Wellen kommen immer wieder
Gebogenes VSG in Riesenformaten wurde für die neue Fassade der Swiss-Re in Zürich eingesetzt. Bild: Christian Härtel
Gebogenes VSG in Riesenformaten wurde für die neue Fassade der Swiss-Re in Zürich eingesetzt. Bild: Christian Härtel
Gebogenes Glas. Flachglas lässt sich in Form bringen. In der zeitgenössischen Architektur und bei manchen Ladenbauprojekten erfreut sich gebogenes Glas durchaus einer gewissen Beliebtheit. Wenn mal eine Scheibe ersetzt werden muss, kommt es auf die richtige Massaufnahme an.
Am Hauptsitz der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft in Zürich hat man den Bogen raus. In Wellen schlängelt sich die vorgehängte Glasfassade um das Gebäude herum. Je zwei der 924 gebogenen Verbundsicherheitsgläser (VSG) aus Floatglas lagern auf Edelstahlschuhen. Die Produktion der Scheiben erfolgte im Schwerkraft-Biegeverfahren. 4800 mm ist die grösste Wellenscheibe hoch und 2600 mm breit. Die Stichhöhe beträgt 460 mm. Die Scheiben bestehen aus zwei 10 mm dicken Floatgläsern, die mittels PVB-Folie verbunden sind. Hergestellt wurden die Scheiben für die riesige Fläche im Ausland. In der Schweiz gibt es keine Unternehmen, die Gläser solcher Dimensionen in Form bringen können. Italien sei dann meist die erste Adresse, oder auch Deutschland, sagt Thomas Bührer, Betriebsleiter der Quendoz Glas AG in Schlieren ZH.
Das Unternehmen ist eines der wenigen, das Gläser biegen kann. Aktuell steht die Anlage still, denn der Betrieb investiert in einen grösseren Ofen. Ab Januar können dann Scheiben mit bis zu 3500 × 2100 mm Grösse verformt werden – rund 50% grösser als bisher. Die Stichhöhe kann mit der neuen Anlage 900 mm betragen, und auch Gläser mit einem sogenannten Auslauf, also einem ebenen Anteil und einer anschliessenden Welle, sind dann möglich. Während grosse Akteure der Schweizer Branche vor Jahren das Biegen eingestellt haben, belegen Unternehmen wie Quendoz die entstandene Lücke.
Dass gebogene Gläser, vor allem wenn sie grossformatig oder beschichtet sind oder andere spezielle Bearbeitungen daran ausgeführt werden, durch verschiedene Länder reisen, ist nicht ungewöhnlich. Auch die grossen, sphärisch gebogenen und beschichteten Gläser für den Umbau der Elbphilharmonie in Hamburg wurden an verschiedenen Stationen kreuz und quer in Europa bearbeitet, bevor sie ihren Platz an der Fassade fanden.
Gründe für die weiten Wege der Gläser sind zum einen die beschränkte Grösse der Öfen, zum anderen aber auch die Weiterverarbeitung zu Isolierglas oder das Beschichten. Bei Quendoz hat man deshalb nicht nur in den neuen Ofen investiert, sondern auch in eine Vakuumanlage, mithilfe derer künf-tig gebogene VSG-Scheiben erzeugt werden können.
Floatglas-Scheiben werden in der Regel nach dem Prinzip des Schwerkraftbiegens verformt. Dabei wird das Glas im Ofen über einer Form erhitzt. «Üblicherweise werden im Bauwesen Kalk-Natron-Gläser verwendet, die bei 600 bis 620 °C biegefähig werden», sagt Bührer. Das Glas legt sich dann praktisch von allein durch das Eigengewicht um die Form. Damit VSG exakt übereinanderpassen, werden einfach zwei aufeinanderliegende Scheiben zusammen gebogen. Damit die einzelnen Scheiben nicht miteinander verschweissen, wird vor dem Erhitzen ein Trennmittel aufgebracht. Später wird der Verbund im Vakuum mit der PVB-Folie erzeugt.
Im Ladenbau mit gläsernen Verkaufstheken und auch im Eingangsbereich von alten Ladengeschäften kommen gebogene Gläser relativ häufig zum Einsatz.
Muss ein Glas ersetzt werden, braucht es eine Schablone. Zunächst muss man die Dicke der Scheibe bestimmen und die Abwicklung messen. Mit dem Anlegen der Sehne lässt sich die Stichhöhe ermitteln. Dann lassen sich die Radien zeichnen. Auch eine Holzschablone mit dem Innenradius zum Anlegen kann sinnvoll sein, um die Biegung zu überprüfen. «Optimal ist es, wenn man in einen Holzwerkstoff eine Nut mit der Abwicklung fräst. Dann können wir das Glas direkt aufstellen und die Radien überprüfen», erklärt Bührer. Schablonen aus Kartonage würden auch abgegeben. Diese seien aber ungenau und risikobehaftet. Die Form für den Biegeofen wird dann aus Metall gefertigt. Das ganze Prozedere braucht etwa zwei bis drei Wochen Zeit, bis das Glas fertig ist. Schon deshalb sollte man bei der Massaufnahme und der Erstellung der Schablone sehr genau arbeiten. Die Zusammenarbeit mit Schreinern sei in dieser Hinsicht problemlos. Oft würden auch CAD- Daten mitgeliefert.
Neben dem Schwerkraftbiegen mithilfe grosser Hitze gibt es noch weitere Biegeverfahren. Etwa das Kaltbiegen, bei dem die Glasscheibe mechanisch in Form gezwängt wird. Beim Laminationsbiegen werden, wie der Name verrät, die Scheiben mittels Laminierungsprozess in einem Druckbehälter in eine Form gebracht. Wichtiger jedoch ist das Pressbiegen. Das Glas durchläuft den Ofen auf Rollen und wird dann mittels eines Stempels in eine Form gepresst. Auch während des thermischen Vorspannprozesses lassen sich mit dem Verfahren Gläser biegen. Beim Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) erfolgen Aufheizen und Abkühlen relativ schnell. Das Durchlaufen der Rollen gibt dem Glas den gewünschten Biegeradius. Der Prozess erzeugt Spannungen, welche die Festigkeit und Bruchsicherheit erhöhen sollen.
Aus der englischen Sprache stammt der Begriff des Fusing, übersetzt Verschmelzen. Gefustes Glas entsteht, indem man mehrere dünne Gläser erhitzt und miteinander verschmelzen lässt. Dies kann auch mittels einer Form geschehen und wird im dekorativen Bereich eingesetzt.
Crea-Glas aus Unterseen BE erstellt so Waschtische, Duschtrennwände und Ähnliches, oft mit farbigen Effekten. Bei dem Verfahren entstehen kleine und zahlreiche Lufteinschlüsse im Material. Das Ganze lässt sich mit LED wirkungsvoll in Szene setzen.
Veröffentlichung: 14. November 2024 / Ausgabe 46/2024
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