Qualität oder Ware. Gnadenloser Verdrängungskampf und wirtschaftliche Interessen degradieren die weiss beschichtete Spanplatte zum Ramschprodukt. Diese provokative Meinung geistert in verschiedenen Holzköpfen umher. Ist die Kritik berechtigt oder ist gar das Gegenteil der Fall?
Ein Blick zurück: Bereits vor 1900 werden erste Versuche zur Herstellung von Spanplatten gestartet und Patente angemeldet. In den 40er-Jahren findet die erste industrielle Produktion von Spanplatten in Deutschland statt. Wie bei so vielen anderen Produkten auch basierte die Erfindung von Spanplatten auf einer Notsituation. Während der Kriegsjahre stieg die Nachfrage nach qualitativ hochstehenden Produkten aus Restholz. 1946 entstand in Klingnau das erste Novopan-Werk, das erstmals in der Welt die industrielle Produktion grossformatiger dreischichtiger Spanplatten aufnahm. Ihren Siegeszug trat die Spanplatte in den 50er-Jahren an. In der Folge erschloss sie ein erhebliches Marktpotenzial und ist aus der heutigen Bauweise nicht mehr wegzudenken. Als einziges Spanplattenwerk in der Schweiz etablierte sich die Kronospan Schweiz AG als wichtiger Produzent im internationalen Markt.
Die Wahrnehmung der Spanplatte
Die Innovation der Restholzplatte mit ihren klaren Vorteilen gegenüber Massivholz bezüglich Dimensionsstabilität, Oberflächenvielfalt, verschiedener Rohdichten sowie des gleichmässigen Aufbaus liess die Nachfrage explodieren. Verschiedenste Weiterentwicklungen und Veredelungen folgten. Ein nicht mehr wegzudenkendes Produkt stellt die weiss beschichtete Spanplatte dar. Kaum eine Küche, kaum ein Schrank und kaum ein Badezimmermöbel, bei dem nicht mindestens das Innenleben aus weiss beschichteter Spanplatte besteht. Der Werkstoff ist etabliert und akzeptiert. Heute aber tauchen neue Bezeichnungen für die doch so geliebte Platte auf. Produzenten, Holzwerkstoffhändler und Endverbraucher reden nicht mehr von einem Produkt oder einer Möbelbauplatte, sondern von Weissware. Auch wenn der Begriff an sich nicht falsch gewählt ist, drückt er mit der Bezeichnung «Ware» doch eine unterschwellige Minderwertigkeit aus.
Die Sorgen des Schreiners
Spricht man mit gestandenen Schreinern, merkt man schnell, dass das gelobte Produkt auch Ärger bereitet. Bemängelt wird insbesondere die Standfestigkeit der Platte, der zunehmend grösser werdende Randabschnitt, Spannungen im Innern der Platte, die sich beim Zuschnitt negativ bemerkbar machen, sowie die Formstabilität aufgrund von nicht symmetrischen Plattenaufbauten. Die Kritik ist deutlich.
Ein gnadenloser Verdrängungskampf, geführt über den Preis, zwang kleinere Produzenten, ihr Werk zu schliessen. Die verbleibenden Grosskonzerne versuchen mit allen Mitteln, ihre Mitbewerber aus dem Markt zu drängen. Zur Diskussion stehen da und dort deshalb Senkungen der Rohmaterialkosten durch Einsparungen in der Produktion, kürzere Presszeiten, ungenauer Schichtungsvorgang (asymmetrischer Plattenaufbau), minimale oder gar keine Formatierung der Platte, ungenügende Auskühlung der Platte und schlechte Akklimatisation. All diese Vorwürfe können, falls sie so zutreffen, zu einer verminderten Qualität des Endprodukts führen. Der vermeintlich günstige Werkstoff wird zum Bumerang und verursacht Kosten in der Produktion und aufgrund des höheren Verschnittanteils auch beim Materialeinkauf. pi
Spannplatten - Qualität
Ihre Meinung ist gefragt
Die gute alte Spanplatte soll tatsächlich in Sachen Qualität massiv eingebüsst haben. Ist dies wirklich so? Haben Sie bezüglich Standfestigkeit, Formstabi-lität, steigenden Verschnitts usw. bei Spanplatten ähnliche Erfahrungen -gemacht? Wie reagieren Sie auf diese Qualitätsverluste? Bitte teilen Sie uns Ihre Meinung per E-Mail mit.
Veröffentlichung: 22. September 2011 / Ausgabe 38/2011
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