«Sie wird trotzdem wieder strahlen»

Noch ist die Heiliggeistkirche eine grosse Baustelle. Schon bald werden aber Holz- und Mauerflächen wieder in vollem Glanz erstrahlen. Bild: SchreinerZeitung

Materialien.  Beschichtet man Holz mit ungeeigneten Methoden und Materialien, lässt es sich kaum noch restaurieren. Die Sanierung der Heiliggeistkirche in Basel zeigt auf, wie man Holz behandeln muss, damit es auch noch nach Jahrzehnten wieder strahlen kann.

«Wer Kunstharzfarben gestrichen haben will, ist bei mir an der falschen Adresse», sagt Luzia Borer, Chefin des Einfrau-Malerunternehmens Öl und Kalk GmbH aus Basel. Eine klare Ansage, die zu den heutigen Materialgebräuchen in der Malerbranche ziemlich diametral steht. Nicht nur in der Flachmalerei, auch bei der Beschichtung von Holz hat sich der Einsatz von Kunstharzen breitflächig durchgesetzt und wer sich dem Diktat der Kunststoffindustrie entziehen will, wird schon fast als Exot angesehen. Luzia Borer geht ihren Weg konsequent und setzt bei der Oberflächenbeschichtung auf traditionelle Materialien.

«Schleifpapier sofort verstopft»

Dies aus gutem Grund: «Mit Kunststoffen überzogene Flächen kann man kaum noch vernünftig sanieren», sagt Luzia Borer. Am schlimmsten seien Farben auf Acrylbasis. Diese lassen sich nicht ablaugen und schon gar nicht abwaschen. «Und wenn man sie schleifen will, werden sie so weich, dass jedes Schleifmittel sofort verstopft», weiss Borer. Polyurethane seien aus Restauratorensicht nicht viel besser, sie würden beim Anschleifen einfach nicht so weich wie Acryle. Wie sich das Fehlen von geeigneten Renovationsmöglichkeiten in der Praxis auswirkt, haben die an der Sanierung der Heiliggeistkirche in Basel beteiligten Personen deutlich zu spüren bekommen.

Ungeeignete Sanierungsmethoden

Seit Sommer 2011 wird die Kirche sanft renoviert und soll bis Ende Oktober 2012 wieder in altem Glanz erstrahlen. Die Sanierung basiert auf einem Konzept der Basler Restauratorin Andrea Amrein. Bereits dieses listet viele Bausünden auf. «Glücklicherweise hat man die grossen Wandflächen in Leimfarbe im grossen Kirchenraum nie überstrichen», sagt Amrein. So sei bei den grossen Flächen im Gegensatz zu den Holzoberflächen auch nur eine einfache Reinigung nötig gewesen.

Erbaut wurde die Kirche 1910 bis 1912, das Bauwerk gilt also nicht unbedingt als historisch. Vielleicht ist genau dies der Grund, dass bei den bisherigen Sanierungen in den 70er- und den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts nur wenig Wert auf authentische Sanierungsmethoden gelegt wurde. So hat man zum Beispiel in der angebauten Taufkapelle die Decke aus breitem Tannenbretttäfer mit aufgesetzten Profilstäben einfach mit einer matten, deckenden Kunstharzfarbe überstrichen.

Ursprünglich dürften die Täferbretter transparent beschichtet gewesen sein. In den vielen Jahren hätten diese sicherlich eine warmbraune Patina aufgewiesen. Durch den deckenden Anstrich ist die ganze Raumwahrnehmung verändert worden. In der aktuellen Sanierung konnte man das Ganze nur noch durch Überstreichen wieder auf Glanz bringen. «Für eine glänzende Farbe hat man sich in der Baukommission entschieden, weil es früher praktisch nur glänzende Anstriche gab», erklärt Borer. Doch mit dem zusätzlichen Glanz kommt nun auch die Struktur darunter besser zur Geltung. Dies sorgte bei der Sanierung für eine veritable Überraschung.

Untergrund mit Überraschung

«Im Streiflicht war nun plötzlich zu sehen, dass unter der Kunstharzfarbe aufgemalte Ornamente in Rankenform sein mussten», weiss Borer. Dieses farbige Muster hätte man gerne wieder in den Vordergrund geholt und dafür auch die neue deckende Sanierungsfarbe wieder entfernt. Weil die Ornamente aber mit einer Kunstharzfarbe überdeckt sind, werden sie wohl für immer darunter verborgen bleiben, denn diese lässt sich nur noch mechanisch entfernen. Das würde wiederum den Verzierungen schlecht bekommen.

Holzporen als Zeitzeugen

Solche Bausünden gibt es in der Heiliggeistkirche noch einige. Doch die meisten konnten korrigiert werden. So hat man bei der letzten Renovierung die Türen aus Eiche mit synthetischen Lacken lasiert. Ursprünglich waren pigmentierte Glanzlacke auf Basis von natürlichen Bindemitteln auf dem Massivholz aufgebracht. «Die Lebensdauer dieser Nitrozelluloseprodukte ist aber sehr beschränkt», sagt Borer. Das alte Bindemittel konnte sie einfach abkratzen, es sei sehr spröde gewesen. Nach dem Entfernen der Kunststoffschicht hat Borer das Holz gereinigt und mit dem Universalöl von Biofa behandelt. Die Holzoberfläche mit dem Öl hat sie dabei in nassem Zustand noch einmal geschliffen. In den Holzporen ist ein Gemisch aus pigmentiertem Lack und Gebrauchsspuren zurückgeblieben. Ebenfalls aufgefrischt hat die Malerin den Altar aus Tannenholz. Nach dem Schleifen hat Borer das Holz mit einem Gemisch aus Seife und mikronisierten Pigmenten in Titanweiss behandelt. Der in der Seife enthaltene Kalk bleicht das Holz und hält es schön hell. Die Weisspigmente verhindern zudem zuverlässig das Vergilben.

Einfache Sanierbarkeit anstreben

All diese Sanierungsmethoden haben den gleichen Zweck: Sie geben dem Holz ein natürliches Erscheinungsbild, schützen es und werden sich in Zukunft sehr einfach und sicher restaurieren lassen. Geölte Oberflächen lassen sich nachölen, geseiftes Holz wieder mit Lauge behandeln. «Das ist bei konventionellen Polymerprodukten kaum der Fall», sagt Borer. Sie versteht darum kaum, dass wertvolle Möbel, Innenausbauten oder auch Fenster noch immer mit den Kunstharzprodukten behandelt werden.

Aufgrund der fehlenden Sanierbarkeit enden heute viele schöne Arbeiten viel zu früh in der Kehrichtverbrennungsanlage. Nicht verwenden würde Borer Holzdispersionen, Acryle und Kunstharze wie DD-Lack, Polyurethane und Zweikomponentenlacke. Als positiv einzustufende Behandlungsmethoden nennt Borer das Ölen und Seifen, aber auch das Behandeln mit Farben auf Basis von Naturharzen. «Diese Produkte haben in den letzten Jahren einen grossen Wandel erfahren. Durch das zusätzliche Verkochen sind sie heute den Kunstharzen fast ebenbürtig», ist Borer überzeugt. Auch das Trocknungsverhalten sei besser geworden. Doch die Verarbeitung solcher Produkte erfordert mehr Fachwissen. Dieses Wissen um die Kombination und Wirkung der einzelnen Komponenten zueinander sei kaum mehr vorhanden.

Pompejanischrot und Goldocker

Versteht man aber die Mechanismen der verschiedenen Stoffe, lassen sich daraus wunderschöne Oberflächen zaubern. Die grossen Aussentüren an der Heiliggeistkirche wurden früher nicht unsachgemäss saniert und sollen nach der aktuellen Auffrischung wieder neu erstrahlen. Momentan ist auf der Holzoberfläche noch der originale, pigmentierte Glanzlack vorhanden. Die Reinigung der Türen erfolgt sanft mit einer Mischung aus Wasser und Schmierseife. «Das mindert die Oberflächenspannung und laugt das Bestehende leicht an», erklärt Borer. Auf die vorbereitete Fläche kommt ein Gemisch aus Leinölfirnis, Terpentinbalsam und Glanzöllack. Eingefärbt ist das Ganze mit pompejanischroten Erdpigmenten aus der Toskana, zusammen mit italienischem Goldocker und Umbra braun.

Bald werden die Türen wieder glänzen und werden es wohl auch in hundert Jahren noch, sofern auch zukünftige Sanierungen wieder mit der gleichen, verantwortungsvollen Methode durchgeführt werden.

Kurz vor der Bauhauszeit

Die Heiliggeistkirche mit Pfarrhaus und Taufkapelle im Basler Stadtteil Gundeldingen wurde in den Jahren 1910 bis 1912 vom Basler Kirchenbauarchitekt Gustav Doppler erbaut. In der langen Planungsphase war man sich nicht immer einig, so dass die Pläne vom Freiburger Dombaumeister Max Meckel überarbeitet wurden. Das Gotteshaus ist im neugotischen Stil gebaut. Die Bautechniken entsprachen der damaligen Zeit vor der Bauhausepoche. Die Decken mit der Sternornamentik ist betoniert, wie auch der grosse Rest des Baukörpers. Nach aussen wurden die Gebäude im Stile von historischen Bauwerken gestaltet, die Natursteinfassade aus Vogesensandstein ist aber nur vorgeblendet. Die Kirche wurde von Malermeister Franz Schilling aus Freiburg im Breisgau bemalt. In den 60er- und 70er-Jahren erfolgten punktuelle Renovationen, unter anderem wurden die Türen neu gestrichen und die Taufkapelle neu ausgestaltet.

www.heiliggeist.ch

Die «Farbflüsterin»

Luzia Borer aus Basel hat eine Malerlehre absolviert und einige Jahre als Angestellte gemalt. In dieser Zeit hat sie, wie fast alle Maler, vor allem synthetische Farbe gestrichen und sich im Tramp «immer schneller und günstiger» in der Branche bewegt. Dabei fand sie kaum Befriedigung und hat sich der Schauspielerei zugewandt. Saisonal hat sie aber weiterhin gemalt. Als sie bei sich zu Hause eine Wand mit einer speziellen Technik lasieren wollte, gelangte sie mit ihrem Wissen an ihre Grenzen. Sie holte sich Rat bei einem Experten für traditionelle Farben. Diese für sie neue und unbekannte Welt hat sie sofort fasziniert, sie hat dieses Erlebnis zum Anlass genommen, sich dem Malerberuf wieder zuzuwenden, diesmal aber als «richtige» Malerin und nicht mehr nur als blosse Beschichterin. Nach einigen Jahren hat sie sich selbständig gemacht und betreibt nun ein Atelier. Dazu hat Borer auch den Pilotlehrgang «Handwerkerin in der Denkmalpflege» absolviert. Sie hat sich mittlerweile ein enormes Fachwissen um traditionelle Materialien und Techniken angeeignet. Auf das Streichen von Kunstharzen verzichtet sie gänzlich. Stattdessen setzt sie auf Materialien wie Leimbindemittel, Erdpigmente, Naturharze, Öle sowie Seifen und wendet traditionelle Beschichtungs- und Konservierungsmethoden an. Ihre Erfahrung setzt Borer aber nicht nur zur Sanierung historischer Bauten ein, sie behandelt auch neue Räume, Möbel und Gegenstände nach traditionellen Methoden. Für grössere Aufträge schliesst sie sich mit anderen Malern zu Arbeitsgemeinschaften zusammen.

www.oelundkalk.ch

wi

Veröffentlichung: 25. Oktober 2012 / Ausgabe 43/2012

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