Ein besonderes auto ganz aus holz

Vera Steiger und Hanna Lehmann sind stolz auf ihr fahrendes Holzauto. Bild: Michi Läuchli

Für ihre Vertiefungsarbeit haben zwei angehende Schreinerinnen ein ungewöhnliches Projekt umgesetzt. In 320 Arbeitsstunden ist ein besonderes Holzauto entstanden, das sich sogar fahren lässt.

«Wir haben lange überlegt, was wir machen möchten, und sind dann auf die Idee gekommen, ein Auto aus Holz zu bauen», sagt die Lernende Hanna Lehmann aus Oberriet SG. Mit ihrer Klassenkameradin Vera Steiger aus Altstätten SG hat die zukünftige Schreinerin für ihre Vertiefungsarbeit (VA) im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) ein besonderes Projekt umgesetzt. Schliesslich wollten die beiden gemeinsam etwas machen, das nicht alltäglich ist. Der Wert dieser Vertiefungsarbeit sei zwar eher auf die schriftliche Arbeit ausgelegt, doch sie hatten im Sinn, etwas Praktisches zu gestalten. Ein Thema war nicht vorgegeben, und so gab es in ihrer Klasse noch andere, die etwas Praktisches realisierten.

Der ursprüngliche Plan der beiden 19-Jährigen war es, einen Pizzaofen auf einen dreirädrigen Piaggio Ape zu bauen. «Dann dachten wir uns, dass es etwas teuer und kompliziert wird, ihn herzustellen», erzählt Steiger. Nach reiflicher Überlegung und langem Suchen sind die zwei schliesslich bei Google fündig geworden respektive wurden von ähnlichen Umsetzungen für ihr jetziges Werk inspiriert. Dennoch war für Lehmann seit Längerem eins klar: «Ich wollte schon immer mal selbst ein Auto bauen, das auch fahren kann.» Für die Arbeit hatten die zwei Lernenden im vierten Lehrjahr rund drei Monate Zeit. Bis zur Fertigstellung kamen so rund 320 Arbeitsstunden zusammen. Mit der Planung fingen sie im vergangenen Herbst an. Während der Schule arbeiteten sie an der schriftlichen Dokumentation, am Abend und an den Wochenenden dann am Holzauto.

Vieles wurde «Freestyle» gemacht

Für die Realisierung des Autos sind die Lernenden jedoch unkonventionell und ohne Plan vorgegangen. «Im Kopf konnten wir uns die Form des Autos gut vorstellen. Es zu zeichnen, fanden wir aber zu schwierig, weshalb wir ein Modell aus Karton im Massstab 1 : 2 gemacht haben», erzählt Hanna Lehmann, die ihre Lehre bei der Alpiger Holzbau AG in Sennwald SG macht. So liessen sich die Form und Grösse etwas genauer bestimmen. Das Auto ist nun zirka 1600 mm lang, 600 mm breit und 500 mm hoch. Mit dem Modell vor Augen haben sie dann einfach mal begonnen, das Fahrzeug zu bauen. Dabei fingen die Lernenden bei der Unterkonstruktion an, welche das Grundgerüst bildete. Dieses sollte eigentlich zuerst aus Holz bestehen, allerdings hatten Steiger und Lehmann Zweifel, ob es auch hält. Deswegen besteht die Konstruktion nun aus einem Stahlrahmen, der schliesslich die ungefähre Grösse vorgab. Darauf seien die einzelnen Teile zugeschnitten und zusammengeleimt worden. «Hat es dann nicht gepasst oder war etwas zu kurz, haben wir einfach nochmals ein Stück Holz angeleimt und an die gewünschte Form angepasst», sagt Vera Steiger, die ihre Lehre bei der Schreinerei Popp AG in Altstätten SG macht.

Die vorderen, gebogenen Kotflügel haben sie beispielsweise aufgezeichnet, die Gehrungen geschnitten, an das Auto rangehalten und wo nötig nachgeschnitten, bis es passte. Dabei sei der Anfang recht schwierig gewesen, weil am Auto alles schräg ist. «Eine aufgespannte Raspelscheibe am Winkelschleifer hat uns schliesslich geholfen, die Teile an die Schrägen anzupassen», erklärt Lehmann. Allerdings wurde nicht alles so Freestyle gemacht. Einzelne Teile wie die Holzfelgen und Raddeckel hat sie an der CNC gefräst, was zeitaufwendig war, wie sie sagt: «Weil ich keine Winkel und Masse hatte, musste ich immer wieder ausprobieren und Probemuster fräsen, bis ich dann die korrekten Taschenfräsungen hatte.»

Massiv und funktional

Die Bodenplatte des Holzautos besteht aus einer Dreischicht-Massivholzplatte, darüber liegt Eschenholz. Die Sitze haben die zwei angehenden Schreinerinnen in Ulmenholz ausgeführt. Alle übrigen Teile wurden aus Buchenholz gefertigt. «Für das Holz haben wir eigenes verwendet, das wir noch zu Hause auf unserem Bauernhof hatten», sagt Hanna Lehmann. Da das Holz teilweise von Würmern befallen war, wurde es im Ofen getrocknet, damit diese absterben. Holz mit sichtbaren Wurmlöchern setzten die Lernenden für Stücke ein, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.

Die Sitze wurden einzeln verleimt und anschliessend durch den Boden angeschraubt. Die Rückspiegel wurden ebenfalls angeschraubt respektive an den Türen fixiert. Ansonsten sind die meisten Verbindungen mit Lamello oder Tenso gemacht. Wie bei einem richtigen Fahrzeug lassen sich die Türen und der Kofferraum bewegen. «Dass sich die Türen öffnen lassen, war uns wichtig», sagt Lehmann. Weil diese beim Fahren aufgingen, wurden später noch Verschlussriegel montiert. Dabei war ursprünglich geplant, dass sich auch die Motorhaube öffnen lässt, was die beiden Ostschweizerinnen aber aus zeitlichen Gründen wieder verwarfen. Damit die Türen und die Kofferraumklappe beweglich sind, wurden diese mit Klavierbändern fixiert. «Alles, was nicht aus Holz ist, haben wir, wenn möglich, an einer nicht sichtbaren Stelle montiert», offenbart Steiger. Einzig die Frontscheibe ist aus Plexiglas und die Rückspiegel aus Spiegelglas. «Die ovalen Spiegel habe ich zugeschnitten, was aber nicht so gut ging. Dann habe ich sie noch an der Schleifmaschine sauber in Form gebracht», sagt sie. Das Einzige, was die zwei nicht selbst herstellten, war das Nummernschild. «Das haben wir extern lasern lassen, weil wir in unserem Betrieb keine Maschine haben, die die Umrisse entfernt, aber die Schrift stehen lässt», erklärt Lehmann.

Sogar Schweissen gelernt

Für die ideale Unterkonstruktion liessen sich die zwei von einem Gokart inspirieren und adaptierten dessen Technik. Also schweissten sie einen massiven Vierkant-Rohrrahmen aus Metall zusammen, den sie noch mit Rostschutzfarbe behandelten. «Mein Vater hat mir dabei geholfen. Er arbeitet an der Berufsschule für Bauern, dort gibt es eine Metallwerkstatt, die wir benutzen konnten», erzählt Hanna Lehmann. Für die Lenkung an der Unterkonstruktion haben sich die Lernenden an einer alten Landmaschine bedient, von der sie das Kreuzgelenk übernahmen. «Beim Projekt haben wir viel über Technik gelernt. Und auch über das Schweissen, das haben wir vorher noch nie gemacht», führt die 19-Jährige weiter aus.

Fünftes Rad am Wagen

Dabei erfolgt der Antrieb nicht wie gewöhnlich über die Räder. «Das wäre zu kompliziert und im gegebenen Zeitrahmen nicht realisierbar gewesen», beschreibt Vera Steiger. Deshalb haben sich die beiden für eine Alternative entschieden. Nun läuft der Antrieb über ein fünftes Rad, das versteckt im Unterboden eingebaut ist. Und so funktioniert das Ganze: Tritt der Fahrer oder die Fahrerin auf das Gaspedal, betätigt dieses einen daran befestigten Seilzug. Über eine Umlenkrolle zieht das Stahlseil schliesslich am Abzug der Dewalt-18-V-Akkubohrmaschine, die damit verbunden und am Unterboden fixiert ist. Schliesslich beginnt sie sich zu drehen, respektive das Antriebsrad, das in der Maschine eingespannt ist. Da die Räder manchmal durchdrehen, hätten sie sich auch schon überlegt, die Räder mit einer Gummilauffläche zu beziehen. Weil das allerdings nicht so schön aussieht, haben sich die jungen Frauen jedoch dagegen entschieden.

Tatsächlich kann mit dem Auto auch gefahren werden, allerdings mit gewissen Einschränkungen, wie Lehmann sagt: «Für kleine und leichte Personen geht das. Mein kleiner Cousin ist schon damit rumgefahren.» Das Auto lässt sich im ersten Gang der Akkumaschine bewegen. Von der Leistung her würde es theoretisch auch im zweiten Gang fahren können, dann müssten allerdings die Übersetzung und das Antriebsrad geändert werden.

Von ihrer Vertiefungsarbeit waren die Berufsschullehrer der zwei Lernenden begeistert, folglich gab es für die angehenden Schreinerinnen einen Sechser als Note. Zudem konnten sie das Holz- auto an der VA-Ausstellung präsentieren, wo sie es auf den ersten Platz schafften. Ausserdem wurden sie mit dem aussergewöhnlichen Projekt für die Teilnahme am Nationalen Wettbewerb von «Schweizer Jugend forscht» nominiert. «Wir haben auch schon Kaufangebote für das Auto erhalten. Wir sind uns aber noch nicht sicher, ob wir das Auto überhaupt weggeben wollen», sagen beide einstimmig.

Vielseitiger Beruf

Für Vera Steiger gibt es einiges, das für die Arbeit als Schreinerin spricht. «Die Abwechslung gefällt mir am besten am Beruf. Und auch, dass ich am Abend die Resultate der Dinge sehe, die ich in der Werkstatt hergestellt und auf der Baustelle montiert habe», sagt sie. Eben ist sie mit der Individuellen Praktischen Arbeit (IPA) beschäftigt. Eine Wohnwand mit Nischen und Kleiderkästen soll als Kundenauftrag entstehen. Was sie nach der Lehre machen möchte, weiss sie noch nicht. Hanna Lehmann hat ihre IPA schon fertig. Geworden ist es eine Garderobe mit Altholzfronten und Schubladen mit englischen Zügen. «Mein Highlight war die IPA, das war fast das coolste Projekt, das ich bis jetzt machen konnte», schwärmt sie. Nach der Lehre möchte sie mit der BMS beginnen. In welche Richtung es gehen soll, weiss sie allerdings noch nicht.

alpiger-holzbau.chwww.schreinereipopp.ch

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 03. April 2025 / Ausgabe 14/2025

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