Start zum Holzberuf
Kursleiter Mathias Stauffer zeigt den Flüchtlingen, wie man einen Rahmen zusammenbaut. Bild: Nicole D'Orazio
Kursleiter Mathias Stauffer zeigt den Flüchtlingen, wie man einen Rahmen zusammenbaut. Bild: Nicole D'Orazio
Integration. Neun junge Männer aus Eritrea, Afghanistan und Syrien möchten in der Holzbranche Fuss fassen. Mit dem Pilotprojekt «Perspektive Holz» der Stadt Luzern und des kantonalen Schreinerverbandes werden sie an die Lehre mit Berufsattest herangeführt.
Gespannt verfolgen neun junge Männer die Ausführungen von Mathias Stauffer. Der Kursleiter erklärt ihnen, wie sie das Holz für den Bilderrahmen reissen sollen. Die Männer sind aufgenommene oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Fünf stammen aus Eritrea, drei aus Afghanistan und einer kommt aus Syrien. In der Schweiz leben sie seit zwei bis vier Jahren. Seit August sind sie Teilnehmer des Pilotprojekts «Perspektive Holz», das der Verband Luzerner Schreiner mit der Stadt Luzern aufgegleist hat mit dem Ziel, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Während eines Jahres werden sie Deutsch lernen, sodass sie mindestens das Anforderungsprofil B1 erfüllen, zudem werden sie an eine Ausbildung in der Holzbranche herangeführt.
«Das Ziel ist es, dass sie nächsten Sommer eine Lehre zum Schreinerpraktiker oder Holzbearbeiter EBA anfangen können», erklärt Stauffer. Die 9 Flüchtlinge sind aus 20 Bewerbern ausgewählt worden. Eine Vor- aussetzung war das Deutsch-Anforderungsprofil A2 und natürlich das Interesse am Arbeiten mit Holz.
«Ich finde es spannend, mit Holz zu arbeiten und Möbel zu bauen», sagt Biniam Mehari aus Eritrea. «Der Kurs macht mir Spass. Ich hoffe, viel lernen zu können und nächstes Jahr eine Lehrstelle zu finden.»
Abdaloo Abdelrahman hat in Syrien Betriebswirtschaft studiert. «Ich bin mit 32 Jahren der Älteste der Gruppe», erzählt er. Die Tätigkeit mit Holz mag er, auch wenn sie ganz anders ist als die des Buchhalters, was er früher werden wollte.
«Wir sind wie eine Familie. Das ist sehr wichtig für den Zusammenhalt und die Harmonie in der Gruppe. Die Nationalität spielt keine Rolle», sagt der Afghane Basir Golbaig. «Auch der Lehrer ist super und hat viel Geduld mit uns. Das finde ich toll. So machen im Unterricht alle gerne mit.»
Einzig der Weg zum etwas abgelegenen Kursort sei etwas weit, finden die jungen Männer. Die einen benötigen für eine Strecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu zwei Stunden. «Aber wir sind natürlich froh, dass wir überhaupt hierher kommen dürfen», fügt Filmon Kewani, der aus Eritrea stammt, an.
Die Werkstatt steht im Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain LU und war zuletzt ungenutzt. Ein idealer Ort für den Kurs. «Die Teilnehmer müssen mit dem Zug und dem Bus selber hierher reisen. Das ist in der Wirtschaft ja nicht anders, und sie müssen das lernen», erklärt Mathias Stauffer. Ihm macht die Arbeit Spass. «Es ist eine gute Truppe. Alle sind extrem motiviert und machen mit.»
Da keiner der jungen Männer Vorkenntnisse hat, müsse er mit ihnen logischerweise bei null anfangen. Der Kursleiter muss den Flüchtlingen zum Beispiel die verschiedenen Werkzeuge erklären. Damit sie eine Ständerbohrmaschine benutzen können, muss diese auf einen Wagen gehievt werden. Doch der ist schief. «Seht ihr, ein Rad ist kürzer. Hier müssen wir ein Stück Furnier unterlegen, um das auszugleichen. Sonst hat die Bohrmaschine keinen festen Stand.» Gesagt, getan. Die jungen Männer messen die Position fürs Furnier aus, schneiden es zurecht und befestigen es. Gemeinsam wird das Problem behoben, und die Bohrmaschine auf dem Wagen ist einsatzbereit.
In der Werkstatt entstehen derzeit die Elemente für den hölzernen Schreiner-Weihnachtsbaum, eine Aktion des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten. «Diese stellen wir aus Fichte her, da sie günstig und leicht ist», erklärt Stauffer. Als Ausgleich dürfen die Flücht-linge parallel Bilderrahmen bauen. «Für diese verwenden wir aber Eiche. Sie ist viel härter, weswegen genauer gearbeitet werden muss.» So lerne die Gruppe verschiedene Holzarten und ihre Eigenschaften kennen.
Den Männern macht die Arbeit Spass. Während des Unterrichts wird gescherzt und gelacht. Dennoch sind sie bei der Sache. Untereinander sprechen sie Hochdeutsch, auch wenn sie teilweise die gleiche Muttersprache haben. Zwei Tage die Woche drücken sie die Schulbank. Dann haben sie Deutschunterricht, lernen Schreiner-Fachbegriffe und pauken Allgemeinbildung. Total vier Lehrpersonen betreuen die Flüchtlinge. Diese lernen auch den hölzigen Alltag kennen. Zum Vorbereitungsjahr gehören zwei Praktika.
Die Stadt Luzern hat nach Möglichkeiten gesucht, die Erwerbsquote von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen zu steigern. Und die Holzbranche ist immer auf der Suche nach neuen Lernenden. Die Stadt finanziert das Projekt vorerst für zwei Jahre. Insgesamt stellt sie Mittel in der Höhe von 1,5 Millionen Franken für drei verschiedene Integrationsprojekte zur Verfügung. Im Bereich Logistik werden ebenfalls Flüchtlinge ausgebildet, und es gibt eine Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk, Region Zentralschweiz.
www.luzerner-schreiner.chVeröffentlichung: 07. November 2019 / Ausgabe 45/2019
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