Wer macht was, wie, wann und warum?

Organisationsplanung. Wie gut ist der Betrieb organisiert? Sind alle Verantwortlichkeiten und Kompetenzen klar geregelt? Gerade in Schreiner- oder anderen Handwerksbetrieben gehen solche Themen gerne in der Hektik des Alltags unter – aber meistens nicht ohne Folgen.

 

Die Schreinerei Markus Fust AG in Wil SG ist in den letzten 13 Jahren von einem auf 54 Mitarbeiter gewachsen; 16 davon sind Schreiner- und Innenausbauzeichnerlernende. «Wir haben bis heute jede Betriebsgrös­se durchlebt. Uns war stets wichtig, dass die Firmenstrukturen möglichst einfach organisiert sind. Das gilt auch heute noch als mittelgrosses Unternehmen», betont der Geschäftsleiter Markus Fust. 

Jede Abteilung trägt Verantwortung

Der Betrieb ist in die Bereiche Verkauf, technische Planung, Maschine, Bank, Oberfläche und Montage unterteilt, die wiederum von Abteilungs- beziehungsweise Produktionsleitern geführt werden. Die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen sind im Organigramm und in den Stellenbeschreibungen klar geregelt. «Je grösser eine Firma, desto wichtiger ist es, dass diese Punkte klar geregelt sind, zumal unser Betrieb mit vielen Lernenden arbeitet. Wir erreichen dadurch auch mehr Professionalität, wenn jede Fachperson sich auf ihr Kerngebiet konzentrieren kann. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit ­unserer Mitarbeitenden, sondern auch die Flexibilität unseres Betriebs», erklärt Markus Fust. 

Trotz Organigramm und geregelten Verantwortlichkeiten seien die Übergänge an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Abteilungen stets eine Herausforderung, die täglich aufs Neue gelöst werden müsse. «Die Kommunikation zwischen den Abteilungen ist sehr wichtig. Das gelingt zwar noch nicht immer optimal, aber es ist unser grosses Ziel, dass zukünftig bei jedem Auftrag ein Übergabegespräch von der einen Abteilung zur anderen stattfindet», sagt Fust. Jede Abteilung trägt die Verantwortung für ihre ­Arbeit, sei es bezüglich der Qualität und Ausführung oder der Termineinhaltung. So werden für jede Abteilung Zwischentermine gesetzt, die vom Produktionsleiter laufend überprüft werden. 

Aufgaben und Kompetenzen

Mit dem Erwerb seines Lehrbetriebs vor etwas mehr als einem Jahr sind die organisatorischen und koordinativen Herausforderungen noch grösser geworden. Fust produziert nun mit seinem Team nicht mehr am ursprünglichen Standort, sondern rund ­einen Kilometer weiter westlich. In den bisherigen Räumlichkeiten ist ein Kundencenter entstanden. 

Die Organisation der Prozessabläufe sei in den meisten Schreinereien geregelt, stellt Urs Scherer vom Beratungsunternehmen Tre Innova in Hünenberg fest. Hingegen mangle es oft an der Regelung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, sprich an der Aufbauorganisation des Betriebs. «Wer welche Verantwortung übernehmen darf und welche Kompetenzen hat, ist in vielen Betrieben häufig nur informell vereinbart, aber nicht klar definiert. Das kann zu Missverständnissen führen – vor allem bei zwischenmenschlichen Problemen oder in stres­sigen Situationen.» Grundsätzlich gelte es, drei Bereiche aufeinander abzustimmen: die Aufgabenverteilung, die Regelung der Verantwortlichkeiten und die Vergabe der Kompetenzen. Sei jemand beispiels­weise für die Lagerhaltung verantwortlich, brauche er auch die Kompetenzen, Lagerbestellungen auszulösen. «Oft hapert es bei der klaren Definition der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Entweder wird dies vergessen, oder man regelt sie ad hoc», kritisiert Urs Scherer. 

Nicht selten fällt es den Firmeninhabern schwer, Verantwortung und Kompetenzen abzugeben, obwohl dies gerade für die Organisation wie auch die Mitarbeitermotivation das Beste wäre. «Für höher gestellte Funktionen empfiehlt es sich, eine saubere Aufbauorganisation mit Verantwortungen und Kompetenzen zu erstellen – sei es im Stellenbeschrieb oder mittels einem Organi­gramm mit dazugehöriger Verantwortlichkeitsmatrix oder Zuständigkeitsmatrix und Funktionendiagramm, also Aufgaben- und Kompetenzzuweisung», betont Urs Scherer.

Alle 14 Tage Teamsitzung

Mit einer Verantwortlichkeitsmatrix arbeitet zum Beispiel die Oesch Innenausbau AG in Steffisburg. Das 30-köpfige Unternehmen habe für alle Kaderstellen einen detaillierten Stellenbeschrieb sowie eine Matrix mit den entsprechenden Zuständigkeiten und Stellvertreterfunktionen ausgearbeitet, wie Geschäftsführer Fritz Oesch erzählt. Eine ständige Herausforderung seien – trotz Matrix und Stellenbeschrieb – die Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen. «Der Verkauf beispielsweise muss die Grundlagen für einen Auftrag so erarbeiten, dass der Sachbearbeiter das Projekt sauber übernehmen kann. Diese Übergänge müssen klar geregelt sein. Im Alltag gehen solche Sachen gerne mal unter. Vielleicht bin ich in diesem Bereich als Chef sogar die grösste Schwachstelle.» Alle 14 Tage trifft sich das Team zur gemeinsamen Sitzung, um die Koordina­tion zwischen den Nahtstellen zu verbessern und Schwachpunkte auszumerzen. 

Für Fritz Oesch wäre der Betrieb ohne diese Organisationsstrukturen heute nicht mehr denkbar. «Wir sind dadurch effizienter und kostengünstiger geworden. Natürlich passieren immer noch Fehler, doch eine Null-Fehler-Kultur streben wir nicht an, denn darunter würde die Innovationskultur leiden.»

Prozesse und Strukturen abstimmen

Leider sind sich viele Handwerksbetriebe der Bedeutung einer solchen Organisationsstruktur zu wenig bewusst. Oder die guten Vorsätze gehen im hektischen Tagesgeschäft unter. Eine weitere Herausforderung ist laut Urs Scherer, dass solche Arbeiten meist nur vom Chef, aber nicht gemeinsam mit dem ganzen Team erarbeitet werden. Dabei gehe es doch um die Vernetzung der verschiedenen Arbeiten im Betrieb. «Die Prozesse und Strukturen in der Firma müssen aufeinander abgestimmt sein. In manchen Handwerksbetrieben ist dies nicht der Fall.» Doch wie könnte eine solche Vernetzung aus­sehen? Wie Urs Scherer erklärt, beginne dies bereits beim ersten Kundenkontakt: «Es muss klar geregelt sein, wie und wer die weitere Bearbeitung der Kundenanfrage macht und welche Daten und Angaben beim Kundengespräch erfasst werden müssen. Denn die weitere Bearbeitung durch den Kalkulator oder die Arbeitsvorbereitung sollte möglichst ohne viele Rückfragen erfolgen können.» 

Gehen Daten verloren, bedeutet dies für das Team Mehrarbeit. Häufig verursachen die Schnittstellen zwischen den einzelnen Abteilungen wie Verkauf und Avor oder Werkstatt und Montage Missverständnisse.

Saubere Übergabe

Wie lassen sich solche Schnittstellenprobleme verhindern? Die Aufgaben der einzelnen Bereiche müssen klar geregelt werden, rät Urs Scherer. Dazu gehöre eine saubere Übergabe der Arbeiten, beispielsweise vom Sachbearbeiter in die Werkstatt. Natürlich könne es vorkommen, dass wegen des Druckes im Tagesgeschäft noch nicht alle Angaben feststünden. Dann müsse dies aber bei der Übergabe klar vermerkt werden. «Fehlen diese Angaben bei der Übergabe, steigt die Gefahr von Fehlerquellen, Missverständnissen und Mehraufwand. Dies kann sich schnell bis zur Montage durchziehen. Oftmals sind die Auftragsmargen der Handwerker derart klein, dass ein Mehraufwand gar nicht mehr drin liegt», gibt Urs Scherer zu bedenken. fm

www.treinnova.ch

www.fustwil.ch

www.oesch.ch

Veröffentlichung: 14. April 2011 / Ausgabe 15/2011

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