Nullfuge. Die Laser- und Plasmatechnologie scheint die Technik der Stunde zu sein. Nüchtern betrachtet zeigt sich aber, dass die Maschinen nur beschränkt für den handwerklichen Schreiner geeignet sind. Trotzdem wird die Technik ihren Platz finden.
Wer sich heute mit dem Gedanken trägt, einen Kantenleimer zu beschaffen, hat es nicht leicht. Es gibt viele gute Maschinen und was die Förderketten am Ende der Maschinen an Werkstücken hergeben, sieht bei Maschinen aus derselben Qualitätsgruppe trotz unterschiedlicher Systeme fast identisch aus. Die Differenzen sind dabei eher bei den Details zu suchen. Unter Fachleuten ist man sich mittlerweile einig, was in einen guten Kantenleimer gehört: Grundsätzlich sollen alle Bearbeitungen an der Kante, vom Fügen der Werkstücke bis zum Reinigen der Klebstoffreste, innerhalb der Abdeckhauben erfolgen und nicht nachfolgend an der Werkbank.
Bestechend einfach?
In einer Frage sind sich aber nicht alle einig. Alles spricht momentan vom Laser- oder Plasmakleben von Kanten. Die Technik scheint bestechend einfach: Ein Laserstrahl oder Plasmadüsen erweichen die Rückseite der Kante soweit, dass sie, angepresst an das Werkstück, eine feste Verbindung mit dem Trägermaterial eingeht. Voraussetzung, um diese Technik anzuwenden, ist neben dem entsprechenden Schmelzaggregat die Verwendung der richtigen Kante. Sie wird aus zwei unterschiedlichen Materialien hergestellt, wobei die Rückseite so eingestellt ist, dass sie durch die Energiezufuhr für kurze Zeit zähflüssig wird. Solche Kanten kann man weitgehend fugenlos ankleben, denn der eigentliche Klebstoff fehlt. Damit entfällt jeglicher Klebstoffwechsel an der Maschine.
Einschränkungen beim Kantenangebot
Was oberflächlich betrachtet genial erscheint, hat aber auch Nachteile. So bleibt die Kantenauswahl nach wie vor unvollständig. Es sind zwar Produkte zu sehr vielen Dekors erhältlich, nicht immer aber in der gewünschten Breite und Dicke. Zusätzlich bestehen Einschränkungen bei den Rollenlängen.
Unter 50 Meter Länge und einer Woche Lieferzeit ist bei echten Laserkanten nichts zu bestellen. Zum Vergleich: Konventionelle ABS-Kanten sind zum Beispiel bei C+R Möbelkanten bereits ab 10 m Länge bestellbar, wer mehr braucht, kann in Fünfmeterschritten steigern.
Die laserfähigen Kanten sind pro Laufmeter zudem etwa zehn Rappen teurer, was sich aber durch den nicht benötigten Klebstoff praktisch wieder ausgleicht.
Hohe Investitionen als Bremse
Als grosser Nachteil der neuen Technik haben sich aber die hohen Investitionskosten herauskristallisiert. So kostet das Laseraggregat auf einer Industriemaschine von Homag rund 190 000 Euro mehr als ein Stan-
dardleimsystem mit Klebstoff. Zusammen mit der Grundmaschine und weiteren Optionen, wie Mehrfachleimaggregate für verschiedene Schmelzklebstoffe, kommen so sehr schnell Investitionskosten von 200 000 bis 300 000 Franken auf den Schreiner zu. Zum Vergleich: Eine vollausgerüstete, hoch-
wertige Anlage in konventioneller Technik ist bereits ab etwa 60 000 Franken zu erwerben, und dies, ohne dass man beim fertigen Produkt grosse Unterschiede feststellen könnte.
Auslastung kritisch prüfen
Ob man bei einer Neuanschaffung die hohen Investitionskosten betriebswirtschaftlich rekapitalisieren, oder nur über das Konto Marketing aktivieren will, ist jedem Unternehmen selbst überlassen. Es lohnt sich aber, den Betriebsstundenzähler des bestehenden Kantenleimers zu konsultieren und die Kosten pro Laufmeter Kante zu errechnen. Üblicherweise laufen in handwerklichen Betrieben die Kantenleimer nur etwa acht bis fünfzehn Stunden pro Woche. Bei einem Leerlaufbetrieb von rund 70 Prozent und einer durchschnittlichen Durchlaufgeschwindigkeit von zwölf Metern pro Minute resultiert daraus eine Kantensumme von nur rund 50 000 Metern pro Jahr. Bei einer Amortisationsdauer von zehn
Jahren ergibt dies Kosten von mindestens 40 Rappen pro Laufmeter Kante allein für das Lasern.
Mehr als nur Marketing?
Dass sich für handwerklich ausgerichtete Schreiner das Laserbekanten kaum rechnet, ist unter Fachleuten unbestritten. Die Frage ist nur, ab wann es sich denn rechnet respektive welche Faktoren spielen auch noch eine Rolle?
Immer wieder ins Feld gebracht wird der Faktor Marketing. Begriffe wie «Nullfuge», «Fugenlos» oder «aus einem Guss» kommen bei Architekten und Bauträgern gut an. Bereits gibt es Planer, die ganz bewusst diese Kantentechnik ausschreiben. Als Grund nennen sie neben der fugenlosen Optik auch die besseren Werte bezüglich Hitze- und Feuchtebeständigkeit. Unter Fachleuten wird aber gerade die höhere Feuchtebeständigkeit in Frage gestellt. Offensichtlich spielt die Klebstoff- und Applikationsart nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig sei nur die Bearbeitungsqualität nach dem Aufbringen der Kante. Wer beim Bündigmachen zu tief fräst, öffnet den Kantenverschluss, ganz egal, ob die Kante mit Laser oder EVA aufgebracht ist. Industriell ausgerichtete Betriebe die bereits Laser- oder Plasmatechnik angeschafft haben, werben offensiv mit der höheren Kantenqualität. Sie wollen sich bewusst von der grossen Masse abheben.
Die Grossen im Vorteil
Für diese Betriebe dürfte sich die Lasertechnologie auch wirtschaftlich rechnen. Sie verarbeiten grosse Mengen und haben entsprechende Anlagen. Diese sind normalerweise mit Mehrfachkantenmagazinen ausgerüstet, was den schnellen Kantenwechsel erleichtert. Damit ist es möglich, praktisch unterbruchsfrei Materialfarben zu wechseln. Die Auslastung der Maschinen ist zudem auf die Produktionskapazität des ganzen Betriebes ausgerichtet. Die Stillstandszeiten beschränken sich auf ein Minimum.Zusätzlich spielt die Sortimentsgestaltung eine Rolle. Noch ist das Angebot bei den Laserkanten eingeschränkt. Es sind zwar so gut wie für alle gängigen Dekors Kanten erhältlich, die bereits angesprochenen Mindestmengen und Liefertermine schränken aber ein. Grosse Küchen- und Möbelhersteller haben sich darum ein Dekorsortiment aufgebaut, zu dem Kanten innert nützlicher Frist erhältlich sind. Dabei spielen auch
die seitens der Zulieferer vorgegebenen Mindestbestellmengen nur eine untergeordnete Rolle.
Auslastung über Lohnaufträge?
Wer sich im handwerklichen Bereich einen Laser- oder Plasma-Kantenleimer anschafft, wird dies also kaum nur aus betriebswirtschaftlichen Gründen tun. Einige werden sich wohl eine Maschine leisten und die fehlende Auslastungslücke über Lohnaufträge zu füllen versuchen. Ob man damit aber kostendeckend wirtschaften kann, ist fraglich. In wie weit Kapazitäten aufgebaut werden können, wird der Markt weisen. Die Vergangenheit hat aber immer wieder gezeigt, dass Schweizer Unternehmer nicht immer nur nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden. In kaum einem anderen Land stehen so viele ungenügend ausgelastete Anlagen wie in der Schweiz. Das wird auch bei den Laseranlagen nicht anders sein. wi
Laser, Plasma & Co
Wie geht das?
Anstelle eines Klebstoffes wird die -Kantenrückseite mittels einer starken Energiequelle zähflüssig gemacht und sofort mit dem Trägermaterial verpresst. Die weiche Masse wird dabei in die Hohlräume des Werkstückes ein-gepresst, wodurch eine gute Verankerung entsteht. Wie hoch dabei die Verklebungstemperatur ist, will niemand so genau sagen. Die Kanten sind aber deutlich hitzeresistenter als Leim-fugen mit EVA- oder PU-Schmelzkleber. Als gute Energiequellen haben sich die beiden Lasertechniken mit dem CO2- und dem Diodenlaser sowie der Plasma-strahl mit ionisierender Luft heraus-gestellt. Mittlerweile sollen auch alle Patentstreitereien beigelegt sein, -
somit können alle Hersteller uneingeschränkt weiterentwickeln.
Was spricht dafür?
Das Bekanten mit Lasertechnik ist vor allem bei industriellen Produktion in Stückzahl eins interessant. Leimwechsel sind keine erforderlich, was die Abfolge von unterschiedlichen Kantenfarben erleichtert. Zusätzlich muss man weder über erhöhte Anforderungen betreffend Wärmebeständigkeit noch über die Feuchtebeständigkeit diskutieren.
Und was dagegen?
Gewichtigster Nachteil sind wohl die hohen Investitionskosten. Eine Laser-einheit kostet nach wie vor 150 000 bis 200 000 Franken. Dieser Mehrpreis allein kann schnell höher als eine ganze Maschine in konventioneller Technik sein. Das Applizieren selber ist nur unwesentlich teurer als EVA- oder PUR-Verklebungen oder bei industrieller Anwendung sogar leicht günstiger.
Veröffentlichung: 03. November 2011 / Ausgabe 44/2011
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