Sinfonien aus Holz, Glas und Messing

Antike Schmuckmöbel wurden früher noch aus edlen Hölzern erzeugt und mit Intarsien verziert. Bild: Pixabay

Schmuckmöbel.  Edle Kostbarkeiten und Uhren verdienen eine stilvolle und sichere Präsentation in angemessenen Möbeln. Ihre aufwendige Herstellung erfordert jedoch viel Erfahrung – ein Grund, warum sich nur wenige Schreinereien in dieses anspruchsvolle Metier wagen.

Speziell entworfene Möbel zur Aufbewahrung und Präsentation von Schmuck haben eine lange Geschichte. Die Möbelstücke sind eng mit der Entwicklung von Schmucktruhen verbunden, welche früher als Statussymbole und Ausdruck von Reichtum und Geschmack galten. Die Wurzeln von Schmuckmöbeln reichen bis ins Alte Ägypten zurück, wo wertvolles Gut in edlen Truhen und Kisten aufbewahrt wurde. Besonders kostbare Möbelstücke wurden mit Blattgold überzogen oder mit Intarsien aus farbigem Glas und Edelsteinen versehen und dienten als kostbare Besitztümer, die den Reichtum ihrer Besitzer zur Schau stellten.

Im Barock und Rokoko erreichte die Kunst der Möbelherstellung einen Höhepunkt. Schmuckmöbel wurden in dieser Zeit immer raffinierter und kunstvoller gestaltet. Vor allem in Frankreich und Italien entstanden prächtige Kabinette und Kommoden, die reich mit Intarsien, Vergoldungen und Schnitzereien verziert waren. Diese Möbelstücke waren nicht nur funktional, sondern auch Ausdruck des künstlerischen und handwerklichen Könnens der Zeit.

Edle Materialien geben zeitlose Eleganz

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert veränderten sich auch die Herstellungsverfahren von Möbeln. Während handgefertigte Stücke weiterhin sehr geschätzt wurden, begann die Massenproduktion einfacher und erschwinglicher Schmuckkästchen. Dennoch blieben massgefertigte Schmuckmöbel aus edlen Hölzern und mit kunstvollen Verzierungen ein Symbol für Luxus.

In den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, insbesondere während der Art-déco-Ära, wurden Schmuckmöbel im modernen Stil populär. Diese Stücke zeichneten sich durch klare Linien, geometrische Formen und luxuriöse Materialien wie Ebenholz, Elfenbein und exotische Hölzer aus. Die Möbel aus dieser Zeit betonten eine Verbindung zwischen Handwerkskunst und ästhetischem Design. Die Geschichte der Schmuckmöbel spiegelt also nicht nur die Entwicklung des Handwerks, sondern auch die wechselnden Trends und Bedürfnisse in der Gesellschaft wider.

Von der Schatulle zur Ladeneinrichtung

Schmuckmöbel im klassischen Sinne haben allerdings einen starken Wandel durchgemacht. Die einst aufwendig hergestellten Möbel gehören mittlerweile zu einer Rarität und werden von Schreinereien in dieser Form kaum noch produziert, wie Recherchen zum Artikel zeigten.

Während die reich verzierten Schmuckmöbel in der Vergangenheit oft für Privathäuser erschaffen wurden, stehen sie heute vorwiegend als komplette Ladenausbauten in exquisiten Uhren- und Schmuckgeschäften. Wandregale, beleuchtete Vitrinen und Schaufenster präsentieren den Kunden adäquat Luxusgüter wie Uhren, Schmuck, Juwelen und Accessoires.

Beachtlicher Materialmix

Moderne Schmuckmöbel verbinden Funktionalität mit zeitgemässem und schlichtem Design, wobei eine Vielzahl an unterschiedlichen und hochwertigen Materialien zum Einsatz kommen. Massivholz und furnierte Holzwerkstoffplatten werden oft mit Glas, Metall, Aluminium, Leder, Stoff und Stein kombiniert.

«Die Schwierigkeit liegt darin, dass am Ende die Teile aus Metall und Glas sowie die von uns hergestellten Möbel exakt zusammenpassen», sagt Dominic Spies, Sachbearbeiter Planung bei der Karl Bucher AG. Die Schreinerei aus Goldau SZ fertigt unter anderem anspruchsvolle Ladenausbauten. Aktuellstes Projekt: der Innenausbau in einem Schmuck- und Uhrengeschäft für einen namhaften Anbieter von Uhren in den USA. Spätestens in ein paar Wochen sollen dort die Wandverkleidungen, Vitrinen, Tische, Raumtrenner, Spiegel, Baranlagen und Türen montiert werden. «Gegen 30 Tonnen Material werden in zwei grossen Schiffscontainern nach Amerika verschifft», wie Spies sagt. Neben ihm sind noch zwei weitere Fachplaner und ein Projektleiter am Projekt beschäftigt. Folglich spiele die Kommunikation intern und zwischen den einzelnen Lieferanten sowie die Terminplanung eine wichtige Rolle.

Wenn Spezial normal ist

Die Innenausbauten wie Unterbaukorpusse und Tische der Bijouterie wurden grösstenteils aus schwer entflammbarer MDF produziert und in Eiche furniert. Die Profile der Vitrinen, aber auch alle anderen Metallprofile, bestehen aus brüniertem und lackiertem Messing. Sämtliche Arbeiten sind Entwicklungen, die im Zusammenspiel zwischen der Karl Bucher AG und dem Auftraggeber stattfanden. In den Vitrinen steckt viel Planungs- und Konstruktionsarbeit. Spezielle Profile und eigens dafür konzipierte Scharniere sorgen für eine sanfte Öffnung und gleichzeitige Begrenzung. Speziell sind auch die Vitrinen mit beidseitig öffnenden Schubladen: Dank einer cleveren Konstruktion laufen die Aluminiumplatten ineinander. Auf ihnen werden am Ende mit Leder überzogene Einlagen montiert, auf denen der Schmuck dann präsentiert wird. Die Schubladen lassen sich nur elektronisch öffnen. Bei allen Vitrinen wurde Verbundsicherheitsglas P5A verbaut, um das Einschlagen zu erschweren.

Filigran und edel, dennoch sicher

Ähnlich sieht es bei der Obrist Interior AG aus: Der Innenausbauer aus Inwil LU entwickelt und produziert ebenfalls Ladeneinrichtungen im gehobenen Segment, wovon rund 80 Prozent ins Ausland gehen. Wie bei der Karl Bucher AG arbeitet man auch bei der Inwiler Schreinerei eng mit Metallbauern und Glasproduzenten zusammen, die die Vitrinen und Metallprofile nach Wünschen der Schreinerei bzw. der Kunden herstellen. Beim aktuellen Projekt – einem Schmuck- und Uhrengeschäft in Las Vegas (USA) – kommen brünierte, lackierte Messingprofile und Vitrinen mit Verbundsicherheitsglas und elektronischen Schlössern zum Einsatz. «Die Herausforderung bei Schmuckmöbeln ist, ein filigranes Design mit einer hohen Sicherheit und Dauerhaftigkeit zu verbinden», sagt Claudio Waldesbühl, Chief Operating Officer bei der Obrist Interior AG. Es sei nicht wie mit einem Sideboard zu Hause, bei dem man womöglich zweimal pro Woche die Schublade öffnet. Solche Schmuckmöbel wür- den täglich vielleicht 20 oder gar 50 Mal geöffnet.

Die Korpusse sind eine Eigenentwicklung der Obrist Interior AG. «Die Formgebung wie Aussenmasse, Profilquerschnitt und Material wird durch die Marke vorgegeben. Aber alles, was nicht sichtbar ist, wie die technischen Lösungen, liegt dann bei uns», sagt Waldesbühl. Zurzeit arbeitet man an einer Normierung, um nur noch einen Vitrinentyp herstellen zu müssen, bei welchem sich dann alle möglichen Schlosstypen einbauen lassen. Die meisten Komponenten werden in Inwil kommissioniert, vorbereitet und zusammengebaut, sodass die Montage möglichst wenig Zeit in Anspruch nimmt. Schmuck- und Uhrenmöbel herzustellen, benötigt also einiges an Erfahrung, technischer Planung und Affinität.

www.karlbucher.chwww.obrist-interior.ch

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 26. September 2024 / Ausgabe 39/2024

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