Wertschöpfung als Subunternehmer
Es gibt verschiedene Wege, wie der Schrei-ner zu einer Leistungserklärung kommt. Quelle: VSSM
Es gibt verschiedene Wege, wie der Schrei-ner zu einer Leistungserklärung kommt. Quelle: VSSM
Normen. Für viele Schreiner ist es wichtig, dass sie selber noch wertschöpfende Tätigkeiten an Aussentüren mit Brandschutz- oder Fluchtwegeigenschaften ausführen können. Agieren sie als Subunternehmer des Herstellers, haben sie zwei verschiedene Wege zur Auswahl.
Seit dem 1. November 2019 gelten für Aussentüren mit Brandschutz-, Rauchschutz- oder Fluchtwegeigenschaften die harmonisierten Normen SN EN 16034 und SN EN 14351-1. Wieder in weite Ferne gerückt ist die Harmonisierung der Norm SN EN 14351-2 für Innentüren (siehe Kasten).
Die gute Nachricht ist, dass die Hersteller von Türen und Rohlingen, die Schreinerbetriebe und die zuständigen Stellen im Bereich der Brandschutzaussentüren Erfahrungen gesammelt haben. Dadurch konnten verschiedene Verfahren und Abläufe konkretisiert und angepasst werden. Davon profitieren alle Beteiligten in Zukunft auch bei den Innentüren mit Brandschutzeigenschaften, sobald die Norm in Kraft tritt. Insbesondere was die werkseigene Produktionskontrolle (WPK) und die Leistungserklärung angeht, haben sich für den Schreiner interessante Optionen herauskristallisiert: Verschiedene Türhersteller haben zusammen mit Schreinerbetrieben das Verfah- ren der «verlängerten Werkbank» oder der «Subunternehmer-WPK» umgesetzt. Diese erlauben es dem Schreiner, im eigenen Betrieb wertschöpfende Tätigkeiten an Brandschutzaussentüren auszuführen, ohne selbst eine Leistungserklärung erstellen zu müssen. Dies ist möglich, weil die Normen vorsehen, dass ein Hersteller gewisse Tätigkeiten im Herstellungsprozess auch auslagern darf.
Doch worin unterscheiden sich die beiden Vorgehensweisen, und wie werden sie normenkonform umgesetzt? Bei der verlängerten Werkbank handelt es sich um eine Einbindung des Schreiners in die fremdüberwachte WPK des Herstellers. Das heisst, in diesem Fall muss der Hersteller – meistens der Lizenzgeber in Form eines Türlieferanten – beim Schreiner eine WPK einrichten und diese auch überprüfen. Von ihm erhält der Schreiner die entsprechende Leistungserklärung zur Tür, die er dem Kunden abgeben muss. Der Hersteller muss also kontrollieren, dass der Schreiner die Bearbeitungen gemäss den Vorgaben ausführt. Geregelt wird dies in einem Vertrag zwischen dem Hersteller und dem Schreiner.
Ob der Hersteller seine Kontrollfunktion wahrnimmt, überprüft wiederum eine offizielle notifizierte Stelle, in der Schweiz ist das die Sipiz AG. Für die Überprüfung muss der Hersteller eine Liste aller Subunternehmer führen. Darin müssen die Aufträge enthalten sein, die von diesen Subunternehmern ausgeführt wurden, und es muss ersichtlich sein, welche Arbeitsschritte die Unternehmer am Bauprodukt vornahmen. Für jeden Subunternehmer muss der Hersteller zudem einen WPK-Überwachungsplan und die Inhalte der Überwachung nachweisen können.
Zusätzlich führt die Sipiz zusammen mit dem Hersteller verschiedene Stichprobenkontrollen bei Schreinern durch. Die Auswahl dieser Stichproben erfolgt durch die Sipiz anhand einer Risikoanalyse. Die Kosten für die Stichprobenkontrolle muss der Hersteller tragen.
Für den Schreiner hat der Weg der verlängerten Werkbank den Vorteil, dass der Hersteller sein direkter und einziger Ansprechpartner ist. Dieser macht die Vorgaben für die Einrichtung der WPK und überprüft sie. Der Schreiner hat somit kaum Berührungspunkte mit der Sipiz, ausser es handelt sich um eine Stichprobenkontrolle. Diese läuft aber ebenfalls über den Hersteller, und für den Schreiner fallen keine Gebühren an. Damit bindet man sich jedoch etwas näher an einen bestimmten Türhersteller. Für Schreiner, die ohnehin nur wenige Brandschutztüren pro Jahr benötigen, dürfte das aber kein Hinderungsgrund sein.
Die Riwag Türen AG aus Arth SZ ist eine Türenlieferantin, die schon einige Erfahrungen mit der verlängerten Werkbank gesammelt hat: Rund 460 solcher Verträge hat das Unternehmen mit Schreinerbetrieben abgeschlossen. Gemäss Geschäftsführer Dino Rickenbach ist der Aufwand für die Abwicklung und Kontrolle sehr gross. «Dafür kann der Schreiner ohne grosse Veränderungen so bestellen und produzieren, wie er es sich gewohnt ist.» Bei den selber durchgeführten Kontrollen beim Schreiner hat die Riwag auch schon vereinzelt Fehler entdeckt und diese beheben müssen. «Über alles gesehen, funktionieren das System und die Zusammenarbeit mit der Sipiz aber sehr gut», sagt Dino Rickenbach.
Es gibt aber auch Betriebe, die sich nicht auf einen oder wenige Türhersteller festlegen wollen und können. Dazu gehört die Bafri AG aus dem luzernischen Winikon, die sich auf die Planung und Ausführung von Türprojekten spezialisiert hat. «Im Objektbereich braucht es oft viele verschiedene Türen. Lieferfristen und Preise spielen zudem eine Rolle, und jeder Anbieter hat seine Stärken. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir bei verschiedenen Herstellern Elemente beziehen können und auch unsere eigenen Produktionsprozesse immer gleich bleiben», sagt Geschäftsführer Martin Bachmann.
Aus diesen Gründen hat sich das Unternehmen für den Weg der Subunternehmer-WPK entschieden. Im Unterschied zur verlängerten Werkbank muss der Betrieb die WPK selber einrichten und von der Sipiz überprüfen lassen. Entsprechend fallen auch der Aufwand und die Kosten direkt beim Betrieb an. Dafür hat man nur einen Ansprechpartner, was die WPK und deren Überprüfung angeht. Die Leistungserklärung für das jeweilige Element wird aber wiederum vom Hersteller zur Verfügung gestellt. Informationen, Dokumentationen und Unterstützung zur Einrichtung einer WPK erhalten Schreiner beim VSSM sowie bei verschiedenen Beratungsunternehmen.
«Im Moment haben wir mit vier Türherstellern Subunternehmer-WPK-Lieferverträge, und weitere sind in Planung», erzählt Martin Bachmann. Würde die Bafri AG dies mit der verlängerten Werkbank umsetzen wollen, müsste sie sich von jedem Lieferanten einzeln überwachen und kontrollieren lassen. Ausserdem gäbe es dann je nach Lieferant unterschiedliche Vorgaben und Anforderungen an die WPK, denen der Schreiner folgen müsste. Diese auseinanderzuhalten und zu koordinieren, dürfte nicht ganz einfach sein.
Nebst den beiden Varianten, als Subunternehmer aufzutreten, gibt es für den Schreiner nach wie vor die Möglichkeit, als Wiederverkäufer oder selber als Hersteller am Markt tätig zu sein. Als Wiederverkäufer muss man zwar keine WPK einrichten und hat somit keinerlei Aufwände in diesem Bereich. Dafür gibt es aber auch keine Wertschöpfung mehr in der eigenen Produktion.
Tritt man selber als Hersteller auf, besteht die Möglichkeit, eigene Produkte zu entwickeln, zu zertifizieren und in Verkehr zu bringen. Oder man schliesst mit einem Systeminhaber einen Lizenzvertrag ab. Dann trägt man selber die volle Verantwortung, und die Einrichtung der WPK richtet sich nach der Anzahl Türen mit Brandschutz- oder Fluchtwegeigenschaften, die pro Jahr produziert werden. Ausserdem muss der Schreiner als Hersteller selber die Leistungserklärungen erstellen.
Obwohl die neuen Türnormen einen gewissen Aufwand und Kosten mit sich bringen, ist Martin Bachmann zuversichtlich: «Ich hoffe, dass damit der Wildwuchs und unseriöse Angebote aus dem Ausland eingedämmt werden können.» Immerhin verlangen offenbar die Türlieferanten im Moment noch keine Vertragsgebühren für die verlängerte Werkbank oder die Subunternehmer-WPK. Ob dies so bleibt, wird die Zukunft zeigen müssen. Auch was die Aufwände im Betrieb angeht, braucht es noch mehr Erfahrungswerte, um die Kosten besser abschätzen zu können. Klar sind hingegen die Gebühren der Sipiz für die Inspektionen, Überwachungen und Bescheinigungen der Leistungsbeständigkeit.
Wie bereits erwähnt, gelten die neuen Brandschutznormen erst für Brandschutzaussentüren und Aussentüren mit Fluchtweg- oder Rauchschutzeigenschaften. Das Volumen ist also noch verhältnismässig gering. Nochmals beweisen müssen sich die verschiedenen Wege zur Leistungserklärung, wenn die neuen Normen für die Innentüren in Kraft treten.
www.riwag.chwww.bafri.chwww.sipiz.ch www.vssm.chIm September 2019 informierten die EU-Kommissionsdienste, dass mit einer Veröffentlichung und Harmonisierung der Produktnorm 14351-2 Innentüren nicht mehr im Jahr 2019 zu rechnen ist. Als Grund dafür wurden juristische Probleme angegeben.
Seither gab es von der EU-Kommission keine konkreten Informationen zum weiteren Vorgehen oder einen Zeitplan. Insider gehen aber davon aus, dass der ganze Prozess für die 14351-2 nochmals von vorne beginnt, was mehrere Jahre – im schlechtesten Fall bis zu fünf Jahre – dauern könnte.
Veröffentlichung: 28. Mai 2020 / Ausgabe 22/2020
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