Glasreinigung. Thermisch gehärtetes Einscheibensicherheitsglas (ESG) reagiert besonders empfindlich bei Oberflächenbeschädigungen. Die Aufklärung aller am Bau Beteiligten verringert das Risiko. Was müssen Fensterbauer und Schreiner tun, um sich zu schützen?
«Wir werden regelrecht von Anfragen für Expertisen überrannt», sagt Markus Läubli vom Schweizerischen Institut für Glas am Bau (Sigab). Schäden am Glas lösen denn auch immer wieder Streit zwischen Fensterbauer, Glasreiniger und Bauträger aus. Mittlerweile scheint es auf den Baustellen kaum mehr absolut unbeschädigte Glas-oberflächen, sondern nur noch mehr oder weniger Beschädigtes zu geben. Diskutiert wird dabei vor allem noch über Extrem-
fälle.
Immer wieder geraten dabei thermisch gehärtete Einscheibensicherheitsgläser (ESG) in den Fokus. Die Reinigung dieser Glasflächen ist aus materialtechnischen Gründen besonders heikel. Sie weisen zwar die gleichen Oberflächeneigenschaften wie normale Floatgläser auf und sind damit gleich anfällig auf Kratzer, ihre innere Struktur unterscheidet sich aber diametral.
Was bewirkt das Härten?
Der Grund dafür ist bei der Glasstruktur und beim Härtungsverfahren zu suchen. Glas ist kein fester Stoff mit einer geordneten Gitterstruktur, sondern eine unterkühlte Schmelze. Sie ist also aus chemischer Sicht nicht vollständig ausgehärtet. Beim Floaten kühlt die Struktur gleichmässig und spannungsfrei aus. Die inneren Kräfte sind also gegen alle Richtungen neutralisiert. Beim Härten wird die ganze Masse gleichmässig auf eine Temperatur von
650° C erwärmt und mittels kalter Luft sehr schnell abgekühlt. Dabei erstarrt die Oberfläche zuerst, der Kern folgt sehr viel langsamer. Das erzeugt hohe Zug- und Druckkräfte zwischen der Oberfläche und dem Kern. Diese sind nötig, um die durch das Härten gewünschten Eigenschaften wie erhöhte Biegefestigkeit, thermische Beständigkeit sowie das charakteristische Bruchbild zu erhalten.
Kratzer erst nach Tagen sichtbar
Härtet man ein ESG-Glas, scheint Ähnliches zu passieren wie beim Erhitzen einer Wurst. Der Inhalt baut Druck auf, die Haut wirkt diesem entgegen. Solange die Kräfte ausgeglichen sind, passiert nichts. Kratzt man die Scheibenoberfläche aber an, passiert das Gleiche, wie beim Schnitt in die heisse Wurst. Die Spannungsverhältnisse verschieben sich, der Inhalt drängt hinaus. Dadurch werden auch kleinste Kratzer, wie sie bei der Glasreinigung zwangsläufig entstehen, sichtbar, allerdings zeitlich verzögert. Dieser Effekt kann sich Stunden oder gar Tage später einstellen. Dies erklärt, warum meistens alle Scheiben eines Objektes gleichermassen betroffen sind. Die Reinigungsleute können die von ihnen verursachten Schäden zum Zeitpunkt der Reinigung schlicht nicht sehen. Solche kleinen Kratzer sind beim normalen Floatglas auch später kaum zu sehen.
Was kann man tun?
Grundsätzlich sind Schreiner und Fensterbauer nicht für die Reinigung der Gläser verantwortlich. Gibt es zerkratzte Scheiben, stellt sich aber immer wieder die Frage nach dem Verursacher, wobei jeder Beteiligte als verdächtig gilt. Eine Bauabnahme bringt zwar für beide Seiten rechtliche Sicherheit, schliesst aber die spätere Beschädigung des Glases nicht aus.
Markieren tut Not
Unternehmer können aber ihre Aufklärungsaktivitäten steigern, zum Bespiel mit einer deutlichen Markierung von ESG-Elementen mittels Warnhinweisen direkt am Glas. Auch die Sensibilisierung von Bauträgern, anderen Gewerken und Reinigungsfirmen in Bezug auf die erhöhte Empfindlichkeit kann sich auszahlen; denn Streit auf Baustellen bringt fast nur Verlierer hervor. Daran ändern auch rechtssichere Bauabnahmen wenig. Grundsätzlich muss bereits die Möglichkeit einer Verschmutzung ausgeschlossen werden, denn die Erfahrungen haben gezeigt: Ist eine ESG-Oberfläche erst einmal tüchtig verunreinigt, ist die beschädigungslose Reinigung praktisch unmöglich.
Ein Merkblatt zum Thema Glasreinigung kann man beim Sigab beziehen. wi
Veröffentlichung: 01. September 2011 / Ausgabe 35/2011
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