So einiges auf die Platte gebracht

Aus den meisten Dreischichtplatten entstehen Möbel. Deshalb ist es gut, wenn der Anteil an ökologischen und wohngesunden Platten zunimmt. Bild: Christian Härtel

Spanplatten.  Über den so wichtigen Werkstoff herrschen kontroverse Meinungen in der Branche. Jetzt kommt Bewegung ins Produktionsverfahren, denn immer mehr Hersteller erhöhen den Anteil an wiederverwertetem Holz und setzen vermehrt auf formaldehydfreie Bindemittel.

Die Spanplatte verdankt ihre Existenz im Grunde einem Zufall. Auf der Suche nach der Rezeptur für ein organisches Glas entwickelten die beiden österreichischen Chemiker Fritz Pollak und Kurt Ripper zu Beginn der 1920er-Jahre ein Harnstoff-Formaldehyd-Harz. Das Vorhaben misslang, aber der auch als UF-Harz bezeichnete Kunststoff fand andere Verwendungen. Als Bindemittel dient er als entscheidende Substanz für das Verkleben und Verpressen von Holzspänen zu Platten. Gleichzeitig wurde das im Harnstoff-Harz enthaltene Formaldehyd zur Achillesferse des günstig und massenhaft produzierbaren Holzwerkstoffes. Denn Späne gab es immer genug. Die meiste Zeit waren diese Abfall, und man suchte nach einer Verwendung dafür. Erst später entstand Konkurrenz auf dem dann sogenannten Restholzmarkt durch die Holzpellethersteller. Problematisch für die Spanplattenproduzenten war der Gehalt an Formaldehyd in den Platten. Man mühte sich lange mit der Reduktion der Formaldehyd-Emissionen des Materials, allerdings meist auf Druck durch neue Vorschriften und Normen. Jahrzehntelang lief die Produktion in Europa praktisch in gleicher Weise, während in den USA bis 2020 und in Japan bis heute strengere Standards gelten.

Und es geht doch

Einzelne Akteure haben versucht, den entscheidenden Schwachpunkt des Werkstoffes zu beseitigen. Etwa das deutsche Unternehmen Schlingmann, das in seiner Natura-Platte vor über 20 Jahren als Bindemittel den natürlichen Gerbstoff Tannin verwendete. Das Ganze scheiterte wirtschaftlich, und so ging alles wie gewohnt weiter. «Jahrzehnte passierte wenig, aber in den letzten 10 Jahren hat sich viel getan», bestätigt Stefan Göldner, Marketing- und Kommunikationschef beim Spanplattenhersteller Pfleiderer, die noch junge Geschichte des Werkstoffes.

Der Druck ökologischer zu wirtschaften und möglichst bio zu sein, ist inzwischen in allen Branchen gewachsen. Neben dem Anteil an Formaldehyd ist in den letzten Jahren deshalb auch der Recycling-Anteil an Holz in neuen Spanplatten stärker in den Fokus gerückt. Von der Industrie lange Zeit strikt abgelehnt, ist bei diesem wichtigen Aspekt inzwischen ordentlich Bewegung drin. Platten aus Recycling-Holz galten in der Branche lange als zu umständlich, zu unsicher und am Ende einfach zu teuer und deshalb utopisch. Und wenn dann doch etwas drin wäre in den Platten, seien die Beschwerden der Verarbeiter vorprogrammiert, so die Auskunft so manchen Herstellers noch vor 10 oder 15 Jahren. Meist war ein kleiner Prozentanteil unter die Frischholzspäne in der Produktion gemischt worden, und mehr schien nicht möglich.

Heute klingt das anders. Als erster und bislang einziger Hersteller produziert das italienische Unternehmen Saviola eine Platte, die zu 100 % aus recyceltem Holz besteht. «In Platten von Pfleiderer steckten heute 50 % wiederverwertetes Holz», erklärt Göldner. Wie viel im einzelnen drin sei, hänge vom Kunden ab. So würden die Skandinavier Platten mit höherem Anteil an recycliertem Holz verlangen, die deutsche Fertighausbranche dagegen wolle dies gar nicht.

Helena kann mehr

Für Fabian Noci, Produktionsverantwortlicher der Spanplattenlinie im Werk Menznau LU von Swiss Krono, hängt das auch mit den technischen Voraussetzungen zusammen. «Unsere neue Anlage Helena haben wir 2017 in Betrieb genommen. Schon zwei Jahre später liefen die ersten Versuche für die Beyond-Platte an. Mit den alten Anlagen konnten wir den Recycling-Anteil längst nicht so hoch einstellen, mit Helena geht das nun», erklärt Noci. Derzeit würde der Anteil an Recycling-Holz bei ewa 30 % liegen, dieser soll nun auf 50 % steigen und dann möglichst noch weiter anwachsen. Das gilt für alle Swiss-Krono-Spanplatten, nicht nur für die Beyond-Platte. Die ist vor allem wegen des Einsatzes eines Anteils an biobasierten Bindemitteln in Kombination mit PMDI-Harz wohngesundheitlich bei der Formaldehyd-Emission auf dem Level von naturbelassenem Massivholz. Damit gehört das Joch mit dem Formaldehyd bei den Möbelplatten der Vergangenheit an. Das biobasierte Bindemittel wird aus Maisstärke erzeugt, bei PMDI (Polymeres Diphenylmethandiisocyanat) handelt es sich um einen Stoff der Diisocyanate. Die kennt man vielleicht von den PU-Klebstoffen, denn auch dort sind sie Grundstoff des Leimes.

Beyond als deutliches Zeichen

Am Anfang sei das Ganze durchaus eine Herausforderung gewesen. Die Techniker mussten sich herantasten mit den Recycling-Spänen und der neuen Leimflotte. Inzwischen laufe die Produktion längst stabil, zusätzliche technische Einrichtungen oder Umstellungen bedürfe das Ganze nicht. Allerdings: «Gegenüber einer Standardplatte ist die Produktion um bis zu 15 % langsamer, sprich geringer. Aber das ist bei allen hochwertigen Produkten so. Die Produktion läuft für die Qualität etwas langsamer», erklärt Noci. Die 8 bis 40 mm starken Beyond-Platten erhalten eine blau eingefärbte Mittelschicht, die zwar im Holz etwas grünlich wirkt, aber ganz anders aussieht, wie etwa die Färbung der wasserfest verklebten Platten. Die technischen Eigenschaften der umweltfreundlicheren und wohngesunden Platte seien nahezu identisch. «Die Prozessparameter sind etwas unterschiedlich, und das Bindemittel ist ein anderes, ansonsten ist alles wie bei einer normalen Spanplatte», versichert Marc Priester, Verkaufsleiter Schweiz bei Swiss Krono. Im Werk Menznau entstehen täglich 1600 m3 Spanplatten. Aktuell liegt der Beyond-Anteil dabei allerdings nur bei 10 %. Die meisten Verarbeiter verwenden also nach wie vor die konventionellen Spanplatten im Möbelbau.

Schreiner gehen voran

Bei der Schreinerei Weber AG in Seewen SO verwendet man die Beyond-Platte und kennt die Diskussionen zum Thema Spanplatte auch mit Architekten nur zu gut. «In der Architektur hat die Spanplatte einen schlechten Ruf. Sie gilt als billig», sagt Projektleiter Marco Meier. Aktuell würden immer mehr Schreinerarbeiten mit sichtbarer Holzstruktur aus trendigen Holzarten wie Birke oder Seekiefer in Form von Sperrhölzern ausgeführt. Das gelte bei vielen Akteuren als hochwertig und nachhaltig. Eventuelle Schadstoffe in den Leimen und auch das Phenolharz würden kaum näher angesehen. Für Meier ist klar, dass er mit der Spanplatte Beyond deutlich weniger Schadstoffpotenzial zum Kunden bringt, als mit jedweder Sperrholzplatte. Im Falle von Beyond stamme das Holz zudem aus der Schweiz. «Es gibt keine nachhaltigere Lösung. Wenn die Arbeiten dann auch in der Schreinerei furniert werden, ist die Kombination aus Nachhaltigkeit und regionaler Wertschöpfung unschlagbar», zeigt sich der Schreiner überzeugt. Technisch sei es auch besser, weil in der Schreinerei oft 0,9 mm dünnes Furnier verwendet würde und nicht wie bei werkfurnierten Platten 0,55 oder 0,6 mm. Seine Sichtweise bringt Meier auch bei seinen Kunden an. Formaldehydfrei verleimte Beyond-Platte aus wiederverwerteten Hölzern und Holz aus dem Schweizer Wald sowie die starke regionale Wertschöpfungskette seien zunehmend schlagende Argumente.

Die Bioplatte kommt

Am Ende bestimmt der Markt, was eingesetzt wird. «Beyond wird zwar insgesamt noch nicht genügend gesehen, aber gerade Schreinereien verwenden sie zunehmend», erklärt Marc Priester. Wohl auch, weil sie im direkten Kundenkontakt ihre Argumente anbringen können. Eine Beyond kostet gegenüber einer herkömmlichen Platte rund 20 % mehr. Das muss man erklären. «Mit Beyond kann ich meinen Kunden eine gesunde nachhaltige Lösung aus der Schweiz anbieten. Oft mit dem Resultat, dass ich sie dann verwenden kann», sagt Marco Meier. Dass die Konsumenten die Bioplatte wollen, davon sind die Akteure überzeugt. Es wird ein Schlüssel sein, sie von der Sinnhaftigkeit der Bezahlung eines Mehrpreises zu überzeugen. Denn die Möbelbranche ist immer noch der grösste Abnehmer von Spanplatten.

Der Trend hin zum Einsatz von wiederverwertetem Holz und zur Ausschaltung von leimbedingten Formaldehyd-Emissionen scheint diesmal standhaft zu sein. Aktuell wird eine Beyond für den grossen asiatischen Markt entwickelt, die wegen der Luftfeuchtigkeit etwas anders sein muss. Pfleiderer hat angekündigt, dass man kurz vor der Einführung einer 100 % biogen verleimten Spanplatte aus 100 % recyceltem Material stünde. Man könnte sagen, die Branche ist in Bewegung und pusht sich gegenseitig. Und das sind gute Nachrichten, Schreiner Marco Meier ist ohnehin überzeugt, dass sich die Bio-Spanplatten durchsetzen werden.

www.pfleiderer.dewww.saviola.comwww.swisskrono.com/chwww.schreinerei-weber.ch

Wer hats erfunden?

Eine naheliegende Idee

Mehr als die Hälfte des Holzes eines Baumes war lange Zeit stofflich nicht verwertbar. Das änderte sich mit der Spanplatte. Als Erfinder gilt Max Himmelheber, ein Schreinersohn aus Süddeutschland. Er entwickelte Anfang der 1930er-Jahre ein Verfahren, bei dem er Späne verklebte und verpresste. Das Patent wurde 1932 erteilt. Es ist davon auszugehen, dass eine solche Idee an mehreren Orten verfolgt wurde. So ging die erste Spanplattenproduktion 1935 in den USA in Betrieb. Ein Pionier war auch Fred Fahrni aus Zürich, der in den 1940er-Jahren die dreischichtige Spanplatte Novopan entwickelte.

Christian Härtel

Veröffentlichung: 15. August 2024 / Ausgabe 33/2024

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