Pioniere sind gefragt


Bild: Regina Weber
Bild: Regina Weber
Holzvergasung. Im nahen Ausland laufen Holzvergaseranlagen im kleinsten Leistungsbereich bereits seit einigen Jahren im Dauerbetrieb. Auch in der Schweiz wächst das Interesse an Holzvergaser-Blockheizkraftwerken.
Während des letzten Weltkriegs – die fossilen Brennstoffe waren knapp und die Umweltbelastung noch kein grosses Thema – fanden Holzvergaser vor allem für den Antrieb von Fahrzeugen Verwendung. Eine heutige Holzvergasungsanlage muss jedoch den hohen Anforderungen bezüglich der Belastung von Luft, Boden und Wasser genügen, gleichzeitig aber ebenso bedienerfreundlich sein.
Auf Basis der von früher bekannten Techniken wurde die Vergasungstechnologie für Biomasse in den vergangenen 30 Jahren stetig weiterentwickelt. Allerdings wandelte sich die Motivation dahinter: Stand zuerst die Erzeugung von Hochtemperaturwärme im Vordergrund, so waren es später die Stromerzeugung und Wärmekraftkopplung. Seit zehn Jahren wird das Herstellen von flüssigen und gasförmigen Biotreibstoffen über die Vergasung intensiver untersucht und entwickelt.
In der Schweiz standen im vergangenen Jahrzehnt einige Holzvergaseranlagen zur Produktion von Strom und Wärme im Einsatz – viele sind aber genauso wieder verschwunden. So wurde beispielsweise 2001 im Sägewerk Despond AG in Bulle eine Pilotanlage mit 60 kW elektrischer (kWel) und 125 kW thermischer (kWth) Leistung installiert, nach dem Konkurs des Schweizer Herstellers Xylowatt 2006 jedoch stillgelegt. Auch die Woodpower AG in Wila stellte nach fünf Jahren ihre Stromproduktion mittels Holzvergasung 2011 ein: Ein wirtschaftlicher Betrieb war an diesem Standort nicht möglich, da sich die anfallende Wärme nicht voll nutzen liess. Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, welche an diesem Projekt beteiligt waren, geben der Holzvergasung trotzdem gute Chancen. Mit der weiterentwickelten Technologie planen sie gegenwärtig die Inbetriebnahme einer Anlage mit zwei Holzvergaser-Blockheizkraftwerken (BHKW) bei der Empa in Dübendorf. Diese soll im Endausbau eine elektrische Leistung von insgesamt 700 kWel und 1200 kWth aufweisen.
Ebenso hat die AEW Energie AG Holzvergaser-BHKW verschiedene Hersteller im elektrischen Leistungsbereich von 40 bis 322 kWel respektive 110 bis 660 kWth hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit untersucht. Gemäss Louis Lutz, Leiter Erneuer-bare Energie, lassen die aktuellen Marktpreise für Strom und Wärme noch keinen kostendeckenden Betrieb der Hozvergaser-BHKW zu. Mit der kostendeckenden Ein-speisevergütung KEV lasse sich dieser aber erreichen. «Wir prüfen den Einsatz solcher Anlagen an ausgewählten Standorten», erzählt Lutz. Ziel sei es, ein erstes Projekt zu konkretisieren.
In Österreich, Deutschland sowie Nordita- lien funktionieren Holzvergaser-BHKW im kleinsten und kleinen Leistungsbereich bereits seit zahlreichen Jahren im Dauerbetrieb. Zu nennen sind insbesondere jene der beiden Hersteller Spanner und Urbas. Das bayerische Unternehmen Spanner bietet zwei Ausführungen seiner Holz-Kraft-Anlagen an: die HK 30 mit einer Leistung von 30 kWel und 80 kWth sowie die HK 45, die entsprechend über eine Leistung von 45 kWel und 120 kWth verfügt. Laut Angaben des Unternehmens sind heute rund 200 Anlagen installiert. Sie setzen sich aus dem Spanner Holzvergaser und einem von der Firma KW Energie Technik zugelieferten BHKW zusammen.
Das Herzstück des Holzvergasers ist der Reaktor, in dem die naturbelassenen Hackschnitzel in ein brennbares Gasgemisch umgewandelt werden. Nach der Kühlung und Reinigung des Holzgases wird es einem Vortec 5,7 Liter-V8-Motor zugeführt. Nor-malerweise läuft dieser unter der Chevrolet-Corvette-Motorhaube. Die mechanische Leistung des Motors wird mittels eines Generators in Strom umgewandelt. Die anfallende Wärme lässt sich mithilfe von Wärmetauschern in einen Wärmeverbund einspeisen oder zur Trocknung von Heu, Getreide und Holz nutzen.
Die schweizweit erste und bisher einzige HK 45 ist seit gut einem Jahr im Sägewerk Steiner AG in Ettiswil in Betrieb. Die Sägerei schneidet jährlich zwischen 4000 und 4500 m3 Nadelrundholz ein. Ihre Hauptprodukte sind Latten und Kantholz. Seit 1996 ist dem Werk auch eine Fernheizung mit insgesamt 1,4 MW Leistung angegliedert. Angeschlossen sind sämtliche öffentlichen Gebäude der Gemeinde, rund 50 Privathaushalte sowie das Alters- und Pflegeheim mit zusätzlichen zwölf Alterswohnungen.
Auslöser für die Suche nach einem auf die Betriebsgrösse zugeschnittenen-BHKW für Holz war die Schliessung des Zellulosewerks Booregard im Jahr 2008, dem Hauptabnehmer der Hackschnitzel. «Wir wollten eine eigene Verwertungsmöglichkeit für die Hackschnitzel finden, damit die Wertschöpfung im Betrieb bleibt», erzählt Geschäftsführer Urs Steinger. So bildet heute die Strom- und Wärmeproduktion mit der Spanner HK 45 das dritte Standbein. Sie verbraucht rund 1500 m3 Hackschnitzel pro Jahr. Die produzierte thermische Energie geht in das Fernwärmenetz, der Strom wird in das Netz der CKW eingespeist.
«Das Interesse ist sehr gross», erzählt Steinger. «Alleine in diesem ersten Betriebsjahr wollten 260 Personen die Anlage anschauen und sie sich erklären lassen.» Darunter seien Schreiner, Säger, Hackschnitzelproduzenten und Energieversorger, aber auch Vereine gewesen.
Hinsichtlich der Grösse des Hackguts sei die Maschine relativ tolerant, so Steinger. Ein Feinanteil bis zu 30% sei möglich. Der Feuchtegehalt hingegen darf nicht mehr als 15% betragen. Getrocknet werden die Hackschnitzel in einem Schubbodentrockner: Im Container befinden sich die dazu notwendigen Systeme, das Förderband zum Hackschnitzeltransport und der Austrag des trockenen Hackgutes. Als Heizquelle dient die Abluft der Holz-Kraft-Anlage.
Nach der Holzvergasung verlassen das Gas sowie andere Nebenprodukte, hauptsächlich Kohle und Asche, den Reaktor an der Unterseite. Das Holzgas wird zum Wärmetauscher geführt und gekühlt. Zur Reinigung durchläuft es einen Filter. Die anfallende Asche lagert Steinger in einer 6,5 m3 grossen Mulde, die nach jeweils 500 Betriebsstunden gefüllt ist. Die Asche muss auf einer Deponie entsorgt werden. Für die Wartung und Betreuung der Anlage wendet er ungefähr zwei Stunden pro Woche auf.
Eindrücklich schildert Steinger den langen Weg, bis die Maschine schliesslich in ihrer zweikammrigen Baute in Ettiswil stand. Ver-schiedene Faktoren spielten im Jahr 2009 zusammen: Zum einen kündigte Spanner an, mit der Holz-Kraft-Anlage in die Serienfertigung gehen zu wollen. Zum anderen begann der Kanton Luzern mit der Förderung erneuerbarer Energien. Nach der Besichtigung der ersten Spanner-Anlage schlug der Energieberater Roland Limacher vor, ein Projekt der Neuen Regionalpolitik zu lancieren. Ziel dieses Projekts war, die Anlage schweiztauglich zu machen, um anschliessend ein zinsloses Darlehen beim Kanton beantragen zu können.
Zu diesem Zweck waren zahlreiche Unterlagen notwendig, so die Grundlagen zu Anlage und Verfahrenstechnik, ein Betriebs- und Baukonzept, ein Businessplan, aber auch eine Analyse des Potenzials der Sägewerke im Kanton Luzern und der regionalen Wertschöpfungseffekte. Nach mehreren Umwegen erhielt das Projekt sowohl die Baubewilligung als auch das Darlehen vom Kanton Luzern. Im Juli 2012 erreichte die Anlage, die 178 000 Euro gekostet hatte, schliesslich die Schweiz und ging Mitte November in Betrieb.
Die KEV-Warteliste für Biomasseanlagen ist mit 228 Projekten vergleichsweise kurz. Steingers Projekt befindet sich auf dem vierten Platz. «Ohne KEV mache ich derzeit weder einen Verlust noch einen Gewinn. Mit der KEV werde ich die Anlage innerhalb von sechs Jahren amortisieren können – sofern sie entsprechend läuft», schmunzelt der Geschäftsführer. Im ersten Jahr hat sie das Ziel von 5000 Betriebsstunden knapp verfehlt. «Die Maschine muss noch optimiert werden im Betrieb», sagt Steinger. Angestrebt sind 6000 bis 6500 Betriebsstunden pro Jahr. Angesichts anderer Anlagenbeispiele im nahen Ausland ist er überzeugt, dass dies auch zu schaffen ist, und: «Die Anlagen werden immer besser.»
www.steinerholz.chwww.holz-kraft.deVeröffentlichung: 10. Oktober 2013 / Ausgabe 41/2013
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