Sanfte Fünfgänger sind ihr Leben
Die Schreinerin Martina Bächtold (49) hält auf ihrem Islandpferdehofganze 47 sanftmütige Isländer. Bild: Beatrix Bächtold
Die Schreinerin Martina Bächtold (49) hält auf ihrem Islandpferdehofganze 47 sanftmütige Isländer. Bild: Beatrix Bächtold
Leute. Betritt Martina Bächtold den Stall, so blicken ihr aus allen Ecken strahlende Pferdeaugen entgegen.
Die Tiere mögen sie extrem. Das erkennt man sofort. 45 Islandpferde und zwei Fohlen leben auf ihrem Islandpferdehof «Klettgaublick». Das mag jetzt vielleicht ein bisschen kitschig klingen, aber die Zuneigung der Tiere füllt den ganzen Stall bis hinauf zu den höchsten Balken. Martina Bächtold und die Islandpferde – das ist eine spezielle Liebesgeschichte. Angefangen hat alles vor bald 30 Jahren. Damals ging die heute 49-Jährige nach der Schreinerlehre nach Island. Weiter hätte sie gar nicht gehen können, die nächste Station wäre wohl der Mond gewesen. Island, die Insel der Geysire, Vulkane und Elfen, war damals ein verlassenes Stück Land mitten im Nordwestatlantik. Dünnst besiedelt und rau. Bächtold konnte zupacken und mit Holz und Pferden umgehen. Und so war die praktisch veranlagte Frau auf einem Hof mit 300 Schafen und 50 Pferden sehr willkommen. Sie hauchte alten Möbeln neues Leben ein und reparierte Schafgatter. «Für den Stallbau auf Island klopfte ich unzählige Nägel gerade», berichtet sie. Und das Schönste: Sie durfte reiten. Grenzenlos. Frei. «Visa» kam mit. «Visa» war keine Kreditkarte, sondern ein Islandpferd. Sanftmütig, klug. Es lebt noch heute, inzwischen 32-jährig, auf ihrem Hof. «Unsere Oma. Sieben Fohlen hat sie uns geschenkt», berichtet Bächtold.
«Mit tatkräftiger Unterstützung meiner Familie wurde hier im Stall viel Holz verschoben, verbaut und angepasst.»
Der Hof in Osterfingen SH ist weit herum bekannt. Schliesslich nennt sich die Gegend mit den drei Dörfern Wilchingen, Osterfingen und Trasadingen «Genussregion» mit Rebbergen, traumhaften Sonnenuntergängen sowie kulinarischen und kulturellen Freuden. Ein Teil davon ist Bächtolds Pferdehof, mit Pferdepension und eigenem Zuchtbetrieb. Im Frühling und im Herbst finden Turniere statt. Dann kommen Menschen aus der ganzen Schweiz zum Reiten oder Pferdeluft schnuppern. Sie macht selbst gerne mit. «Das Turnierreiten ist meine Leidenschaft», sagt sie. Die Tiere leben in kleinen Herden, die sie mit Fingerspitzengefühl zusammenstellt. Das Reiten auf den Isländern, die etwas kleiner sind als ihre Artgenossen, ist beliebt bei Kindern, Schwangeren, Bandscheiben-Geplagten und Anfängerinnen. Während Pferde üblicherweise die Gangarten Schritt, Trab und Galopp kennen, verfügen die sanften Isländer über zwei zusätzliche Gangarten: den Pass und den Tölt, woraus ein schwebendes Da- hingleiten resultiert. Gelegentlich bringt der Hof auch Schweizermeister hervor. So wie kürzlich Finja Busslinger, eine ihrer Nichten. Im Pferdehof, so wie er sich heute präsentiert, steckt eine Menge Arbeit. Der ehemalige Bauernhof musste pferdegerecht umgebaut werden. «Mit tatkräftiger Unterstützung meiner Familie wurde hier im Stall viel Holz verschoben, verbaut und angepasst.»
Neueste Errungenschaft ist eine Solekammer. Vater Ueli, selbst Schreiner, und Tochter Martina haben sie aus heimischem Fichtenholz gebaut. Die Solekammer schaut ungefähr wie eine Sauna aus und ist im Prinzip ein Inhalationsraum, in welchem gleichzeitig zwei Pferde Platz finden. Ob Entzündungen der Atemwege, Irritationen der Haut oder einfach nur als Wellness – so eine Solekammer bringe es voll. Bächtold macht nie Ferien, und nächtliche Stallkontrollen gehören zu ihrem Leben. 47 Pferde, drei Hunde, zwei Katzen. Das ist mehr als ein Hobby. Sie lebt das, was sie liebt und sagt: «Für mich stimmt das. Ich habe mir das so ausgesucht. Ich wollte das so.»
Veröffentlichung: 28. Oktober 2024 / Ausgabe 43/2024
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