Über Dichtung und Wahrheit

Profildichtungen. Kaum jemand weiss genau, welches Material er bei der Montage eines Dichtungsprofils in den Händen hält. Entsprechend wenig Beachtung finden die wichtigen Funktionsteile. Eine Übersicht zeigt Vor- und Nachteile der verbreitetsten Ausgangsmaterialien.

 

«Ohne sie könnte man keine beweglichen Abschlüsse machen, die dicht sind», sagt Martin Bobst von der Firma Hebgo AG in Dulliken. Die Firma vertreibt Produkte, um deren Verwendung kaum ein Türenhersteller herumkommt. Die Rede ist von Gummidichtungen. Sie bilden das Rückgrat jeder Tür, jedes Fensters und aller beweglichen Teile, bei denen Anforderungen gestellt werden, oder die sich zumindest geräuscharm schliessen lassen müssen. Dichtungen findet man beim Kühlschrank genauso wie bei der Ofentür. Sie haben eine lange Tradition, doch erst mit der Entwicklung von  Kunststoffen und der Extrudiertechnik entstanden wirklich gute, brauchbare Profile. 

Gummi oder Plastik?

Auch für Fachleute ist es bisweilen schwierig, den Überblick zu behalten, welche Materialien zum Einsatz kommen. «Gummi oder Plastik», lautet oft die Antwort, wenn man Anwender wie Schreiner oder Fensterbauer darauf anspricht. 

Elastomere bestehen aus Kettenmolekülen, die sich bewegen lassen. Davon gibt es auch in der Natur einige, das bekannteste ist der Naturkautschuk. Aus dem Saft des Kautschukbaums gewonnen, lässt er sich mittels Vulkanisation in eine dauerhafte Form bringen. Zuschlagsstoffe wie Russ, Weichmacher, Beschleuniger und Schwefel ermöglichen die Verarbeitung zu Profilen. Naturkautschuk kennt man seit Menschengedenken, die Veredelung durch Vulkanisation zu beständigen Produkten entdeckte Charles Goodyear 1839 eher zufällig. Anfang des letzten Jahrhunderts, um 1906, gelang die Entwicklung von synthetischen Kau­tschuken. Einer der am weitesten verbreiteten ist EPDM (Erklärung der Abkürzungen siehe Glossar auf Seite 9). Er ist einfach zu verarbeiten, lässt sich aber nicht thermisch zu Dichtungsrahmen verschweissen.

Russ macht Spuren

EPDM enthält als Füllstoff und Farbgeber Russ, der sich nicht einwandfrei in die Mischung integrieren lässt. Schwarze Abrieb­spuren beim Verarbeiten verdeutlichen dies. EPDM punktet durch seine Witterungsbeständigkeit und sein ausgezeichnetes Alterungsverhalten. 

Sehr gut für den Bausektor eignen würde sich PVC. Der thermoplastische Kunststoff weist gute mechanische Eigenschaften auf und ist billig zu haben. Der hohe Weichmacheranteil – bisweilen sind bis zu 40% der bedenklichen Stoffe nötig – hat die Ausbreitung in der Schweiz bisher weitgehend verhindert. Dies nicht zuletzt, weil sehr gute Alternativwerkstoffe, wie etwa die thermoplastischen Elastomere (TPE), zur Verfügung stehen. Die im PVC enthaltenen Weichmacher neigen zudem zur Emigration, wandern also in die Umgebung ab. Dadurch werden die Profile spröde und verlieren ihre Elastizität.

Gehört die Zukunft den Thermoplasten?

Thermoplastische Elastomere gibt es in unterschiedlicher Zusammensetzung und Mischung. Das Mischverhältnis lässt sich ganz spezifisch auf eine bestimmte Anwendung hin zusammenstellen. Für Baudichtungen an Fenstern und Türen kommt hauptsächlich SEBS zum Einsatz. TPE ist als Werkstoff leicht teurer als EPDM, macht dies aber durch die einfache thermische Verschweissbarkeit und die gute Haltbarkeit wieder wett. «Solche TPE enthalten anstelle des Rus­ses Pigmente als Farbgeber. Sie färben deshalb auch nicht ab», sagt Michael Brändli von der auf Profilextrusion spezialisierten PBC Polymer AG in Unterkulm. Das Unternehmen aus der Poesia-Gruppe extrudiert unterschiedliche Werkstoffe zu Profildichtungen. Im vergangenen Jahr hat die Firma eine neue Extrudierline für Silikon in Betrieb genommen. Die Investition hat die Gruppe ganz gezielt getätigt, denn trotz leicht höherem Preis als TPE legt Silikon als Werkstoff für die Dichtungsfertigung weiter zu. «Die Lebensdauer von Silikon liegt deutlich über der von TPE», sagt Emil Brändli, Leiter der Poesia-Gruppe. «Im hochwertigen Türenbau nimmt die Nachfrage deshalb zu.» 

Silikondichtungen lassen sich an den Ecken nicht thermisch verschweissen. Man muss sie entweder kleben oder vulkanisieren lassen. Solche Dichtungen neigen zwar nicht zu Längenveränderungen – mit entsprechender Montagetechnik könnte man Gehrungen problemlos nur zusammenstossen – die im Fassadenbereich geforderte Dichtheit wird so aber kaum erreicht. Einfache Abhilfe schafft eine Verklebung mittels Isocyanatklebstoff direkt bei der Dichtungsmontage. Den Einwand, dass sich Silikonprofile aufgrund der weichen Konsistenz nicht so gut montieren lassen, entkräftet Brändli: «Indem man die Verankerungslippen sehr fein ausbildet und den Dichtungsrücken etwas stabiler konstruiert, lassen sie sich genauso einfach montieren wie Profile aus TPE.»

Kombinationen mit Vorteil

Neben dem Silikon beginnt sich aber auch eine andere Technik, das Coextrusionsverfahren für TPE, durchzusetzen. Die Firma Deventer etwa bietet Profile an, die auf speziellen Anlagen gefertigt werden. Die Maschinen können aus der Extrusionsdüse gleichzeitig verschiedene Werkstoffe ausspritzen. Dies führt am Profil zu unterschiedlichen Funktionsbereichen. Ein harter Rücken aus TPE sorgt aufgrund der guten Kraftübertragung in die Verankerung für Montagefreundlichkeit. Im Bereich der Dichtlippe führt weiches, geschäumtes Material, das nur wenig mit TPE überzogen ist, zu viel Bewegungsfreiheit und damit zu Funktionsreserven, etwa wenn sich eine Tür leicht verzieht. Diese Technik bedingt aufwendige Produktionsanlagen und sehr komplizierte Spritzdüsen. Erst ab einigen 100 000 Metern Profilausstoss lohnt sich die Konzeption eines neuen Produkts. Im Gegensatz dazu lassen sich Silikonprofile schon ab 50 bis 100 Meter Bedarf zu vernünftigen Preisen fertigen. «Wir können fast jedes Profil herstellen, sofern keine Patente verletzt werden», sagt Emil Brändli. Die Poesia-Gruppe fertigt auch das Spritzwerkzeug selber. Wer für sich ein indivi­duelles Profil fertigen lassen will, kommt nicht um die Übernahme der Werkzeugkosten herum. wi

 

Vulkanisation

Schwefelbrücken verbinden

Für Gummidichtungen geeignete Werkstoffe, die nicht thermoplastisch verformbar sind, also Silikone, Kautschuke, Neoprene und Polykautschuke, lassen sich nicht thermisch verschweis-sen. Sie zu verbinden ist nur mittels Klebstoff oder durch die Vulkanisation möglich. Bei letzterer werden die langkettigen Kautschuk- oder Polymerketten durch Schwefelbrücken vernetzt. Das passiert unter Druck, Hitze und der Zugabe eines Schwefelspendenden Stoffes. Vorhandene Sauerstoffbrücken werden dabei durch Schwefelbrücken ersetzt. Zur Erhöhung der Reaktions-geschwindigkeit werden Zusatzstoffe eingesetzt. Es gibt auch Verfahren, bei denen nicht Schwefel zum Einstz kommt, sondern Peroxide, Metalloxide oder ganz einfach energiereiche Strahlung. Alle Verfahren haben zum Ziel, die Molekülketten chemisch zu ver-binden. Die Festigkeit der Verbindung ist denn auch höher als bei thermoplastischen oder geklebten Verbindungen. Erfunden wurde die klassische Vulkanisation von Charles Goodyear im Jahre 1839.

 

Veröffentlichung: 03. März 2011 / Ausgabe 9/2011

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