Verlustfreies Austauschen

Die Fenster von Velux mit zentralem Drehpunkt und automatischer Lüftung. Bild: Velux

Lüften.  Energetisch immer perfekter abgedichtete Gebäude lassen keinen selbstständigen Luftaustausch zu, wodurch im Innern CO2-Gehalt und Luftfeuchtigkeit steigen. Dem ungesunden Raumklima und der Schimmelbildung kann nur mit gezieltem Lüften begegnet werden.

Wer verstehen will, warum und wie Häuser gelüftet werden müssen, sollte einige grundlegende Dinge verstehen: Damit die Energieeffizienz von Häusern immer weiter gesteigert werden kann, müssen diese in immer dichterer Ausführung gebaut werden, damit die erzeugte Wärme oder Kälte möglichst lange gefangen bleibt. In diesem Zusammenhang ist zudem auch sehr wichtig, dass die Baustruktur möglichst über viel Masse verfügt, welche Wärme oder Kälte speichern kann und mit dem somit vorhandenen trägen Verhalten für eine Konstanz bei den Raumtemperaturen sorgt.

Da auch bei der Schalldämmung der Luftaustausch zwischen den Räumen möglichst gestoppt werden muss, werden auch Zimmertüren mit einer umlaufenden Dichtungsebene versehen. Somit verfügt dann das ganze Gebäude über eine gegenüber Luft und Feuchtigkeit dichte Aussenhülle. Zusätzlich ist jeder Raum für sich auch noch möglichst luftdicht zum Nachbarraum hin ausgeführt. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein geschlossener, dichter Raum so viel Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit enthält, wie hineingelassen wurde und entsteht. Ausdünstungen von neueren Materialien, Parfüme, Tabakrauch, Staub, Fasern und auch Ozon können diese Luft belasten und einen Aufenthalt innerhalb des Zimmers erschweren. Mit jedem Atemzug nimmt der CO2-Gehalt zu, und es sinkt der zur Verfügung stehende Sauerstoff.

Ohne Sauerstoff kein Leben

Laut den Angaben der Velux Schweiz AG aus Aarburg AG über entsprechend durchgeführte Studien ist der Schadstoffgehalt in einem durchschnittlichen Haushalt normalerweise niedrig. Bis zu etwa 800 ppm (Parts/Teile per Million) CO2 wird eine Wohnraum-Luftqualität als gut bezeichnet. Zum Vergleich: 400 ppm ist der natürliche Wert, und 600 bis 800 ppm entspricht einem gut gelüfteten Wohnraum. Laut dem internationalen «Active House»-Standard ist 1150 ppm ein noch akzeptabler Wert für einen geschlossenen Raum. Aber bereits da können sich Symptome für Asthma zeigen. «Active House» stellt die Bewohner in den Mittelpunkt und ermöglicht die Entwicklung von Gebäuden, die über die Energieeffizienz hinausgehen. Werte über 1150 ppm führen oft zu Konzentrationsschwäche, Schläfrigkeit und Schwindel, was dann bei ca. 5000 ppm zu Ohnmacht führen kann – ungelüftete Schlafzimmer kommen gerne mal auf 2500 ppm, was lufthygienisch als gefährlich eingestuft wird.

Die unsichtbare Regenwolke im Raum

Jeder Atemzug steigert nicht nur den CO2-Gehalt, sondern trägt auch zur Erhöhung des Feuchtegehaltes in der Luft bei. Das trifft auch auf alle körperlichen und geistigen Aktivitäten zu, bei denen es zu Ausdünstungen kommt. Eine vierköpfige Familie produziert mit ihren Aktivitäten pro Tag rund 10 Liter Flüssigkeit, die dann von der Luft aufgenommen werden soll. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen und hat zudem die Fähigkeit, aufzusteigen, während kalte Luft sinkt und trockener ist. Beim Abkühlen warmer Luft kondensiert die überschüssige Feuchtigkeit an der nächstbesten Oberfläche – meistens Glasscheiben und Keramikflächen, wenn diese die Kühlung verursachen. Ist aber beispielsweise der U-Wert der Fenster höher als der der Aussenwände, können diese feucht werden – was dann schlecht sichtbar ist.

Nur die Luft austauschen

Die ideale Temperatur für ein Wohnzimmer liegt bei 21 °C bei einer relativen Feuchtigkeit von rund 40 bis 50 %. Damit das erreicht und gehalten werden kann, muss die schadstoffbelastete Luft mit ihrem zu hohen Feuchtegehalt immer wieder vollständig mit sauerstoffreicher, trockener Luft ausgetauscht werden. Es muss also gelüftet werden.

Die Kunst des Austauschs liegt darin, die gesamte Luft zu erneuern, ohne dabei die Speichermasse der Baustruktur auszukühlen. Am einfachsten geschieht das, indem gegenüberliegende Fenster geöffnet werden, sodass ein Durchzug entsteht. Liegen die Fenster noch auf verschiedenen Höhen, kann sogar ein Kamineffekt entstehen: Die warme, feuchte Luft entweicht dann oben und saugt kühle, trockene Luft unten nach. Wer in einem normalen Haushalt täglich drei- bis fünfmal während fünf bis fünfzehn Minuten so die Luft austauscht, erreicht ein gutes Raumklima ohne grosse Temperaturverluste. Sparfüchse, die nur auf 19 °C heizen, müssen öfter lüften, da die Luft weniger Feuchtigkeit aufnimmt.

Witterungssichere Lüftungen

Aktives Lüften mittels Öffnen von Fenstern und den Durchgangstüren, um auch die Gänge zwischen den Räumen mit frischer Luft zu versehen, ist mit Aufwand verbunden und nicht überall für jeden möglich. Da wäre dann eine aufsichtsfreiere Lüftung hilfreich. Die Dachfenster von Velux verfügen über Lüftungsklappen im Bediengriff, wodurch eine zugfreie Dauerlüftung bei geschlossenen Fenstern möglich ist. Mittels einer sensorgesteuerten Automatik lässt sich diese Klappe und auch der ganze Flügel steuern und entsprechende Lüftungsintervalle per App einstellen. Das ist besonders sinnvoll, wenn die Dachfenster weiter oben liegen und schlecht erreichbar sind. Ein Regensensor achtet dann darauf, dass es drinnen trocken bleibt.

Offen, aber mit Einbruchschutz

Die Firma Siegenia-Aubi AG aus Uetendorf BE ist auf die Herstellung von Fensterbeschlägen spezialisiert. Einige ihrer Produkte zeigen beispielhaft Lüftungsmöglichkeiten beim Fenster. Die Firma bietet mit der Spaltlüftung «Titan Vent Secure» einen Fensterbeschlag mit einer möglichen Kippspalt-Öffnung von 10 mm, für eine einbruchhemmende und witterungsunabhängige Basisbelüftung. Die zertifizierte Einbruchshemmung der Lüftung geht bis RC2.

Mit dem «Aeromat midi» bietet der Hersteller einen verschliessbaren, passiven Fensterlüfter zur Belüftung geschlossener Räume an. Dieser wird in das obere Rahmen- oder das Flügelquerfries montiert und funktioniert nach dem Druckdifferenzprinzip, durch den Druckausgleich zwischen Aussen- und Innenluft. Er eignet sich als Nachströmöffnung für eine zentrale Ablüftung. Optional lässt er sich zudem mit Regelklappen und einer Schalldämmung ausrüsten.

Dauerlüften ohne Wärmeverlust

Da anhaltendes Lüften nicht nur die Luft austauscht, sondern auch während der Heizphase die Räume auskühlt, ist die Wärme-Rückgewinnung in solchen Fällen sehr wichtig. Mit dem «Aromat VT WGR plus» hat Siegenia einen Fassadenlüfter im Angebot, der einen Wärme-Rückgewinnungsgrad von bis zu 95 % erreichen soll. Das Gerät lässt sich diskret in Sturz, Laibung oder Brüstung eines Fensters verbauen und ist modular konfigurierbar. Dadurch ist sogar die Kombination von zwei Lüftervarianten in einem Gerät realisierbar. Bedient wird so eine Einheit mittels Display oder über eine App. Alternativ bietet die Firma den Wandlüfter «Aeroplus WGR» an, dessen Rohr von 160 mm Durchmesser durch die Wand führt. Seine Wärme-Rückgewinnung liegt bei 93 %. Auch für ihn gibt es Schalldämm- und verschiedene Luftfilterelemente. Für die Ermittlung, welche Lüfter mit welchem Luftdurchlass in ein Gebäude wo verbaut werden sollen, muss dann letztendlich aber immer ein Spezialist beigezogen werden, um den Luftaustausch wirklich sicherzustellen.

activehouse.infowww.velux.chwww.siegenia.com

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 31. Oktober 2024 / Ausgabe 44/2024

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