Schleifen und polieren, statt tauschen

Mithilfe von speziell entwickelten Maschinen, Schleif- und Poliermitteln werden Kratzer und Verätzungen entfernt. Bilder: Vetrox GmbH

Glasschäden.  Der Austausch von beschädigten Glaselementen kann grosse Kosten verursachen, insbesondere bei modernen, grossflächigen Mehrfachverglasungen. Mittels speziellen Verfahrens lassen sich aber bestimmte Schäden kostengünstig und in kurzer Zeit beseitigen.

Beschädigte Oberflächen sind ärgerlich, insbesondere wenn sie sich ausgerechnet im Blickfeld des Bauherren befinden. Um so mehr stören Kratzer, wenn das Bauteil möglichst transparent und unsichtbar sein soll, wie zum Beispiel die Glasfläche einer grosszügigen Hebeschiebetür oder eines Schaufensters.

Mit solchen Fällen hat Dominic Dür von der Vertrox GmbH täglich zu tun. Das Unternehmen hat sich auf das Entfernen von Beschädigungen auf Glasoberflächen spezialisiert. «Vor allem auf Grossbaustellen finden sich fast immer beschädigte Glasflächen», erzählt Dür. Aber auch nach der Bauphase kommt es oft zu Zwischenfällen. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Spitze Gegenstände, Funkenflug bei Metallbearbeitungen, Gips- und Zementspritzer, unsachgemässe Reinigung oder Vandalismus führen zu kaum übersehbaren Kratzern. «Verheerend sind Fälle, die auf falsche Reinigungsmethoden zurückzuführen sind», sagt Dür, dies nicht etwa, weil die Kratzer speziell tief sind, sondern weil dann gleich zig Scheiben davon betroffen sind. «Dann müssen wir uns meistens dutzenden oder hunderten Gläsern annehmen», fügt Dominic Dür an.

Geführt poliert

An dieser Stelle kommt ein System zum Einsatz, das dem Schreiner nicht unbekannt ist: Mithilfe von Schleif- und Poliermaschinen können die Experten Kratzer und Verätzungen entfernen. Allerdings gestaltet sich der Vorgang auf Glas wesentlich diffiziler als beispielsweise bei Mineralwerkstoffen. Je nach Beschädigung werden die Kratzer mit Körnungen von 400 bis 1200 herausgeschliffen, bis am Schluss mit einer Polierpaste der Finish gemacht wird. Um ein möglichst gleichmässiges Ergebnis zu erzielen, wird die Maschine mittels Schienen zwangsgeführt. «Freihändig ist die Gefahr schlicht zu gross, einen Linseneffekt zu produzieren», erklärt Dür. Deshalb erfolgt die Bearbeitung auf einer verhältnismässig grossen Fläche.

Wenn der Schaden zu tief ist

Das Verfahren hat allerdings seine Grenzen: Randnahe Bereiche bis etwa 50 mm vom Rahmen entfernt gelten als sehr heikel. Klassische Schäden in dem Bereich sind zum Beispiel Kratzer, die durch Schleifarbeiten am Fensterrahmen verursacht werden. «Die Gefahr, dass es dort zu Spannungsrissen kommt, ist sehr gross, durch das Schleifen und Polieren können Temperaturen von etwa 50 bis 60 °C entstehen. Ausserdem ist die Kantenbeschaffenheit nicht ersichtlich und man kann nie genau sagen, ob es beim Einglasen schon zu Spannungen gekommen ist», begründet Dominic Dür. Die Wärmeentwicklung beim Bearbeiten gilt es auch bei Brandschutzgläsern mit aufschäumenden Funktionsschichten im Blick zu haben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie an dieser Stelle aufschäumen.

Ebenfalls schwierig wird die Reparatur, wenn der Schaden ein oder gleich mehrere Millimeter tief ist. «Abhängig von der Situation und der Glasdicke lassen sich solche Kratzer häufig nur noch verringern, aber nicht vollständig entfernen», sagt Dür. So sieht das auch Glasbauexperte Markus Läubli vom Schweizerischen Institut für Glas am Bau (Sigab): «In solchen Fällen empfehlen wir auch aus Sicherheitsgründen den Austausch des Glases.»

Verschiedene Ansichten

Ähnlich verhält es sich auch mit Rissen oder groben Absplitterungen. «Muscheln lassen sich kaum noch herausschleifen, weil der Schaden meist zu tief ist», bestätigt Dominic Dür. Zwar kann man solche Schäden teilweise mit speziellen Harzen wieder auffüllen, wie man es zum Beispiel von Windschutzscheiben bei Fahrzeugen kennt. Trotzdem empfiehlt Dür seinen Kunden in solchen Fällen einen Ersatz des Glases, zum einen aus statischen, zum anderen aus optischen Aspekten: «Das Harz kann mit der Zeit vergilben.» Aber dieses Verfahren habe durchaus seine Berechtigung, etwa dann, wenn die Stabilität des Glases durch den Schaden nicht beeinträchtigt wird und es lediglich darum gehe, dass sich keine Personen an dieser Stelle schneiden und verletzen.

Ein weiteres, heikles Thema stellt die Beseitigung von Schäden bei ESG dar. «Streng nach Norm ist das nachträgliche Bearbeiten von thermisch vorgespanntem Glas nicht zulässig», sagt Markus Läubli. Vetrox hat sein Verfahren allerdings auch schon bei ESG erfolgreich angewandt. Man ist sich aber bewusst, dass sich in dieser Frage nicht alle Experten einig sind. «Wir wenden es nur dort an, wo es Sinn macht und durch das Schleifen die in den Normen festgehaltenen Dickentoleranzen für ESG eingehalten werden», sagt Dominic Dür.

Ersetzen oder nicht?

Die Verhältnismässigkeit stellt gemäss den Erfahrungen von Markus Läubli ohnehin einen wichtigen Aspekt bei der Reparatur von Glasschäden dar: «Bei Glasaufbauten mit Floatglas rechnet sich ein Auspolieren des Schadens oft nicht.» Allerdings lohnt sich das Schleifen und Polieren bei modernen und grossflächigen Mehrfachverglasungen oder komplexen Konstruktionen sehr oft. Abgesehen vom Ersatzglas verursacht der eigentliche Austausch sehr hohe Kosten, denn häufig sind mehrere Fachleute, Hebeeinrichtungen oder Kräne dafür nötig. Zudem ist die Raumnutzung während des Tausches stark eingeschränkt, «ein wesentlicher Aspekt, beispielsweise bei Schaufensterverglasungen», ergänzt Dür.

Mittlerweile ist es mittels spezieller Führungen für die Schleif- und Poliermaschinen auch möglich, geschwungene Gläser zu bearbeiten. Und ein Roboter ist in Entwicklung, um das Verfahren noch effizienter und kostengünstiger zu machen.

www.vetrox.chwww.sigab.ch

ph

Veröffentlichung: 12. Juni 2014 / Ausgabe 24/2014

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