Sägerei. Rolf Rüdisühli übernahm Mitte 2006 ein Sägewerk in Martina im Kanton Graubünden. Als Erstes benannte er es in Engiadinalaina SA um und plant nun den weiteren Ausbau. Ein Bericht über Vor- und Nachteile eines ungewöhnlichen Standorts.
Fährt man von Scuol das sich stetig verengende Inntal hinunter, erreicht man nach etwa siebzehn Kilometern den rund 100 Einwohner zählenden Grenzort Martina (Martinsbruck). Martina ist eine Fraktion der Gemeinde Tschlin und liegt auf 1034 Metern über Meer. Jenseits des Inns befindet sich bereits österreichisches Staatsgebiet. Man passiert den Schweizer Grenzübergang und fährt mitten durch das Areal eines stattlichen Sägewerks namens «Engiadinalaina SA».
Die Engadinerstrasse ist im Unterengadin nicht besonders gut ausgebaut, die nächste Bahnstation befindet sich in Scuol und die nächste Möglichkeit zur Alpenquerung in der Schweiz ist der Flüelapass respektive der Vereina-Tunnel. In Tirol sind die Verhältnisse besser: Nach dem österreichischen Grenzübergang weitet sich das Tal, und die Reschenstrasse ist gut ausgebaut. In Landeck hat man Anschluss an die Autobahn in Richtung Bregenz oder Innsbruck. Zwangsläufig stellt man sich die Frage, wie ein Sägewerk an einem derart schwierig erscheinenden Standort wirtschaftet.
Von Österreichern gegründet
Das Sägewerk wurde im Jahre 1918 von zwei Österreichern gegründet. Im Gegensatz zu Mayr-Melnhof Swiss Timber (MMST) ist es jedoch auch nach mehr als 90 Jahren noch in Betrieb. Einer der Begründer war der weltberühmte Luis Trenker. Er stammte aus dem Grödnertal im Südtirol, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zum Kaiserreich Österreich gehörte. So war er nicht nur ein begnadeter Bergsteiger und Regisseur von zahlreichen Bergfilmklassikern, sondern auch zehn Jahre lang Mitinhaber der Sägerei in Martina. Trenker erwarb im Jahre 1918 runde 10 000 m3 ungehauenes Holz von der Gemeinde Tschlin. Zu den Verkaufsbedingungen gehörte die Verarbeitung des Holzes auf Gemeindeboden. Der Bau einer Sägerei drängte sich geradezu auf. Die Gemeinde stellte zu diesem Zweck Boden ausserhalb von Martina zur Verfügung. Es wurde die Gesellschaft Kröss & Trenker gegründet. 1923 wurde Josef Pattis, ebenfalls aus dem Grödnertal stammend, zum Geschäftsführer der Firma ernannt; elf Jahre später übernahm er dann das ganze Unternehmen. Das Sägewerk blieb bis Mitte 2006 in Besitz der Familie Pattis.
Erneuerung notwendig
Da keines der vier Kinder von Albert Pattis den Betrieb weiterführen wollte, stand er zum Verkauf. Rolf Rüdisühli, ein thurgauischer Geschäftsmann, übernahm das Werk im Juli 2006. «Mir ist diese Sägerei bereits in jungen Jahren bei einem Motorradausflug aufgefallen, weil man mitten durch den Betrieb fährt.» Als sie dann zum Verkauf ausgeschrieben war, habe er sich dafür interessiert und die Sägerei schliesslich gekauft. Er betreibt in Siegershausen TG auch ein Palettenwerk. Synergien zwischen den beiden Werken gebe es bisher noch relativ wenige, erzählt Lucia Staub, Zuständige für Administration und Verkauf. Nur ein kleiner Teil des Holzes aus Martina werde zur Herstellung von Spezialpaletten verwendet. Nun plant Rolf Rüdisühli schrittweise den Ausbau und die Erneuerung der Engiadinalaina SA.
Anfang 2010 nahm er eine neu erstellte Lagerhalle für Fertigwaren in Betrieb. «Eine grosse Lagerhaltung ist mir wichtig, damit wir auch prompt liefern können.» Platz habe er auf dem Areal genug. Des Weiteren ist die Errichtung einer neuen Produktionshalle zur Optimierung der Weiterverarbeitung im Gange. Darin sollen Tauschrahmen für Paletten gefertigt werden. Auch eine neue Hobelanlage soll dort ihren Platz erhalten. Die aktuelle Hobelanlage und auch das Vollgatter seien bestimmt mehr als dreissig Jahre alt, meint er. Die Herstellerfirmen existierten jedenfalls nicht mehr. Die Maschinen liefen zwar noch, dennoch häuften sich die Reparaturen und der Service sei an diesem Standort teuer. Er erwäge, das Bochud-Vollgatter durch eine Bandsäge zu ersetzen. Damit liessen sich die unterschiedlichen Holzqualitäten besser trennen als mit dem Gatter.
Mit Lärche und Arve in der Nische
Das Werk bezieht sein Rundholz aus der Region, in einem Umkreis von 30 bis 40 Kilometer und somit auch aus Österreich. Es hat sich auf die Verarbeitung von Lärchen- und Arvenholz spezialisiert. Versorgungsprobleme gibt es keine. Der Jahreseinschnitt beträgt bis zu 7000 Festmeter, wovon 3000 Festmeter auf Lärche und 1500 auf Arve entfallen. Auch Fichte, Tanne und Föhre werden eingeschnitten. Rolf Rüdisühli bezeichnet die Holzveredelung jedoch als eigentliche Spezialität der Engiadinalaina SA. Mit der Schnittholzproduktion alleine gehe es nicht, das habe man bei MMST ja gesehen. So entfallen zirka 50% der geschäftlichen Aktivitäten auf die Schnittholzproduktion, die restlichen 50% auf die Weiterverarbeitung des Schnittholzes. Das Werk produziert neben dem Hauptsortiment Konstruktionsholz für Zimmermannsarbeiten auch Hobelwaren mit verschiedenen Profilen für den Innenausbau auf der Hobel- und Profilierungsanlage. Des Weiteren sind verschiedene Latten und Bretter, Fenster- und Rahmenholz, Zaunwaren und Schalungsmaterial im Angebot. Das Unternehmen nimmt zudem auch Aufträge für Holztrocknung an. Die Trockenkammer wird mit der vor drei Jahren angeschafften, werkseigenen Holzschnitzelheizung beheizt. Diese versorgt gleichzeitig auch die angrenzenden Häuser mit Wärme.
Betriebsruhe im Winter
Die Fertigwaren werden in die ganze Schweiz sowie nach Tirol geliefert. «Die Nachfrage für Lärche und auch Arve ist überall gut», sagt Rolf Rüdisühli. Die Holzabfuhr, sofern die Produkte nicht in der Region verbleiben, erfolgt mit dem Lastwagen über den Arlberg. Konkurrenz erwächst dem Werk aus dem Engadin nur wenig. Es gibt zwar einzelne mobile Säger in der Region, das nächstgelegene Sägewerk ist das eher kleine Gemeindesägewerk in S-chanf. Das lässt sich bestimmt als Standortvorteil betrachten. Ein weiterer Vorteil sei, so Rüdisühli, dass das Werk – obwohl fast am Ende der Welt gelegen – sich dennoch dort befinde, wo das Holz anfalle und auch ein Bedarf dafür vorhanden sei. In der Region werde vergleichsweise viel mit Holz gebaut. Jedoch seien die Holzpreise wegen der Nähe zu Italien relativ hoch. «Für Fichte ist dies der teuerste Standort in der ganzen Schweiz», sagt Rolf Rüdisühli. «Man bezahlt dafür rund zehn Franken mehr als im Mittelland.» Deshalb verarbeite die Sägerei auch nur wenig davon. Bei Lärche und Arve sei die Konkurrenz weitaus kleiner.
Zum Zeitpunkt der Werksbesichtigung war Betriebsruhe. Jeden Winter schliesst die Sägerei für mindestens zwei Monate bis Anfang März. Die sieben aus Südtirol stammenden Arbeiter bleiben während dieser Zeit zu Hause. «Das ist schon zu Luis Trenkers Zeiten so gewesen», erzählt Rolf Rüdisühli. Die tiefen Temperaturen schaden den Maschinen. Ausserdem sind die Stämme gefroren, was ihr Handling schwierig und gefährlich macht.
Das Problem mit dem Euro
Die Holzmarktkommission teilte Ende Januar mit, die Abwertung des Euro belaste die Branche in drei Punkten: Die Schnittholzexporte seien zu teuer, die Schnittholzimporte jedoch massiv billiger geworden. Die Weiterverarbeiter verwendeten immer mehr importierte Schnitthölzer und Halbfabrikate. Die Holzindustrie hingegen beschaffe das Rundholz hauptsächlich im Inland, sie könne nicht einfach auf billigere Rohstoffimporte ausweichen. Die gesamte Branche sei deshalb mit Margenerosion aus Währungsgründen konfrontiert.
Sind das nicht genau diese Gründe, die MMST im vergangenen November unter anderem für seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten verantwortlich machte? Rolf Rüdisühli ist der Meinung, dass die meisten Schweizer Sägewerke in irgendeiner Form mit dem Europroblem zu kämpfen hätten. Und mit hohen Rundholzpreisen sei er an seinem Standort ebenfalls konfrontiert. Die Absicht des Kantons Graubünden, MMST finanziell zu unterstützen, habe ihn jedenfalls getroffen, obwohl das Werk für ihn keine direkte Konkurrenz gewesen sei. rw
Veröffentlichung: 10. Februar 2011 / Ausgabe 6/2011
Artikel zum Thema

Ein Böögg für das eigene Sechseläuten
Wer Zuhause einen Böögg wie die Zürcherinnen und Zürcher verbrennen möchte, um den Winter zu vertreiben, kann sich eine kleine Version der Stiftung RgZ bestellen.
mehr
Die Bewerbungsphase für den Innovationspreis ist gestartet
Auch in diesem Jahr haben die Aussteller der Messe Holz wieder die Chance auf den «Innovationspreis Holz». Ausgezeichnet werden Projekte, die eine technologie-, verfahrens- oder produktorientierte Innovation zum Thema Holz bieten.
mehr
Die IPA-Projekte der Schreiner48 Academy von 2022
PaidPost. Jedes Jahr steht bei den Schreiner-Lernenden die IPA an: die praktische Arbeit, die innert vorgegebener Zeit hergestellt wird. Hier die diesjährigen Projekte.
mehr