Stark und dennoch unauffällig

Prototypen der Firma Ambigence an einer deutschen Zuliefermesse. Bild: Andreas Brinkmann

Klappenbeschläge.  In der Vergangenheit sind immer komplexere Klappensysteme auf den Markt gekommen, die das komfortable Hochschwenken von Frontelementen erlauben. Heute wird dagegen vermehrt Wert auf eine dezente Erscheinung solcher Beschläge gelegt.

Kurz nach ihrer Gründung im Jahr 2018 stellte die Firma Ambigence aus dem deutschen Herford ihren Klappenbeschlag «The Panel» vor, der vollständig in die Seiten- oder Mittelwand von Möbelkorpussen eingelassen werden kann. Damit hat das Unternehmen eine Möglichkeit geschaffen, mit der hochschwenkbare Möbelfronten neue Gestaltungsimpulse erhielten.

Ambigence ist eine Denkwerkstätte, die zusammen mit ihrem Netzwerk an Partnern Ideen, mit denen Möbel neu gedacht werden, zu realen Produkten werden lässt. Firmen wie diese können mit ihrem Suchen nach Lösungen Impulsgeber sein. Im Gegensatz dazu werden interne Entwicklungen in einem Herstellerbetrieb gerne schon in einer frühen Phase mit vielen Vorgaben versehen. Klappenbeschläge wurden technisch immer besser, ihre optische Wirkung erhielt aber nur wenig Beachtung.

Komplexe Schwenkmechanismen

Besonders bei Einbauküchenmöbeln sind hochschwenkbare Fronten bei den Oberschränken ein immer wiederkehrendes Thema, weil Drehtüren im offenen Zustand im Weg stehen und man sich leicht den Kopf anschlagen kann. Lässt sich das Frontelement hingegen nach oben schwenken, darf der Oberschrank problemlos offen bleiben. Die recht einfach funktionierenden Klappenbeschläge aus der Anfangszeit boten ein gewisses Potenzial, sich die Finger einzuklemmen, wenn die Front wieder geschlossen werden sollte. Über die Jahre wurden daher immer perfektere Systeme entwickelt. Heute lassen sich Klappen sogar elektrisch in verschiedene Positionen schwenken und per Sensorauslösung auch wieder schliessen.

Bei so viel Technik verhält es sich wie bei einem Auto mit Cabrioletverdeck. Das Ganze ist kompliziert und braucht relativ viel Platz. Beim Auto geht das auf Kosten des Kofferraumes, bei einem Oberschrank genauso. Auch dort wird der Innenraum durch die dicken Kästen innen an den Seitenwänden mit dem mechanischen und elektronischen Antrieb verkleinert. Der Platzverlust im Schrank ist aber oft gar nicht das Schlimmste. Sobald eine durchsichtige Glasfront zum Einsatz kommt oder Möbel im Wohnbereich Klappen erhalten sollen, wirken die mit Kunststoff verkleideten, seitlichen Beschlagskästen unschön und werden als störend wahrgenommen.

Verlagerung in die Korpusseite

Das Klappengewicht und ihre Grösse – besonders auch die Ausladung beim Öffnen – sind wichtig bei der Auswahl des geeigneten Beschlages. Klappbare Fronten im Wohnbereich sind oft gar nicht so gross und schwer wie solche bei Küchenoberschränken. Und auch dort werden vermehrt niedrigere Schränke angeboten. So können auch durchschnittlich grosse Personen die vollständigen Schrankinhalte ohne Leiter erreichen. Das bedeutet, dass diese Personen die Klappen auch mühelos wieder schliessen können. Dies zusammen erlaubt eine weniger stark dimensionierte Mechanik und den Verzicht auf einen motorisierten Antrieb.

Die Techniker der Grass GmbH im österreichischen Höchst haben mit Kinvaro T-Slim einen Klappenbeschlag geschaffen, der mit seinen 12 mm Bauhöhe bereits in eine 16 mm dicke Korpuswand eingelassen werden kann. Die dünne Abdeckung lässt sich der Korpuswand farblich anpassen oder bewusst als Kontrastfeld verwenden.

Der Beschlag ist auch in einer Aufschraubvariante erhältlich, was zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten schafft. Ein Paar kann eine bis zu 9 kg schwere Front tragen und diese gedämpft schliessen. Bei Korpusbreiten über 1200 mm empfiehlt der Hersteller, einen dritten Beschlag in der Mittelwand zu positionieren. Der Frontstreifen wird so gleichmässig getragen, und es ist ein Gewicht von bis zu 13,5 kg realisierbar.

Kaum noch sichtbar

Ebenfalls für Wandstärken ab 16 mm ist der Beschlag HKi von der Julius Blum AG, auch im österreichischen Höchst, konzipiert. Der Hochklappenbeschlag lässt sich in die Korpusseitenwand voll integrieren. Das heisst, dass der Beschlag in eine von der Plattenkante aus eingestemmte Tasche gesteckt wird und nur der Stulp sichtbar bleibt. Sollte es nötig sein, kann derselbe Beschlag auch teilintegriert – also in die Fläche eingelassen – mit einer Abdeckung verwendet werden. Erhältlich sind Abdeckkappen in den Farben Seidenweiss, Hellgrau und Tiefgrau.

Ein so geringer Platzbedarf wirft die Frage nach dem effektiv nutzbaren Bereich eines solchen Beschlages auf. Die Firma ist aber auch hier ihren Prämissen treu geblieben und bietet trotz der Integration in die Korpusseite eine dreidimensionale Einstellbarkeit von der Stulpseite her an. Ebenso lassen sich ein Öffnungswinkelbegrenzer sowie ein stufenloser Stopp einstellen. Trotz der filigranen Mechanik sind Lösungen mit bis zu 18 kg schweren Fronten aus vielerlei Materialien möglich. Dank der Dämpfung Blumotion schliesst die Klappe sanft, und es ist auch eine grifflose Anwendung mit der Bewegungstechnologie Tip-On von Blum realisierbar.

Bewusst sichtbar gelöst

Die Peka Metall AG aus Mosen LU bietet mit Free Space aus dem Hause Kesseböhmer einen schlanken Klappenbeschlag mit geringer Einbautiefe an. Anders als die vorher genannten Produkte soll man diesen Beschlag sehen. Er wird von innen auf die Korpusseiten montiert, und es gibt eine Version für links und eine für rechts. Bei der Entwicklung wurde nebst der Kompaktheit und der Technik grosser Wert auf eine gute Gestaltung gelegt. Entsprechend ist dann auch die Wirkung bei geöffneten Fronten. Angeboten wird der Beschlag in den Farben Weiss und Anthrazit, die im Kontrast zu den vernickelten Elementen stehen.

Je nach Beschlagsversion sind Frontelemente bis 15 kg tragbar, und es gibt eine Schliessdämpfung sowie eine Push-to-open-Variante. Praktisch ist auch der Multipositionsstop, der in jeder Öffnungsposition für festen Halt sorgt.

Nach oben und nach unten

Ganz anders als die Modelltypen, die bis hierhin vorgestellt wurden, handelt es sich bei Duovon der Häfele Schweiz AG in Kreuzlingen TG um eine Klappenstütze sowie einen Klappenhalter. Das Frontelement braucht somit zusätzlich Scharniere. Die Haltekraft ist individuell auf das Klappengewicht einstellbar. Besonders ist, dass der gleiche Beschlag für nach oben schwenkende Fronten wie auch für Sekretärklappen – also nach unten – verwendet werden kann.

www.ambigence.comwww.grass.euwww.blum.comwww.peka-system.chwww.haefele.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 02. Juni 2022 / Ausgabe 22/2022

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