstellen lassen», meint Niklaus.

Späne müssen weg!

Ebenfalls grossen Einfluss auf die Verleimqualität hat die Späneabsaugung. Auf den Werkstücken liegenbleibende Splitter oder Späne, welche bei der rotierenden Bearbeitung erneut in den Bearbeitungsbereich ­gelangen, trüben das Ergebnis wesentlich. «Gelangt ein Span unter eine Tastrolle ist die manuelle Nachbearbeitung unausweich-lich», sagt Severin Niklaus. Innenabsaugendes Bearbeitungswerkzeug vereinfacht den Späneabtransport. Doch sie alleine können noch nicht absolute Spanfreiheit garantieren. Zusätzlich braucht es strömungsoptimierte Absaugekanäle und eine leistungs­fähige Luftlenkung. Dabei gilt es, optimale Absaugeleistung mit minimaler Luftmenge zu verbinden. Die benötigte Absaugeleistung hat direkten Einfluss auf den Energieverbrauch der Anlagen. Kantenleimer verbrauchen die meiste Energie bei der Absaugung, das Sparpotenzial ist deswegen besonders gross. Dem Energieverbrauch wird man in Zukunft wohl noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Energiekosten sind aber auch bei der Auswahl der Verleimmethode ein Thema. Je nach dem, welches System eingesetzt wird, kann sich der Bedarf drastisch verändern.

Laser und Plasma polarisieren

Die Energieeffizienz ist denn nur ein Grund von vielen, warum zurzeit auf Messen, Ausstellungen und in der Fachliteratur heftig über Leimsysteme beziehungsweise über die Applikationsmethoden diskutiert wird. Zur Auswahl stehen thermoplastische Klebstoffsysteme mit Copolymer (EVA) oder duroplastische Polyurethansysteme (PU). Als leimlose Alternative steht zudem das Kleben mittels Laser- oder Plasmatechnik hoch im Kurs. Diese neue Technik wird sich im Handwerksbereich aber kaum durchsetzen, weil sich die hohen Kosten kaum mit vernünftigem Aufwand refinanzieren lassen. (siehe Artikel auf Seite 14) Nach wie vor stehen für Schreiner die beiden klebstoffbasierenden Techniken im Vordergrund. Als Hauptargument für den Laser- oder Plasmaeinsatz wird jeweils die optische Nullfuge vorgebracht. Bei näherer Betrachtung stellt man aber schnell einmal fest, dass moderne Leimsysteme bei diesem Punkt durchaus mithalten können. 

Kaum Unterschiede feststellbar?

Verschiedene Faktoren, wie sehr genau dosierbare Klebstoffmengen oder die Reduktion von im Klebstoff eingesetzten Füllstoffen, ermöglichen heute Fugenbreiten von wenigen Zehntelsmillimetern. Bei Vergleichen sind EVA- oder PU-bekantete Werkstücke kaum mehr von Laser-Werkstücken zu unterscheiden, und dies nicht nur, wenn es um perfekte Referenzmuster geht, sondern auch «live» bei Werkstücken direkt aus der Produktion. «Unter dem Strich ist die Differenz beim Kantenbild einfach zu klein, um wirklich eine Rolle zu spielen», sagt Silvan Steinmann von der Arthur Bründler AG. Er verkauft Maschinen der Firma Ott, die als eine der wenigen nicht auf die neuen Technologien setzt. Die Differenz von konven­tionellen Systemen zu Laser, Plasma und Co. hat sich innert kurzer Zeit merklich verringert. «Sich nur auf das Thema Leimfuge zu versteifen, ist nicht gut», sagt Steinmann. Wichtig sei die Bearbeitung nach dem Verleimen. Nur wenn diese optimal ausgerichtet sei, erziele man ein gutes Ergebnis. Die Wahl des Applikationssystems spiele dabei wohl eher eine untergeordnete Rolle. 

Schmelzkleber legen zu

Wer konventionell klebt, das heisst, mit ­einem auf die Kante oder das Werkstück aufzubringenden Klebstoff, hat die Wahl zwischen Schmelzkleber (EVA) und Polyurethankleber. Diese beiden Typen unterscheiden sich in der Formulierung und erfüllen unterschiedliche Anforderungen an der Leimfuge. Einfache Schmelzkleber aus EVA (Ethylen-Vinyl-Acetat) sind thermoplastisch und lassen sich mittels Wärmezugabe verflüssigen. Sie werden beim Abkühlen wieder fest. Die Verarbeitung ist sehr einfach und man kann die Schmelzkleber ohne weiteres mehrmals wieder verflüssigen. Leimresten müssen – sofern sich durch das stete Heizen der Masse keine Farbveränderungen einstellen – nach Auftragsende nicht aus den Schmelzeinheiten entfernt werden. Die Wärmebeständigkeit an der Leimfuge liegt bei 80 bis 100 Grad und damit in ­einem Bereich, der in der Küche an bestimmten Orten bereits erreicht werden kann. Auch bei der Feuchtebeständigkeit muss man Abstriche in Kauf nehmen. Neueste Entwicklungen in diesem Bereich setzen aber auf eine Teilvernetzung der Thermoplaste. Sie werden in Zukunft wohl noch deutlich leistungsfähiger sein als bisher. 

Wirtschaftlich erst mit der Menge

Als Alternative zu den EVA-Produkten setzt man schon länger Duroplaste auf Polyurethanbasis ein, die deutlich mehr als 150° Celsius aushalten und zudem feuchtefest sind. PU-Kleber werden teilvernetzt zu Granulat oder Pasten verarbeitet und im Leimaggregat geschmolzen. Beim Kleben selber funktionieren sie ähnlich wie ein Schmelzkleber, vernetzen dann aber innert Tagen zu einem Duroplast. Die Vernetzung erfolgt über Feuchtigkeit aus dem Platten­innern. Jedoch das Auskühlen allein führt ohne Feuchtezufuhr nicht zur Vernetzung. Ohne Kontakt mit Wasserdampf lassen sich solche Klebstoffe über längere Zeit lagern. Je nach Offenheit des Leimsystems muss man Leimresten also nicht unbedingt entsorgen. Bedingung für einen wirtschaftlichen Betrieb ist aber in jedem Fall die ­Auslastung. Wer sein PU-System nur selten braucht, wird kaum wirtschaftlich bekanten können. 

Das Klebstoffhandling ist bei einer Neumaschine dementsprechend kritisch zu beurteilen. Mehrfachaggregate und Wechselsysteme können die Frage nach dem richtigen Klebstoffsystem einfacher machen. Sie lassen sich auch einsetzen, um den jeweils farblich passenden Klebstoff einfach einwechseln zu können.

Insgesamt ist die Beschaffung eines Kantenanleimers ein komplexer Vorgang, bei dem es viele Faktoren zu beachten gilt – und die Entwicklung ist wohl noch lange nicht am Endpunkt angelangt. wi

 

Anschaffungshilfe

Was muss man beachten?

Sorgfältige Bedarfsanalyse: Was muss geklebt werden, wie viele Laufmeter fallen an?

Ausrüstung der Maschine: Die Werkstücke sollten fertig bearbeitet aus der Maschine kommen. Zur Grundausrüstung gehören daher neben dem zweiwelligen Fügen auch Aggregate wie Ziehklingen, Eckkopierer und der Trennmittelauftrag.

Gewicht der Maschine: Nur eine schwere und massive Grundkonstruktion ist stabil genug, um gleichbleibende Qualität zu garantieren.

Ausführung der Aggregate: Leichte Motoren reduzieren die Beschleunigung. Stabile Schienen und Lauf-rollen verlängern die Laufzeit.

Klebstoffsysteme: Kleben oder -Lasern? Für Schreiner lassen sich die hohen Investitionskosten für Laser und Plasma kaum rechtfertigen. Besser auf die Verarbeitungsqualität Wert legen und gegebenenfalls bei einem Kollegen Lasern lassen, wenn es verlangt wird. Schmelzklebersys-teme decken ein sehr grosses Anwendungsspektrum ab. PU-Systeme sind sehr aufwendig im Unterhalt und rechnen sich nur bei regelmässigem Einsatz.

Steuerung: Möglichst wenig an den Aggregaten einstellen – moderne Maschinen lassen sich vom Bedien-panel aus steuern. Die Vernetzung mit der Branchensoftware bringt nur etwas, wenn ein Mehrfachkanten-magazin vorhanden ist.

 

Veröffentlichung: 03. November 2011 / Ausgabe 44/2011

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